Normen
AsylG 2005 §10;
AsylG 2005 §27;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 2005 §10;
AsylG 2005 §27;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der bekämpfte Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Abweisung der Schubhaftbeschwerde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine vom - aus dem Kosovo stammenden - Beschwerdeführer eingebrachte Schubhaftbeschwerde gemäß §§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ab. Die übrigen Anträge des Beschwerdeführers, der Schubhaftbeschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ihn aus der Haft zu entlassen, ihm einen Durchsetzungsaufschub und einen "Vollstrecker" zu erteilen, ihm die Menschenrechte nicht vorzuenthalten und von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, wies die belangte Behörde unter einem zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 16. Jänner 2007 seinen Heimatort verlassen und am 17. Jänner 2007 die serbisch-ungarische Grenze überschritten. Am 23. Jänner 2007 sei er zu Fuß unrechtmäßig über die ungarisch-österreichische Grenze in Österreich eingereist, wo er sich bis zur Asylantragstellung in Wien aufgehalten habe. Um 21.04 Uhr des 23. Jänner 2007 habe er in Traiskirchen einen Asylantrag eingebracht. Er sei im Besitz eines am 22. Juni 2004 von der UNMIK ausgestellten Personalausweises. Über einen Reisepass verfüge er nicht. Der Beschwerdeführer sei mittellos und habe "im EU-Raum (einschließlich Norwegen und Islands)" keine Familienangehörigen. Diesbezügliche Fragen habe er bei seiner Einvernahme durch die Polizei verneint. Den im Fremdenpolizeiakt erliegenden Niederschriften seien keine konkreten Fluchtgründe zu entnehmen. Es sei als Grund für die illegale Einreise ins Bundesgebiet lediglich der Wille des Beschwerdeführers, studieren zu wollen, "nachzuvollziehen". Am 5. Februar 2007 sei der Beschwerdeführer aus der über ihn mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 24. Jänner 2007 verhängten Schubhaft entlassen worden, weil sein Asylverfahren zugelassen worden sei.
Im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer angegebenen Reiseweg, habe die Fremdenpolizeibehörde - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - von einer Zuständigkeit Ungarns zur Führung des Asylverfahrens ausgehen dürfen. Das Vorliegen des Tatbestandes des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG sei zu bejahen. Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft sei, dass im Entscheidungszeitpunkt mit Recht angenommen werden könne, der Fremde werde sich dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren. Der Beschwerdeführer habe durch "sein Vorverhalten hinreichend gezeigt, dass ihn die einreise- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der einzelnen EU-Staaten nicht sonderlich zu tangieren scheinen". Er wisse, wie man unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich einreisen könne. Zwar vermöge die bloße Ausreiseunwilligkeit für sich allein die Schubhaftverhängung nicht zu rechtfertigen, jedoch sei "als einziger Grund das Verhalten des BF in einer angestrengten Verbesserung dessen Lebenssituation nachzuvollziehen". Sohin sei "in einem nicht unerheblichen Ausmaß zu befürchten, dass sich der BF einer Verbringung nach Ungarn entziehen" werde, scheine "er doch ausschließlich den deutschsprachigen Raum als den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen auserkoren" und "für die Durchsetzung dieses Vorhabens sämtliches Erspartes und die familiären Bindungen im Herkunftsland aufgegeben" zu haben. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens vorbringe, er habe Verwandte in Österreich, bei denen er wohnen und den Ausgang des Asylverfahrens abwarten könne, stehe dieses Vorbringen im Widerspruch "zum fremdenpolizeilichen Akt", nach dem er Fragestellungen zu Familienangehörigen verneint habe. Das diesbezügliche Vorbringen sei erstmalig in der Schubhaftbeschwerde erstattet worden. Aus diesem Grund sei auch die Fremdenpolizeibehörde nicht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Zweck der Schubhaft nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel hätte erreicht werden können. Selbst wenn der Beschwerdeführer tatsächlich die Möglichkeit hätte, bei Verwandten zu wohnen, führte dies zu keiner Änderung der Beurteilung, weil die bloße Möglichkeit des Wohnens für sich alleine "noch keine diesbezüglich zu fordernde soziale Integration" darstelle, aus welcher die Akzeptanz negativer asylrechtlicher Entscheidungen und der damit letztlich verbundenen Vollzugsakte ableitbar wäre.
Wenn der Beschwerdeführer in der Schubhaftbeschwerde vorbringe, dass seine früheren Angaben, wie er nach Österreich gelangt sei, nicht stimmen würden, sondern er die gesamte Wegstrecke von seinem Heimatort im Kofferraum eines Taxis transportiert worden wäre, stehe dies im krassen Widerspruch zu den "mehr als genau und kartenmäßig nachvollziehbaren Angaben der Reise". Die Durchführung der vom Beschwerdeführer begehrten Verhandlung sei "überflüssig" gewesen, weil der Sachverhalt in Verbindung mit der Aktenlage hinreichend geklärt gewesen sei. Eine solche habe daher entfallen dürfen.
Zu den über die Schubhaftbeschwerde hinaus gehenden Anträgen, die von der belangten Behörde zurückgewiesen wurden, verwies diese auf die diesbezüglich fehlende sachliche Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die gegenständliche Beschwerde nach deren Inhalt ausschließlich gegen die Abweisung der Schubhaftbeschwerde richtet. Die Zurückweisung der vom Beschwerdeführer sonst an die belangte Behörde gerichteten Anträge ist sohin nicht Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Der belangten Behörde ist nun vorzuwerfen, dass sie bei Prüfung des Schubhaftgrundes nicht ausreichend berücksichtigt hat, dass selbst bei Vorliegen des - von ihr herangezogenen - Tatbestandes nach § 76 Abs. 2 Z 4 FPG (was vom Beschwerdeführer allerdings schon in der Schubhaftbeschwerde bestritten wurde, hier aber dahingestellt bleiben kann) die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die (schon) in diesem frühen Stadium des Asylverfahrens ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2007/21/0093, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass die Verhängung der Schubhaft in "Dublin-Fällen" nicht zu einer Standardmaßnahme gegen Asylwerber werden darf. Besondere Gesichtspunkte, die erkennen ließen, es handle sich hier um eine von den typischen "Dublin-Fällen" abweichende Konstellation, in der mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf Grund konkreter Anhaltspunkte auf eine drohende Verfahrensvereitelung durch den Beschwerdeführer geschlossen hätte werden können, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde weist auf die unrechtmäßige Einreise, den Willen des Beschwerdeführers zur weiteren Lebensführung in Österreich, das Fehlen eines Reisedokuments sowie das Fehlen von Barmitteln hin. Dabei handelt es sich allerdings um keine Umstände, die den gegenständlichen Fall gegenüber sonstigen typischen "Dublin-Fällen" auszeichnen würden, und die Notwendigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft darlegen könnten. Dies gilt auch für die Ausführungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich nach seiner Einreise bis zur Asylantragstellung in Wien aufgehalten. Der Beschwerdeführer gab dazu in seiner (noch vor Schubhaftverhängung erfolgten) Befragung an, vorerst in Österreich ziellos herumgeirrt und schließlich mit einem Taxi nach Traiskirchen gefahren zu sein. Dass der Beschwerdeführer sich bis zu seiner Asylantragstellung vor österreichischen Behörden im Verborgenen gehalten hätte oder dies seine Absicht gewesen wäre, stellte die belangte Behörde hingegen nicht fest. Weiters maß die belangte Behörde unzutreffend dem Umstand, dass der Beschwerdeführer, dessen Identität anhand eines von ihm mitgeführten (von der Asylbehörde als echt eingestuften) Personalausweises feststeht, ohne maßgebliche Verzögerung (sowohl die Einreise als auch die Asylantragstellung erfolgten den Feststellungen zufolge am 23. Jänner 2007) von sich aus das Bundesasylamt aufsuchte, um dort seinen Asylantrag zu stellen, keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei.
Soweit die belangte Behörde auf das Fehlen einer sozialen Integration des Beschwerdeführers abstellt, handelt es sich dabei in Bezug auf (wie der Beschwerdeführer noch nicht lange in Österreich aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, um kein tragfähiges Argument für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes, die Heranziehung des Gesichtspunktes, der Fremde sei in Österreich nicht ausreichend integriert, ist vielmehr bei Asylwerbern in der Situation des Beschwerdeführers verfehlt. Der Frage, der Integration kommt primär im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FPG Bedeutung zu (vgl. dazu ebenfalls das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009).
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 22. Oktober 2009
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