Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §1a;
ImpfSchG §1b Abs1 idF 1991/278;
ImpfSchG §1b Abs1;
ImpfSchG §1b Abs3 idF 1991/278;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §1a;
ImpfSchG §1b Abs1 idF 1991/278;
ImpfSchG §1b Abs1;
ImpfSchG §1b Abs3 idF 1991/278;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Mutter-Kind-Pass betreffend den am 28. Juli 1981 geborenen Beschwerdeführer ist unter der Rubrik "Andere Impfungen" eine Impfung gegen Masern und Mumps per 28. Jänner 1983 eingetragen.
Mit Eingabe vom 13. März 1997 beantragte die Mutter des Beschwerdeführers für ihren Sohn eine "Impfschadenrente" und führte hiezu aus, sie habe nach unauffälliger Schwangerschaft und unkomplizierter Geburt ein gesundes Kind zur Welt gebracht. Im Mutter-Kind-Pass sei anlässlich der Untersuchung im
11. Lebensmonat noch festgehalten, dass beim Beschwerdeführer eine "normale motorische, psychische und sprachliche Entwicklung" bestehe. Nach der Masern-Mumps-Impfung im 18. Lebensmonat sei es beim Beschwerdeführer über Wochen zu wiederholten sehr hohen Fieberschüben gekommen, die vom damaligen Hausarzt Dr. Othmar K. behandelt worden seien. Auf Grund der über Wochen ausbleibenden Normalisierung sei sie im 22. Lebensmonat des Beschwerdeführers beim Kinderarzt Prim. Dr. Gunther W. vorstellig geworden. Dieser habe in der Folge beim Beschwerdeführer erstmalig einen Entwicklungsstillstand, insbesondere im sprachlichen Bereich, sowie Hyperaktivität diagnostiziert. Trotz sofort einsetzender umfassender Förderungsmaßnahmen sei es zu einer bleibenden Entwicklungsretadierung und Behinderung insbesondere im geistigen und sprachlichen Bereich beim Beschwerdeführer gekommen.
Über Anfrage des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland (BSA) teilte der praktische Arzt Dr. Othmar K. im Juni 1997 mit, wegen festgestellter "Fieberschübe unklarer Genese" sei der Beschwerdeführer seit Anfang April 1983 durch dreimalige Penicillinabgabe (Clamoyl) behandelt worden; es sei jedoch keine Besserung eingetreten. Die Weiterbehandlung sei beim Facharzt erfolgt. Bezüglich des Verlaufs der Krankheit werde auf den Facharztbefund verwiesen. Der Kinderarzt Prim. Dr. Gunther W. teilte dem BSA mit Schreiben vom 9. Juni 1997 mit, den Beschwerdeführer im Alter von etwa zwei Jahren ("am 11.5.1983") anlässlich eines hartnäckigen Hustens kennen gelernt zu haben. Er habe eine Vergrößerung der Rachenmandel und der Adenoide festgestellt. Die verzögerte Sprachentwicklung sei bereits aufgefallen; es habe eine gewisse Bewegungsunruhe bestanden; neurologische Auffälligkeiten seien nicht festgestellt worden. Eine weitere Behandlung "wegen Hustens" habe am 1. Juni 1984 stattgefunden. Damals habe er festgehalten: "fängt erst zu sprechen an". In der Folge habe er den Beschwerdeführer erst wieder im Jahre 1994 gesehen.
In seinem vom BSA angeforderten fachärztlichen Gutachten vom 10. August 1997 führte der Sachverständige Univ. Prof. Dr. Christoph G., Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Kinder- und Jugendneuropsychiatrie, aus, dass die den ersten Manifestationen der jetzt vorliegenden Behinderung vorausgegangene (und daher als deren Ursache bezeichnete) Erkrankung außerhalb der für die Impfkomplikationen anerkannten Inkubationszeit aufgetreten sei. Ihre Symptomatik weise keine ausreichende Ähnlichkeit mit einer Komplikation nach "Masernwild-Infektion" auf. Es gebe eine wesentlich wahrscheinlichere Erklärung für ihre Verursachung. Das Gutachten wurde "auf die Erhebung der Vorgeschichte mit der Mutter" des Beschwerdeführers, auf dessen Untersuchung sowie "auf eingehendes Studium der Aktenunterlagen und auf ausführliche Literaturrecherchen" gestützt.
Der Hausarzt Dr. Othmar K. führte in der Folge in seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 1997 aus, dass seine Auskunft an das BSA vom Juni 1997 nur auf Grund der Angaben der Mutter des Beschwerdeführers erfolgt seien; in seiner Kartei fänden sich keine Aufzeichnungen mehr.
In seinem Ergänzungsgutachten vom 9. Dezember 1997 führte der Sachverständige Univ. Prof. Dr. Christoph G. hierauf aus, dass alle Angaben zum zeitlichen Abstand zwischen Fieber und Impfung auf anamnestische Aussagen der Eltern des Beschwerdeführers zurückgingen, schriftliche Aufzeichnungen von dritten Personen (Ärzten) aus der damaligen Zeit existierten leider nicht. Es falle allerdings auf, dass in den Untersuchungsbefunden, die wegen der Behinderung des Beschwerdeführers schon früher erhoben worden seien, nirgends auch nur die Vermutung eines Kausalzusammenhanges mit der Impfung aufscheine. Bei Berücksichtigung und Bewertung der im Einspruch der Eltern des Beschwerdeführers vorgebrachten Angaben ergebe sich, dass die Korrektur der zeitlichen Daten im Vergleich zu den im Großen und Ganzen übereinstimmenden früheren Aussagen kaum objektivierbar erscheine. Die zusätzliche Schilderung der Symptomatik mache eine Masern-Impfkomplikation ebenfalls nicht wahrscheinlicher, sondern eher das Gegenteil.
Mit Bescheid des BSA vom 27. Februar 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. März 1997 auf Gewährung einer Entschädigung nach dem Impfschadengesetz abgewiesen.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung holte die belangte Behörde ein psychiatrisch-neurologisches Sachverständigengutachten von MR Dr. Wilhelm W. vom 29. Juli 1998 ein, in welchem ausgeführt wurde, dass beim Beschwerdeführer derzeit eine Verhaltensstörung auf Basis einer im Kindesalter erworbenen organisch-cerebralen Läsion vorliege. Bezüglich des Kausalkonnexes mit der erfolgten Masern-Mumps-Impfung sei festzuhalten, dass von den Angehörigen des Beschwerdeführers seit 1997 über die relevante Vorgeschichte differente Angaben gegenüber früheren Zeitpunkten gemacht worden seien. Eine Impfencephalitis als Komplikation sei retrospektiv deshalb nicht wahrscheinlich zu machen, weil eine entsprechende typische klinische Symptomatik von den Deponenten weder früher noch jetzt berichtet worden sei, die Erkrankung nicht so schwer gewesen sei, dass die behandelnden Ärzte eine stationäre Aufnahme zur diagnostischen Abklärung und Therapie für erforderlich erachtet und die Eltern bei den nach Jahren erfolgten fachärztlichen stationären Untersuchungen nie auf die nun berichteten Symptome, die Tage bis Wochen nach der Vaccination aufgetreten seien, hingewiesen hätten, weshalb auch bis zum Vorjahr keiner der Voruntersucher die Annahme einer Impfkomplikation in Erwägung gezogen habe. Darüber hinaus sei von den Eltern angegeben worden (dies sei auch belegt), dass der Beschwerdeführer im Stande gewesen sei, die erste "Normal-Volksschul-Klasse" mit Erfolg zu absolvieren und die psychisch bedingten Schulschwierigkeiten erst in der zweiten Klasse begonnen hätten. Daraus könne man entnehmen, dass ein postencephalitischer cerebral-organischer Abbau bis dahin nicht stattgefunden habe. In diesem Zusammenhang sei auch die von den Angehörigen aufgeworfene Frage hinsichtlich der Latenzzeiten zwischen Impftermin und den ersten berichteten postvaccinalen Symptomen irrelevant, weil aus der Entwicklung des Zustandsbildes im weiteren Längsschnitt abgelesen werden könne, dass eine akute Encephalitis als Ursache dieser Symptomatik ausgeschlossen werden könne. Als Impfkomplikationen auf dem neurologischen Sektor seien nach Masern-Impfung folgende Zustandsbilder im Gespräch: cerebrale Krampfanfälle (fibril und afibril), passagere Gangunsicherheit, Meningismus, Meningitis und Encephalitis, einschließlich der speziellen Verlaufsform der subakuten sklerosierenden Panencephalitis sowie eine Polyradiculoneuritis. Über Krampfanfälle sei nichts berichtet worden. Ein Kausalkonnex zwischen der rezentrelevanten Impfung und der nachfolgenden klinischen Entwicklung des neurologisch-psychiatrischen Zustandsbildes sei weder als gesichert noch als wahrscheinlich zu bezeichnen, vielmehr könne er eher als extrem unwahrscheinlich imponiert werden. Es könne im vorliegenden Fall nicht Aufgabe des Sachverständigengutachters sein, die anderen möglichen Ursachen der beim Betroffenen vorliegenden Störungen aufzuzeigen. Es liege eine Verhaltensstörung auf Basis einer im Schulalter erworbenen cerebral organischen Erkrankung vor. Die zur Frage stehende Impfung könne auch nicht als Teilkausalfaktor der nun vorliegenden Gesundheitsschädigung aufgefasst werden.
Der Sachverständige hielt in seinem Gutachten fest:
"Zur Beurteilung stand der Akteninhalt (...), die Ergebnisse der persönlichen Untersuchung des Betroffenen am 2. Juli 1998 und die bei der gleichen Gelegenheit erhobenen außenanamnestischen Angaben der Eltern des Betroffenen zur Verfügung. Außerdem wurde die sachbezogene wissenschaftlich-medizinische Literatur studiert und in der Endbeurteilung berücksichtigt."
Dieses Gutachten wurde von den Vertretern des Beschwerdeführers als unschlüssig unter Hinweis auf einen psychologischen Befund der Psychologin und Kinderneurologin des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. September 1986 und die Stellungnahme des Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde Dr. Günther U. des mobilen Beratungsdienstes für Kinder und Jugendliche vom 30. Oktober 1998 bezeichnet. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, aus den vorgelegten Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer lange vor dem Eintreten in die erste Klasse Volksschule deutlich in seiner psychomotorischen Entwicklung retardiert gewesen sei, ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Impfencephalitis medizinisch durchaus kompatibel sei und ein Hinweis auf andere Ursachen anamnestisch nicht bestehe.
In seinem Ergänzungsgutachten vom 11. Jänner 1999 führte der Sachverständige MR Dr. Wilhelm W. hiezu aus, dass die Annahme einer schweren encephalitischen Impfkomplikation im zweiten Lebensjahr mit dem belegten Umstand, dass der Beschwerdeführer im Stande gewesen sei, die erste Klasse einer normalen Volksschule gut zu absolvieren, praktisch nicht vereinbar erscheine und auch die in der Folgezeit durchgeführten stationären Untersuchungen an der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kinder- und Jugendalters einen Zusammenhang mit einer Impfkomplikation im Sinne einer Encephalitis nie in Erwägung gezogen hätten. Bezüglich des Beginns der Fieberschübe wurde auf das Gutachten des Univ. Prof. Dr. G. vom 10. August 1997 hingewiesen. Die späteren Angaben seien von den Angehörigen erst im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens gemacht worden. Laut dem kinderfachärztlichen Befund Dris. W. vom Juni 1997 sollen die rezidivierenden Fieberschübe vier Monate nach der Impfung aufgetreten sein. Daraus sei abzuleiten, dass eine dreiwöchige Fieberperiode in unmittelbarem Anschluss an die gegenständlich interessierende Impfung nicht dokumentiert sei und somit nicht wahrscheinlich gemacht werden könne.
Die Vertreter des Beschwerdeführers legten hierauf ein "Privatgutachten" des Dr. Günther B. der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde des Wiener AKH vor, welches bezüglich der "Vorgeschichte" davon ausgeht, dass beim Beschwerdeführer ca. zwei Wochen nach der Impfung hohes Fieber aufgetreten sei, der Beschwerdeführer einen schwer kranken Eindruck gemacht habe, einen hochroten Ausschlag gezeigt habe und lichtscheu gewesen sei. Ab der Fieberperiode habe der Beschwerdeführer einen auffälligen abgeflachten Entwicklungsverlauf gezeigt. Rasch nach dieser Fieberperiode sei es zu Verhaltensstörungen gekommen, die sich in Form von massiver motorischer Unruhe (Hyperkinese) und erheblicher Verzögerung der Sprachentwicklung (erste Sätze seien erst mit etwa fünf Jahren gesprochen worden) manifestiert hätten. Es bestehe ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfzeitpunkt und Auftreten erster Symptome, die der so genannten Inkubationszeit entsprechen. Das klinische Krankheitsbild weise eine eindeutige Ähnlichkeit mit einer Impfmasernerkrankung und gewisse Ähnlichkeit mit einer Masernencephalitis auf. Die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt auf eine diagnostische Klärung verzichtet worden sei, sei bedauerlich. Es gebe keinen Hinweis auf eine andere mögliche oder wahrscheinliche Ätiologie.
Ein weiteres von der Behörde eingeholtes nervenfachärztliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Nervenkrankheiten Dr. H. vom 15. Dezember 1999 stützte sich hinsichtlich der Vorgeschichte auf die Angabe der Eltern und des Kinderarztes Prim. Dr. W., wonach 14 Tage nach der Impfung ein zentral-nervöses entzündliches Geschehen stattgefunden hätte und zwei bis drei Wochen lang heftige Fieberschübe aufgetreten seien. Der Beschwerdeführer habe psychotische Symptome gezeigt, sei apathisch, kaum ansprechbar, schwer weckbar und zwischendurch unruhig gewesen und habe verwirrt gewirkt; die Haut sei gerötet, der Beschwerdeführer lichtscheu gewesen. Es seien keine Krämpfe aus dem Epiformenkreis aufgetreten; es habe ein "schweres Krankheitsbild" bestanden. Der Annahme des Sachverständigen Dr. W., der Beginn der intellektuellen Retardierung sei erst mit der ersten Volksschulklasse anzunehmen, müsse nach den Erkenntnissen und vorliegenden Befunden widersprochen werden. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die erste Volksschulklasse "mit Erfolg" absolviert habe, sei - "wie die Mutter glaubhaft versichert" - allein auf die besondere Rücksichtnahme seitens der Lehrer zurückzuführen; es sei auch keine Benotung erfolgt. Die zweite Klasse Volksschule habe entsprechend der intellektuellen Situation beim Beschwerdeführer wiederholt werden müssen. Im Anschluss habe der Beschwerdeführer die Sonderschule bzw. Integrationsschule besucht. Unter Berücksichtigung des Impfzeitpunktes, des Auftretens erster Symptome nach der Impfung (zwei Wochen Inkubationszeit) und der entsprechenden Klinik (dies hätten die Sachverständigen Dr. U. und Dr. B. in durchaus überzeugender Weise glaubhaft gemacht) sowie auf Grund der Tatsache, dass eine Genese der Symptomatik nicht bestätigt habe werden können, würden die Bedingungen für die Anerkennung eines Impfschadens erfüllt. Der Sachverständige Univ. Prof. Dr. G. vermute eine Enterovireninfektion, könne dies aber nicht beweisen. Dr. H. führe in seinem Gutachten die deutlich intellektuelle Entwicklungsstörung auf eine Encephalitis nach Mumps-Masern-Impfung zurück. Die am 28. Jänner 1983 verabreichte Impfung habe die Gesundheitsschädigung verursacht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, die Verwaltungssache sei nach der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen. Sie stütze sich bei ihrer Entscheidung auf die medizinischen Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. W. und Univ. Prof. Dr. G., die sie hinsichtlich der dargelegten möglichen Krankheitsbilder nach Masern-Mumps-Impfungen und der medizinischen Kausalitätsbeurteilung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers für schlüssig erachte. Zu berücksichtigen sei, dass über den behaupteten Krankheitsbeginn keinerlei objektive Unterlagen vorlägen. Die Beurteilung, ob die Gesundheitsschädigungen innerhalb der in Betracht kommenden Inkubationszeit aufgetreten seien, habe somit unter Berücksichtigung der Angaben der Eltern des Beschwerdeführers zu erfolgen. Bei genauer Auswertung der Angaben der Eltern sei festzustellen, dass diese ganz beträchtlich voneinander abweichen. Erst nach Kenntnis des erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. G., in welchem die Wichtigkeit der Inkubationszeit thematisiert worden sei, werde von den Eltern der Beginn der Auffälligkeit einheitlich mit 14 Tagen nach der Impfung bzw. Mitte Februar 1983 terminisiert. Weitere Ungereimtheiten ergeben sich auch dadurch, dass nur in einigen Gutachten von einem ca. eine Woche dauernden Fieberschub acht bis zehn Wochen bzw. zwei Monate nach der Impfung berichtet werde. Aus den zur Verfügung stehenden Beweismitteln folge daher, dass sich ein klarer zeitlicher Zusammenhang in dem Sinne, dass die Gesundheitsschädigungen innerhalb der Inkubationszeit nach der Impfung aufgetreten seien, nicht wahrscheinlich machen lasse. Unter Berücksichtigung des von den Eltern des Beschwerdeführers vorerst geschilderten Krankheitszustandes (Fieber mit phasenhaftem Verlauf) sei festzuhalten, dass beim Beschwerdeführer die von Prof. Dr. G. aufgelisteten Symptome nicht vorgelegen hätten. Die auch danach von den Eltern des Beschwerdeführers angegebenen zusätzlichen Krankheitssymptome hätten diesen Sachverständigen nicht veranlasst, seine Beurteilung abzuändern, vielmehr habe er darauf hingewiesen, dass bei Impfmasern typischerweise die Lichtscheu fehle. In den Gutachten der Sachverständigen Dr. B. und Dr. H. würden die Angaben der Eltern des Beschwerdeführers zum Krankheitsbeginn und den Krankheitssymptomen als gegeben angenommen und sei eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Angaben der Eltern und sonstigen Gutachten weitgehend unterblieben. Aus welchen Umständen der Gutachter Dr. B. eine eindeutige Ähnlichkeit des klinischen Krankheitsbildes mit der Impfmasernerkrankung und eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Masernencephalitis orte, lasse sich diesem Gutachten nicht eindeutig entnehmen. Auch das Gutachten des Dr. U. sei nicht schlüssig. Mangels entsprechender neurologischer Zustandsbilder und wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhanges liege eine Impfencephalitis als Komplikation nicht vor bzw. habe die Impfung nicht wesentlich oder zumindest annähernd gleichwertig mit anderen Ursachen zum Krankheitsbild des Beschwerdeführers beigetragen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Gewährung einer Impfschadenpension" verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1b Abs. 1 des Impfschadengesetzes, BGBl. Nr. 371/1973 in der Fassung BGBl. Nr. 278/1991, hat der Bund für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen ist.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung jedenfalls für Schäden zu leisten, die durch im jeweils ausgestellten Mutter-Kind-Pass genannte Impfungen verursacht worden sind.
Zutreffend hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass die im Impfschadengesetz näher genannten Ersatzpflichten nur dann eintreten, wenn ein durch eine Impfung verursachter Schaden vorliegt, wobei nicht schon eine bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhanges mit einer Impfung genügt, sondern ein solcher Zusammenhang festgestellt sein muss (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 96/08/0219). Dem Beschwerdeführer steht nicht schon dann eine Entschädigung nach dem Impfschadengesetz zu, wenn ein Zusammenhang mit der Impfung nicht ausgeschlossen werden kann, sondern erst dann, wenn ein solcher Zusammenhang festgestellt werden konnte. Die Behörde hat daher im Beschwerdefall zu prüfen, ob die dem Beschwerdeführer am 28. Jänner 1983 verabreichte, im Mutter-Kind-Pass eingetragene Masern-Mumps-Impfung am Erfolg, d.h. an der eingetretenen Gesundheitsschädigung, wesentlich mitgewirkt hat. Nach der auch in Angelegenheiten des Impfschadengesetzes anzuwendenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung ist daher als Ursache einer eingetretenen Wirkung im Rechtssinne nicht jede "conditio sine qua non", sondern die Gesamtheit derjenigen Bedingungen zu werten, die am Erfolg wesentlich mitgewirkt haben; wirken mehrere Bedingungen für einen Erfolg zusammen, so kann nur jene Bedingung als wesentlich gewertet werden, die in ihrer Wirkung den anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig ist. Hat dagegen einer der als Bedingungen in Betracht zu ziehenden Umstände überragend auf den Erfolg hingewirkt und ihn solcher Art entscheidend geprägt, so ist er als alleinige Ursache im Rechtssinne zu bewerten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. November 1992, Zl. 92/09/0092, sowie das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1982, Zl. 81/08/0083, mit weiteren Judikaturhinweisen). Ist daher zwischen der Erkrankung des Beschwerdeführers und der Impfung ein Kausalzusammenhang nachgewiesen und kommen noch andere Bedingungen für die vorliegende Erkrankung des Beschwerdeführers in Betracht, bedarf es entsprechender Beweiserhebungen und Feststellungen durch die Behörde zur Frage, welche dieser Bedingungen als wesentlich gewertet werden können.
Im hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1982, Zl. 81/08/0083, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Begriff des ursächlichen Zusammenhanges ein Rechtsbegriff ist und daher die Beurteilung, ob eine Schutzimpfung für einen danach aufgetretenen Gesundheitsschaden in diesem Sinn kausal ist, der Behörde obliegt und diese Frage nicht dem Sachverständigen überlassen werden darf. Gleiches gilt von dem im § 1b Abs. 1 Impfschadengesetz verwendeten Begriff "verursacht". Die Aufgabe des Sachverständigen besteht vielmehr darin, bei der Ermittlung der naturwissenschaftlichen (medizinischen) Grundlagen für diese rechtliche Beurteilung mitzuwirken. Die Entscheidung darüber, ob fragliche oder streitige Vorgänge der Krankheitsvorgeschichte als wahr anzunehmen sind, obliegt jedoch ausschließlich der Verwaltungsbehörde, weil nur ihr und nicht dem Sachverständigen das Recht der freien Beweiswürdigung zusteht. Das schließt freilich nicht aus, dass auch im Rahmen der Feststellungen zur Vorgeschichte dem ärztlichen Sachverständigen wesentliche Funktionen zukommen können und zwar dann, wenn eine Frage der Vorgeschichte in den medizinischen Fachbereich fällt. Solange sich aber die Verwaltungsbehörde nicht darüber schlüssig geworden ist, welcher Sachverhalt der Krankheitsvorgeschichte als wahr anzunehmen ist, mangelt es an der für die Abgabe eines Sachverständigengutachtens erforderlichen sachlichen Grundlage. Die Verwaltungsbehörde hat daher die Tatsachen der Krankheitsvorgeschichte, die eines Beweises bedürfen, nach Durchführung aller erforderlichen Ermittlungen (einschließlich der erforderlichen Befragung durch den Sachverständigen im zuvor genannten Sinn) und nach Einhaltung des Parteiengehörs in freier Beweiswürdigung zu beurteilen, welcher Sachverhalt der Krankheitsvorgeschichte als erwiesen anzunehmen ist. Diesen als erwiesen angenommenen Sachverhalt hat die Verwaltungsbehörde dem ärztlichen Sachverständigen zur Verwertung im Sachverständigengutachten bekannt zu geben.
Dies hat nun die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht beachtet. Wie bereits der Sachverständige Univ. Prof. Dr. Christoph G. in seinem Gutachten vom 10. August 1997 im Verfahren vor der Behörde erster Instanz - von den übrigen beigezogenen Sachverständigen insoweit unbestritten - festgehalten hat, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die dem Beschwerdeführer verabreichte Masern-Mumps-Impfung wesentliche Bedingung für seinen nunmehrigen Gesundheitszustand bildet, auf drei Kriterien an:
1. Es muss ein klarer zeitlicher Zusammenhang bestehen, d.h. die sog. Inkubationszeit muss "stimmen".
2. Die Symptomatik des als Ursache der späteren Behinderung angesehenen akuten "Schadensereignisses" soll im Wesentlichen, wenn auch in abgeschwächter Form, dem Bild einer Komplikation nach einer Virusinfektion entsprechen.
3. Da ein direkter Nachweis eines ätiologischen Zusammenhangs mit der Impfung im Nachhinein nicht möglich ist, wird zumindest das Fehlen einer anderen (wahrscheinlicheren) Erklärungsmöglichkeit der Ätiologie gefordert.
Zur Klärung der auf fachkundiger Ebene vom medizinischen Sachverständigen zu lösenden Fragen bedarf es - wie oben unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1982 näher dargestellt - der der Behörde obliegenden Feststellung der Krankheitsvorgeschichte des Beschwerdeführers, insofern diese strittig ist.
Diesem Umstand kommt im Beschwerdefall deshalb besondere Bedeutung zu, weil - wie auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bemerkt - über den Beginn der für die Lösung der hier relevanten Rechtsfrage maßgeblichen Veränderung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers nach der Impfung keine "objektiven Unterlagen" vorliegen. Zur Klärung dieser Frage kommen als Beweismittel im Beschwerdefall die Einvernahme der Eltern des Beschwerdeführers und der behandelnden Ärzte - allenfalls im Zusammenhang mit ihren noch vorhandenen Aufzeichnungen - als Zeugen in Betracht. Insbesonders zur Klärung der von den Sachverständigen in ihren Gutachten im Verwaltungsverfahren unterschiedlich beantworteten Frage des zeitlichen Zusammenhanges der Veränderung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers mit der Masern-Mumps-Impfung am 28. Jänner 1983 und der nach der Impfung beim Beschwerdeführer aufgetretenen Symptome bedarf es dementsprechender Beweisaufnahmen. Die Behörde darf auf die vom Beweisthema erfassten Beweise nur dann verzichten, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind. Die Wertung eines Beweises auf seine Glaubwürdigkeit setzt die Aufnahme des Beweises voraus. Eine Einvernahme der Eltern des Beschwerdeführers als Zeugen durch die Behörde ist nicht erfolgt, weshalb eine Würdigung ihrer Angaben vor den Sachverständigen noch nicht erfolgen durfte. Zwar ist ein indirekter Beweis (Indizienbeweis) im Verwaltungsverfahren an sich nicht unzulässig und ein Beweis "vom Hören-Sagen" nicht ausgeschlossen. Die Behörde muss aber dort, wo der Vernehmung des Zeugen tatsächliche Hindernisse nicht entgegenstehen, diese Beweisaufnahme durchführen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0169, sowie die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 646, zu § 45 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).
Da erst nach der Einvernahme der Eltern des Beschwerdeführers und allenfalls der damals den Beschwerdeführer behandelnden Ärzte durch die Behörden in freier Beweiswürdigung festgestellt werden kann, von welchem Krankheitsverlauf nach der hier maßgeblichen Impfung des Beschwerdeführers (Beginn und Art der Symptome) die medizinischen Sachverständigen in ihrem Gutachten auszugehen haben, leidet der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser wesentliche Verfahrensmangel wurde in der Beschwerde auch aufgezeigt.
Der angefochtene Bescheid war daher aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Jänner 2001
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