VwGH 2007/21/0514

VwGH2007/21/051420.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Bukarest vom 25. Oktober 2007, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z3;
FrPolG 2005 §21 Abs4;
FrPolG 2005 §21 Abs5 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z3;
FrPolG 2005 §21 Abs4;
FrPolG 2005 §21 Abs5 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Moldavien, stellte am 23. Februar 2007 bei der Österreichischen Botschaft in Bukarest den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für eine beabsichtigte Aufenthaltsdauer von 180 Tagen zur Ausübung der Prostitution in einem näher bezeichneten Barbetrieb in S und legte entsprechende Unterlagen vor.

Die belangte Behörde leitete dazu am selben Tag ein Verbesserungsverfahren ein. Es fehlten ein "Nachweis der bereits erfolgten legalen Tätigkeit als Prostituierte im Heimatland oder in einem EU-Staat sowie Nachweis, dass dabei die gesetzlichen Vorschriften (Untersuchungen, Versicherung, Steuern) eingehalten wurden", weiters eine "Krankenversicherung (aktuelle), die Arbeitsaufnahme zulässt und für den gesamten Schengenraum gültig ist", sowie ein "Nachweis, dass Prostitution im betreffenden Lokal ausgeübt werden darf".

Die - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführerin legte in der Folge Urkunden vor und gab am 6. Juni sowie weiters am 3. Juli 2007 erklärende Stellungnahmen ab. Darin unterstrich sie das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums. Sie habe bereits "im Jahre 2004/2005" in S als Prostituierte gearbeitet und dabei alle gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten (dies wird näher dargestellt). Die Einhaltung der geforderten Untersuchungen ergebe sich aus einem

zugleich übermittelten "Gesundheitsbuch ... ausgestellt am

27.10.2004 für den Zeitraum 10/04-05/06". Sie habe immer ordnungsgemäß - im Weg der Abzugsbesteuerung - ihre Steuern entrichtet und habe nach Ablauf der Gültigkeit des Visums das Bundesgebiet unaufgefordert wieder verlassen.

Andererseits lagen der belangten Behörde zwischenzeitig Ermittlungsergebnisse vor, wonach die Beschwerdeführerin mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 3. Mai 2006 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden und sie in der Zeit zwischen 3. und 7. Mai 2006 in Salzburg in Schubhaft angehalten worden wäre.

Ohne dieses Ermittlungsergebnis zu erwähnen, teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin am 21. September 2007 mit, keine weiteren Dokumente zu benötigen. Dem Antrag könne jedoch nicht stattgegeben werden, weil Grund zur Annahme bestehe, dass der beabsichtigte Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden könnte (§ 21 Abs. 5 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG). Auch bestehe Grund zur Annahme, dass die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde (§ 21 Abs. 1 Z. 2 FPG). Sie habe nämlich nicht überzeugend nachweisen können, dass sie feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihren derzeitigen Wohnsitz habe. Vor einer endgültigen Entscheidung werde die Möglichkeit gegeben, eine abschließende Stellungnahme unter Anschluss entsprechender Unterlagen einzubringen.

Die angefochtene, dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin daraufhin mit E-Mail vom 25. Oktober 2007 übermittelte Erledigung der belangten Behörde lautet:

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

Die Botschaft teilt mit, dass das Verfahren nunmehr beendet

und der Visumantrag - wie bereits im Schreiben vom 21.09.2007

angekündigt - abgelehnt wurde.

Mit freundlichen Grüßen

..."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorweg ist festzuhalten, dass keine Bedenken gegen die Bescheidqualität der in Beschwerde gezogenen Erledigung der Österreichischen Botschaft bestehen (vgl. zu ähnlichen Botschaftsschreiben etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0117, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. November 2003, B 1701/02 = VfSlg. 17.033, jeweils mwN), zumal die in der behördlichen Gegenschrift erwähnte "formlose Verständigung der BF" den Verwaltungsakten nicht entnommen werden kann. Es liegt daher ein tauglicher Anfechtungsgegenstand für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof iSd Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG vor.

Inhaltlich hat die belangte Behörde ihre Entscheidung - berücksichtigt man den Verweis auf die Mitteilung vom 21. September 2007 - nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 5 Z. 4 und § 21 Abs. 1 Z. 2 FPG begründet. Das allein stellt freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel dar, genügt es demnach doch (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG), dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0207, mwN).

Dies ist nach dem eingangs skizzierten Gang des Verfahrens jedoch hinsichtlich beider eben genannter Tatbestände zu verneinen:

Der Versagungsgrund des § 21 Abs. 1 Z. 3 iVm Abs. 5 Z. 4 FPG (wonach öffentliche Interessen der Erteilung eines Visums iSd § 21 Abs. 1 Z. 3 FPG dann entgegenstehen können, wenn der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde) ist nämlich für sich allein genommen inhaltlich nicht nachvollziehbar. Dieser Gesichtspunkt kommt hier umso mehr zum Tragen, weil die Beschwerdeführerin die ihr von der belangten Behörde abverlangten Aufklärungen - soweit überblickbar vollständig - erbracht und auch die ursprünglich fehlenden Unterlagen nachgereicht hat. Ihr wäre daher iSd § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG zur Wahrung des Parteiengehörs unter konkreter Angabe der Grundlagen nach wie vor aufrechter Bedenken, wofür die dargestellte Mitteilung vom 21. September 2007 inhaltlich nicht ausgereicht hat, Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme zu geben gewesen. Im Übrigen hätte sich aus der Aktenlage auch entnehmen lassen müssen, dass die belangte Behörde die nach § 21 Abs. 1 Z. 3 iVm Abs. 4 FPG erforderliche Interessenabwägung vorgenommen hat, wofür allerdings jeder Anhaltspunkt fehlt (vgl. zum Ganzen neuerlich den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216).

Auch was die Erteilungsvoraussetzung des § 21 Abs. 1 Z. 2 FPG (die Wiederausreise des Fremden muss gesichert erscheinen) betrifft, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, die ihr vorliegenden - für den Verdacht eines Verbleibens in Österreich über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus sprechenden - Indizien (bereits einmal erfolgte Ausweisung verbunden mit Schubhaft) der Beschwerdeführerin zur Wahrung ihres Parteiengehörs konkret darzulegen. Erst dann ist es Sache des Fremden, die sich daraus ergebenden Bedenken durch unter Beweis zu stellendes geeignetes Vorbringen zu zerstreuen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0104). Dies gilt im vorliegenden Zusammenhang umso mehr, weil die Beschwerdeführerin nach ihrem wiedergegebenen Vorbringen von einer (wenn auch nach dem Datum zeitlich nicht konkretisierbaren) freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet ausgeht.

Nach dem Gesagten kann somit auch aus dem Akteninhalt der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht nachvollzogen werden, sodass selbst die Mindestanforderungen des § 11 Abs. 2 FPG für den Bestand des angefochtenen Bescheides nicht mehr erfüllt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0117). Dieser war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die verzeichnete Position "Beilagen EUR 3,60" darin keine Deckung findet.

Wien, am 20. November 2008

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