VwGH 2008/22/0268

VwGH2008/22/026817.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 6. April 2006, Zl. 143.433/2- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 6. April 2006 wurde der am 27. Februar 2004 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 21 Abs. 1, 72, 73 und 74 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 10. Oktober 2001 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt. Das Asylverfahren sei mit 27. Februar 2004 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden.

Zum Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung ebenfalls am 27. Februar 2004 habe sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufgehalten.

Er sei der Schwiegersohn eines österreichischen Staatsbürgers und gehe einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach. In Österreich hielten sich auch die Ehefrau des Beschwerdeführers und das neugeborene Kind der beiden auf, welche über Aufenthaltsberechtigungen für Österreich verfügten.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 82 Abs. 1, 81 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 2 sowie 72 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass auf den gegenständlichen Antrag die Bestimmungen des NAG anzuwenden seien. Da der Beschwerdeführer noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich gewesen und der gegenständliche Antrag deshalb als Erstantrag zu werten sei, hätte er diesen gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen.

Als humanitäre Gründe im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG mache der Beschwerdeführer geltend, dass er durch seine Erwerbstätigkeit in Österreich den Lebensunterhalt seiner Ehefrau und des gemeinsamen Kindes sicherstelle und es ihm nicht zumutbar wäre, in die Türkei zurückzukehren, zumal er in diesem Fall seine Arbeit verlieren würde und damit der Lebensunterhalt seiner Familie gefährdet wäre. Weiters verfüge er in der Türkei über keinerlei Versicherungsschutz und könne daher eine begonnene Therapie wegen seiner Wirbelsäulenprobleme nicht fortsetzen.

Damit würden - so die belangte Behörde weiter - besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG nicht dargetan, zumal eine Ausreise der Ehefrau des Beschwerdeführers und seines Kindes gar nicht erforderlich sei und deren vorübergehende Versorgung auch durch den Schwiegervater des Beschwerdeführers als möglich erscheine. Hinsichtlich der geltend gemachten Wirbelsäulenprobleme sei eine adäquate Behandlung auch in der Türkei möglich.

Eine Inlandsantragstellung werde daher gemäß § 74 NAG nicht zugelassen.

Aufgrund der nicht dem Gesetz entsprechenden Antragstellung werde der gegenständliche Antrag abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass sie den gegenständlichen Antrag nach den Bestimmungen des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG (§ 82 Abs. 1 NAG) beurteilte, weil nach dessen § 81 Abs. 1 Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten des NAG anhängig waren, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde. Er wendet sich auch nicht gegen die behördliche Annahme, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag im Sinn des § 21 Abs. 1 NAG (vgl. § 2 Abs. 1 Z. 13 NAG) handelt und dass er diesen Antrag - entgegen dieser Bestimmung - im Inland gestellt und die Entscheidung darüber nicht im Ausland abgewartet hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, 2006/21/0116).

Allerdings hat die Behörde gemäß § 74 NAG von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt werden. (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2008, G 246/07 u.a.)

Gemäß § 72 Abs. 1 NAG kann die Behörde im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe liegen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt ist.

§ 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0373).

Die Beschwerde führt als humanitäre Gründe in diesem Sinn zum einen ins Treffen, dass es dem Beschwerdeführer wegen seiner Ehefrau und des gemeinsamen Kindes nicht zumutbar sei, in die Türkei zurückzukehren, weil so der Lebensunterhalt seiner Familie gefährdet wäre. Diesem Vorbringen ist allerdings nicht zu entnehmen, dass ein besonderer Ausnahmefall vorliegen würde, der eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Familienleben erforderte, und dass der Beschwerdeführer in seinen durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werden würde, wenn er die Entscheidung über einen gemäß § 21 Abs. 1 NAG grundsätzlich im Ausland zu stellenden Antrag auf Familienzusammenführung im Ausland abwarten müsste; dies insbesondere auch deshalb, weil der Beschwerdeführer das Familienleben in Österreich zu einem Zeitpunkt begründet hat, zu dem er sich bewusst gewesen ist, dass sein Aufenthaltsstatus bzw. der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2008, 2007/18/0395).

Soweit die Beschwerde unter dem Aspekt humanitärer Gründe im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG zum anderen ausführt, dass sich der Beschwerdeführer seit einem Bandscheibenvorfall im Jahr 2005 in ständiger Therapie befinde und sich eine derartige Therapie in der Türkei mangels Versicherungsschutzes nicht leisten könnte, so ist dem Administrativverfahren ein präzises Vorbringen des Beschwerdeführers in dieser Richtung gar nicht zu entnehmen (§ 41 Abs. 1 VwGG); der Hinweis auf die Wirbelsäulenprobleme des Beschwerdeführers würde allerdings nicht dazu ausreichen, einen einer Notlage oder einer besonderen Gefährdung gleichzuhaltenden Umstand darzutun, zumal es sich dabei - darin ist der belangten Behörde beizupflichten - nicht um eine schwerwiegende Krankheit handelt, deren Behandlung allein in Österreich möglich wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2005, 2005/18/0118).

Die Verfahrensrüge, die sich lediglich undeutlich auf "Umstände" bezieht, die den Beschwerdeführer in seinem Heimatland erwarten würden, legt damit eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Hinblick auf § 37 AVG, weil die belangte Behörde eine "umfassende" Auseinandersetzung damit unterlassen habe, nicht dar.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. September 2008

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