VwGH 2007/11/0005

VwGH2007/11/000517.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der J U (geboren am 28. November 1998) in H, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in 8650 Kindberg, Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 28. November 2006, Zl. 41.550/112- 9/03/ISchG, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3 idF 2005/I/048;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
HVG §2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §3 Abs3 idF 2005/I/048;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 2. November 2000 beantragte die minderjährige Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter, die Zuerkennung einer Entschädigung wegen eines Impfschadens und legte dazu zahlreiche ärztliche Befunde sowie eine Kopie des Mutter-Kind-Passes mit den darin enthaltenen Eintragungen betreffend Schutzimpfungen vor. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass die am 28. November 1998 geborene Beschwerdeführerin in drei Teilimpfungen (am 12. März 1999, 12. April 1999 und 7. Mai 1999) einerseits gegen Diphterie, Keuchhusten, Tetanus und Hämophilusinfektion (Impfstoff "Infanrix + Hib") und andererseits gegen Hepatitis B (Impfstoff "Engerix-B") geimpft wurde.

Nach einem ärztlichen Attest des Ambulatoriums Wiener Neustadt (Akt S. 59) leide die Beschwerdeführerin seit dem 8. Juni 1999 u.a. an rezidivierenden Krampfanfällen bei akut hämorrhagischer Enzephalomyelitis. Diese Verdachtsdiagnose habe sich während des stationären Aufenthaltes der Beschwerdeführerin durch eine MR-Untersuchung bestätigt. Ein konkreter die Infektion auslösender Keim habe nicht gefunden werden können.

Über Anfrage des Bundessozialamtes präzisierte die Beschwerdeführerin, dass sie die Gesundheitsschädigung und damit den Anspruch auf Entschädigung auf die bereits genannten Impfungen zurückführe (Akt S. 71).

Im Gutachten des Dr. C.G. vom 3. Juli 2001 (Akt S. 84), welches vom Bundessozialamt eingeholt wurde, wird der Krankheitszustand der Beschwerdeführerin u.a. dahin beschrieben, dass die verschiedenen Therapien bezüglich der cerebralen Anfälle der Beschwerdeführerin nicht wirklich befriedigend seien und die Beschwerdeführerin sowohl in ihren Körpermaßen als auch im Bereich der Haltungskontrolle beeinträchtigt sei. Die Fortbewegung sei ihr nur auf Knien möglich, ihre kognitiven Fähigkeiten seien retardiert und sprachliche Äußerungen beschränkten sich auf ein Lautieren. Nach diesem Gutachten entspreche das Störungsbild einem "Residualzustand nach Encephalitis, gekennzeichnet durch psychomotorische Retardation und bisher therapieresistente cerebrale Anfälle". Die Mutter der Beschwerdeführerin habe angegebenen, dass die Anfälle täglich drei bis sechs Mal und ein bis zwei Mal pro Nacht aufträten.

Im genannten Gutachten setzte sich der Sachverständige vor allem mit den Auswirkungen des Mehrfachimpfstoffes "Infanrix" auseinander und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Bedingungen für die Herstellung eines Kausalzusammenhanges der Gesundheitsstörung der Beschwerdeführerin mit der vorausgegangenen Impfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt würden. In der Gutachtensergänzung vom 22. Oktober 2001 hob der Sachverständige u.a. hervor, dass der in vergangenen Fällen als eventuelle Ursache eines Impfschadens in Betracht gezogene Impfstoff gegen Keuchhusten (Pertussis) im Fall der Beschwerdeführerin nicht verabreicht worden sei, sondern vielmehr der neue nebenwirkungsfreie Impfstoff "Infanrix". Auch stimme im gegenständlichen Fall die Inkubationszeit der Keuchhustenimpfung mit dem Zeitabstand zwischen der Impfung der Beschwerdeführerin und dem Auftreten ihrer Gesundheitsschädigung nicht überein.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2002 wies das Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Antrag der Beschwerdeführerin auf Entschädigung gemäß § 1b Abs. 3 Impfschadengesetz ab und folgte in der Begründung im Wesentlichen dem genannten ärztlichen Gutachten.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung holte die belangte Behörde die Stellungnahmen mehrerer Ärzte ein, die sich im Wesentlichen dem Gutachten des Dr. C.G. anschlossen.

Im Rahmen des Parteiengehörs brachte die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 23. Jänner 2003 vor, in den bislang erstatteten ärztlichen Gutachten sei eine Kausalität der Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin lediglich in Bezug auf den Mehrfachimpfstoff gegen Diphterie, Keuchhusten, Tetanus und Hämophilusinfektion geprüft worden. Dem gegenüber hätten sich die Sachverständigen mit der Ursächlichkeit des der Beschwerdeführerin gegen Hepatitis B verabreichten Impfstoffs "Engerix-B" kaum oder gar nicht auseinander gesetzt, obwohl sogar in der Fachinformation des Herstellers dieses Impfstoffes Nebenwirkungen einschlägiger Art genannt seien. Die Beschwerdeführerin legte dazu einerseits die den genannten Impfstoff betreffende Fachinformation und andererseits eine ärztliche Stellungnahme des Dr. L. vom 18. Jänner 2003 (Akt S. 101/49) vor, in der ausgeführt wird, dass beim Impfstoff "Engerix-B" all jene Wirkungen bekannt seien, die man bei der Beschwerdeführerin diagnostiziert hätte. Die Symptome, die bei der Beschwerdeführerin aufgetreten seien, würden vom Hersteller in der Fachinformation des Impfstoffes beschrieben. Dazu komme, dass auch die Inkubationszeit mit jener von Hepatitis B "exakt übereinstimmt". Nach Ansicht des Dr. L. seien die Beweise für einen Impfschaden selten so offensichtlich und nachvollziehbar wie im gegenständlichen Fall. Im Übrigen habe ein französisches Gericht in einem näher beschriebenen Urteil bereits festgestellt, dass der genannte Impfstoff zumindest eine andere, nähere bezeichnete, Krankheit verursacht habe. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2003 betonte Dr. L. nochmals, dass die Schädigung der Beschwerdeführerin innerhalb der Inkubationszeit von Hepatitis B eingetreten sei, zumal diese "bekanntlich zwischen einem und sechs Monaten" betrage, aber auch sehr kurz (10 Tage) oder besonders lang (neun Monate) sein können (Akt Seite 101/74).

Auf Grund dessen holte die belangte Behörde zur Frage der möglichen Kausalität der Impfung gegen Hepatitis B mehrere ärztliche Stellungnahmen und schließlich das kinderfachärztliche Gutachten des Dr. S. vom 12. Dezember 2005 ein (Akt s. 101/118 ff). Dort geht der Sachverständige davon aus, dass die Beschwerdeführerin mit hoher Wahrscheinlichkeit unter einer "akuten disseminierten Enzephalomyelitis (ADEM)" leide und kommt zu folgendem Ergebnis:

"Zusammenfassung: Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den am 7.5.99 erfolgten Impfungen mit Infanrix-HIB und Engerix B und der akuten disseminierten Enzephalomyelitis ab 8. Juni 99 konnte nicht erhoben werden. Ein kausaler Zusammenhang erscheint aus mehreren Gründen unwahrscheinlich; 1) das Krankheitsbild einer ADEM entspricht nicht einer bislang eindeutig nachgewiesenen Komplikation der verwendeten Impfstoffkomponenten (Siehe auch Gutachten Dr. F. Abl. 101/12-16), 2) die in der Vergangenheit beobachtete Erkrankung infolge einer Pertussisganzkeim-Impfung scheidet hier aus, da eine azelluläre Pertussis Komponente im Impfstoff (Infanrix) verwendet wird, 3) das beschriebene typische Intervall bis Auftreten der Symptomatik (72 Stunden) nach der Impfung wird mit einem hier vorliegenden Intervall von 4 Wochen um ein mehrfaches überschritten; 4) weiters das lange Intervall (4 Wochen) als Ausdruck der Inkubationszeit einer Infektion/Enzephylitis mit Lebend-Impfstoff nicht möglich erscheint, da alle Komponenten, die am 7.5.1999 verabreicht wurden, Totimpfstoffe waren. Diese Argumentation findet sich voll inhaltlich schon im Gutachten von Herrn Prof. G. (3.7.2001, Abl. 82-87) und in der gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. G. am 22.10.2001 (Abl. 92-94). Ein theoretischer Zusammenhang zwischen den verabreichten Impfungen und der bei (der Beschwerdeführerin) aufgetretenen Erkrankung lässt sich allerdings anhand der Unterlagen und der medizinischen Literatur nicht ausschließen. Die Wahrscheinlichkeit einer kausalen Ursache der Impfung an dem Krankheitsbild ist als gering einzustufen, ein letztendlicher Ausschluss dieser Kausalität kann aber schon deshalb nicht erfolgen, da kein ätiologischer Faktor (z.B. Virus, anderer Keim) nachgewiesen werden konnte. Eine Assoziation einer ADEM Erkrankung ist mit zahlreichen viralen und bakteriellen Krankheitserregern sowie Impfstoffen gefunden worden."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1b Abs. 3 Impfschadengesetz ab. In der Begründung gab sie den Verfahrensgang, den zitierten Teil des Gutachtens Dris. S. vom 12. Dezember 2005 und die einschlägigen Rechtsvorschriften wieder. In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, es sei zu prüfen, ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass die Gesundheitsschäden der Beschwerdeführerin auf die genannten Impfungen zurückzuführen seien, wobei die bloße Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges nicht ausreiche. Diese Wahrscheinlichkeit sei dann gegeben, wenn "nach der ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche". Im gegenständlichen Fall hätten die ärztlichen Sachverständigen, insbesondere Dr. S. im Gutachten vom 12. Dezember 2005, schlüssig dargelegt, warum mehr gegen als für das Vorliegen der Kausalität spreche. Daher müsse nach Ansicht der belangten Behörde davon ausgegangen werden, dass im Fall der Beschwerdeführerin der geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit nicht vorliege.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Zunächst ist festzuhalten, dass das von der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Gutachten vom 2. April 2007 (somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides) stammt und daher als unzulässige Neuerung (§ 41 VwGG) vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu berücksichtigen war.

Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid zusammengefasst ein, die belangte Behörde habe die Frage des Kausalzusammenhanges der Impfung gegen Hepatitis B mit den Gesundheitsschäden der Beschwerdeführerin falsch beurteilt. Die belangte Behörde hätte darauf abstellen müssen, dass die in Rede stehenden Krankheitssymptome nicht nur innerhalb der Inkubationszeit von Hepatitis B, die unwidersprochen zwischen einem und sechs Monaten betrage, aufgetreten seien, sondern dass auch das Krankheitsbild der Beschwerdeführerin mit jenem übereinstimme, das laut "Beipackzettel" des Impfstoffes als Nebenwirkung beschrieben sei. In dieser Fachinformation würden nämlich hämorrhagische Enzephalitis, Enzephalopathie, etc. als sehr seltene, aber doch vorkommende Nebenwirkungen des der Beschwerdeführerin verabreichten Impfstoffes gegen Hepatitis B ausdrücklich genannt. Schließlich hätten auch die Untersuchungen der Beschwerdeführerin keine andere Ursache für die Erkrankung zu Tage gebracht.

Das Impfschadengesetz BGBl. Nr. 371/1973 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 48/2005 lautet auszugsweise:

"§ 1. Der Bund hat für Schäden, die durch eine Schutzimpfung auf Grund

...

verursacht worden sind, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes

Entschädigung zu leisten.

...

§ 1b. (1) Der Bund hat ferner für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen ist.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz hat durch Verordnung jene Impfungen zu bezeichnen, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen sind.

(3) Nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes ist Entschädigung jedenfalls für Schäden zu leisten, die durch im jeweils ausgestellten Mutter-Kind-Pass genannte Impfungen verursacht worden sind.

...

§ 3. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes sind unmittelbar von Bundesbehörden zu versehen.

(2) Über Ansprüche auf Entschädigung nach diesem Bundesgesetz entscheidet in erster Instanz das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, in zweiter und letzter Instanz die Bundesberufungskommission.

(3) Soweit dieses Bundesgesetz nicht Abweichendes bestimmt, sind die §§ 2, 31a, 54 bis 60, 65 bis 67, 69 bis 72, 73a, 82, 83 Abs. 1, 85 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2, 86, 87, 87a Abs. 1 bis 3, 88 Abs. 3, 92 bis 94a und 98a Abs. 7 und 8 HVG sinngemäß anzuwenden.

..."

§ 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG), BGBl. Nr. 27/1964, in der hier maßgebenden Fassung lautet auszugsweise:

"§ 2. (1) Eine Gesundheitsschädigung ist als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. ...

(2) Die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hiezu geeignete Beweismittel genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln zur Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

..."

Auszugehen ist davon, dass die belangte Behörde über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Entschädigung nach dem Impfschadengesetz inhaltlich entschieden und daher implizit angenommen hat, dass die in Rede stehenden Impfungen unter den gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch begründen können. Als zentrale Tatbestandsvoraussetzung wird in § 1b Impfschadengesetz, auf den sich der angefochtene Bescheid stützt, die Verursachung eines Schadens durch die Impfung normiert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Verursachung eines Schadens durch eine Impfung im Sinne des Impfschadengesetzes u.a. in den Erkenntnissen vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0263, und vom 18. Dezember 2007, Zl. 2004/11/0153, auseinander gesetzt und im letztgenannten Erkenntnis zur Kausalität wie folgt ausgeführt:

"Die Ersatzpflicht nach § 1b Impfschadengesetz tritt aber nur dann ein, wenn die Impfung einen Schaden verursacht hat; die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt nicht, dieser muss vielmehr festgestellt sein. Schon in dem (weiteren) den Beschwerdeführer betreffenden Vorerkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0263, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, als kausal im Rechtssinn sei 'die Gesamtheit derjenigen Bedingungen zu werten, die am Erfolg wesentlich mitgewirkt haben; wirken mehrere Bedingungen für einen Erfolg zusammen, so kann nur jene Bedingung als wesentlich gewertet werden, die in ihrer Wirkung den anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig ist. Hat dagegen einer der als Bedingungen in Betracht zu ziehenden Umstände überragend auf den Erfolg hingewirkt und ihn solcherart entscheidend geprägt, so ist er als alleinige Ursache im Rechtssinne zu bewerten'.

2.2. Vor dem Hintergrund, dass anspruchsbegründende Tatsache die Kausalität der Impfung für den eingetretenen Schaden ist, hat den Beweis des Vorliegens der Impfung und ihrer Kausalität im Sinne der allgemeinen Schadenersatzregeln grundsätzlich der Geschädigte zu führen (vgl. nur etwa Reischauer in Rummel II/1, ABGB3, Rz 26 zu § 1298). Für den Kausalitätsbeweis im Arzthaftungsprozess bei möglicherweise mit Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschädigungen von Patienten sieht der Oberste Gerichtshof allerdings in ständiger Rechtsprechung wegen der besonderen Schwierigkeit des exakten Beweises den Anscheinsbeweis (prima facie Beweis) als ausreichend an. Dabei kann der Prozessgegner den Anscheinsbeweis bereits dadurch erschüttern, dass er Tatsachen beweist, die einen Schluss auf einen anderen Geschehensablauf zulassen, welcher zumindest gleich wahrscheinlich ist, mit der Konsequenz, dass damit die (volle) Beweislast auf den Kläger zurückfällt (vgl. etwa die Nachweise bei Reischauer, aaO, Rz 4 ff zu § 1296).

Diese Rechtsprechung zum Kausalitätsnachweis bei ärztlichen Behandlungsfehlern ist auf die Geltendmachung von Impfschäden zu übertragen: Gerade in dieser Konstellation besteht die Problematik der besonderen Schwierigkeit verlässlicher Kausalitätsfeststellung in Bezug auf Vorgänge im lebenden individuellen Organismus.

Dem im Wesentlichen Rechnung tragend werden für die Beurteilung der Kausalität von Impfschäden regelmäßig drei Kriterien geprüft (so schon der Sachverständige Dr. C. G. in seinem - den Beschwerdeführer betreffenden - Gutachten vom 10. August 1997):

'1.) Es muss ein klarer zeitlicher Zusammenhang bestehen, d. h. die sog. Inkubationszeit muss 'stimmen'.

2.) Die Symptomatik des als Ursache der späteren Behinderung angesehenen akuten 'Schadensereignisses' soll im Wesentlichen, wenn auch in abgeschwächter Form, dem Bild einer Komplikation nach einer Virusinfektion entsprechen.

3.) Da ein direkter Nachweis eines ätiologischen Zusammenhangs mit der Impfung im Nachhinein nicht möglich ist, wird zumindest das Fehlen einer anderen (wahrscheinlicheren) Erklärungsmöglichkeit der Ätiologie gefordert.' "

Die genannten Erkenntnisse ergingen zum Impfschadengesetz noch in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 48/2005. Durch die genannte Novelle wurde § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz dahin geändert, dass bei der Beurteilung eines Entschädigungsanspruches nach dem Impfschadengesetz der oben zitierte § 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) sinngemäß anzuwenden ist. Gemäß § 2 Abs. 1 HVG kommt es darauf an, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung "zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis ... ursächlich zurückzuführen ist"; Abs. 2 leg. cit. normiert, dass die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung genügt, wenn die obwaltenden Verhältnisse die Führung des Nachweises der Ursächlichkeit ausschließen.

Die Erläuterungen (RV 671 BlgNR XXII. GP 6) zur Novelle des Impfschadengesetzes, BGBl. I Nr. 48/2005, führen zu § 3 Abs. 3 leg. cit. wie folgt aus:

"Dadurch wird im Bereich des Impfschadengesetzes ein Anspruch auf Entschädigung bereits dann eingeräumt, wenn die Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf die verabreichte Impfung zurückzuführen ist."

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass nach der hier anzuwendenden Rechtslage der Anspruch auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz nicht nur bei einem "Kausalitätsnachweis", sondern schon im Falle der "Kausalitätswahrscheinlichkeit" besteht. Davon ausgehend und unter Bedachtnahme auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis, Zl. 2004/11/0153, ist jedenfalls dann, wenn auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzunehmen ist, dass die drei genannten Kriterien (entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinlichere Ursache) erfüllt sind, von der Wahrscheinlichkeit der Kausalität einer Impfung für die betreffende Gesundheitsschädigung im Sinne der §§ 1 und 3 Abs. 3 ImpfSchG iVm § 2 HVG auszugehen.

In der vorliegenden Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin wie bereits im Verwaltungsverfahren vor, dass in ihrem Fall sowohl die Inkubationszeit als auch die Symptomatik mit dem Bild einer Komplikation nach einer Hepatitis B Impfung übereinstimmten und dass die Ärzte auch keine andere, wahrscheinlichere Schadensursache gefunden hätten. Demgegenüber hat die belangte Behörde die Wahrscheinlichkeit der Kausalität im Wesentlichen unter Hinweis auf die von ihr eingeholten ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten verneint.

Gegen diese Gutachten hat die Beschwerdeführerin aber schon im Verwaltungsverfahren (wie die Aktenlage zeigt: zutreffend) ins Treffen geführt, dass sich die Sachverständigen dort - mit Ausnahme im Gutachten des Dr. S. vom 12. Dezember 2005 - hauptsächlich mit den Auswirkungen der verabreichten Mehrfachimpfung gegen Diphterie, Keuchhusten, Tetanus und Hämophilusinfektion (also mit dem Impfstoff "Infanrix + Hib") bzw. mit einem speziell den Keuchhusten betreffenden Impfstoff (Pertussisimpfstoff) auseinander gesetzt haben, jedoch - wenn überhaupt - nur am Rande auf die Auswirkungen der Impfung gegen Hepatitis B eingegangen sind. Schon deshalb ist aus diesen Gutachten für die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin sei mit Wahrscheinlichkeit auch nicht auf die Hepatitis B-Impfung zurückzuführen, nichts zu gewinnen.

Entscheidend ist daher, ob sich mit dem Gutachten des Dr. S. vom 12. Dezember 2005 die Ansicht der belangten Behörde stützen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin primär ins Treffen geführte Hepatitis B-Impfung nicht zumindest als wahrscheinliche Ursache für die genannten Gesundheitsschäden anzusehen ist. Eine nähere Betrachtung insbesondere der oben zitierten Zusammenfassung dieses Gutachtens zeigt jedoch, dass dieses keine schlüssige Grundlage für die darauf aufbauende Rechtsansicht der belangten Behörde darstellt:

So geht Dr. S. in der zitierten Zusammenfassung seines Gutachtens zunächst davon aus, ein kausaler Zusammenhang sei "aus mehreren Gründen unwahrscheinlich", schwächt diese Aussage dann dahin ab, als die "Wahrscheinlichkeit" einer kausalen Ursache als gering einzustufen sei und gelangt schließlich zum - scheinbar gegenteiligen - Ergebnis, dass eine Assoziation der Erkrankung der Beschwerdeführerin "mit zahlreichen viralen und bakteriellen Krankheitserregern sowie Impfstoffen" gefunden worden sei.

Abgesehen davon setzt sich das Gutachten Dris. S. mit den Argumenten, die die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren - mit Hilfe der ärztlichen Stellungnahme des Dr. L. auf fachlicher Ebene - für das Vorliegen der Kausalität vorgebracht hat, inhaltlich nicht konkret auseinander:

So hat die Beschwerdeführerin zur Inkubationszeit durch die Vorlage der ärztlichen Stellungnahme des Dr. L. eingewendet, dass diese für Hepatitis B grundsätzlich einen bis sechs Monate betrage und im Fall der Beschwerdeführerin mit dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome übereinstimme (erste Krampfanfälle am 8. Juni 1999 nach der Hepatitis B-Impfung zuletzt vom 7. Mai 1999). Weiters hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass auch die von ihr vorgelegte Fachinformation betreffend den Impfstoff gegen Hepatitis B (Akt Seite 101/51) von einer "langen Inkubationszeit" spricht. Vor diesem Hintergrund sowie in Anbetracht der Tatsache, dass Dr. S. in seinem Gutachten vom 12. Dezember 2005 die Inkubationszeit für Hepatitis B weder ausdrücklich nennt noch die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin konkret widerlegt, ist sein (oben zitiertes) gutachtliches Ergebnis, das vorliegende Intervall von vier Wochen habe die Inkubationszeit für Hepatitis B "um ein Mehrfaches überschritten", nicht nachvollziehbar. Nach dem Gesagten durfte die belangte Behörde daher nicht davon ausgehen, dass das nach der zitierten Judikatur relevante Kriterium der Inkubationszeit im vorliegenden Fall gegen die Wahrscheinlichkeit der Kausalität spreche.

Entsprechendes gilt für die Krankheitssymptome der Beschwerdeführerin: So wird in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahme des Dr. L. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sogar der Hersteller des Impfstoffes jene Krankheiten, unter denen die Beschwerdeführerin leide, in der Fachinformation ("Beipackzettel") des Impfstoffes als mögliche, wenngleich seltene Nebenwirkungen angeführt hat (Enzephalitis, Enzephalopathie). Auch dies wird im Gutachten des Dr. S. nicht widerlegt. Bestätigt aber sogar der Hersteller eines Impfstoffes in der diesbezüglichen Fachinformation zumindest die Möglichkeit konkret genannter Nebenwirkungen, so vermag ein ärztliches Gutachten diese Möglichkeit nur dann zu widerlegen, wenn es im Einzelnen und mit gleichen wissenschaftlichen Mitteln, wie sie der Hersteller des Impfstoffes angewendet hat, aufzeigt, dass die Fachinformation unrichtig sei. Ausführungen dieser Art enthält das Gutachten des Dr. S. vom 12. Dezember 2005 nicht. Wenn in diesem Gutachten eine Übereinstimmung des Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin mit jenem nach einer Hepatitis B-Impfung deshalb verneint wird, weil die bei der Beschwerdeführerin aufgetretene Erkrankung "nicht einer bislang eindeutig nachgewiesenen Komplikation" entspreche, so steht dies nicht nur in einem Spannungsverhältnis zur bereits genannten Fachinformation des Impfstoffes, sondern beruht auch auf einer unzutreffenden rechtlichen Annahme (zumal es nach dem Gesagten auf einen "eindeutigen Nachweis" nicht ankommt).

Das dritte nach der zitierten Judikatur relevante Kriterium für die Schadenskausalität der Impfung wird sogar im in Rede stehenden Gutachten des Dr. S. bestätigt, da dieser ausführt, dass für die Krankheit der Beschwerdeführerin kein "ätiologischer Faktor", etwa ein anderer Keim, habe nachgewiesen werden können.

Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Ermittlungsergebnisse keine ausreichende Grundlage für die Ansicht bieten, die prima facie anzunehmende Kausalität der Impfung sei im konkreten Fall wegen einer abweichenden Inkubationszeit, einer anderen Krankheitssymptomatik oder einer anderen, wahrscheinlicheren Erklärungsmöglichkeit nicht gegeben.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. November 2009

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