VwGH 2008/22/0080

VwGH2008/22/008017.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Februar 2007, Zl. 147.603/2-III/4/06, betreffend Versagung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005;
VwGG §30 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 2005;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005;
VwGG §30 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe nach seiner Einreise am 5. September 2003 einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei "in II. Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen". Gegen die im Asylverfahren getroffene Entscheidung habe er eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Dieses Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Der Beschwerdeführer sei daher nach den Bestimmungen des Asylgesetzes bis zum Abschluss seines Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG sei somit auf ihn das mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretene NAG nicht anwendbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt (u. a.) vor, dass der Gesetzgeber sehr wohl von Fällen ausgegangen sei, in denen das NAG auch auf Asylwerber anzuwenden sei.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde - im Ergebnis - zum Erfolg.

Gemäß § 1 Abs. 1 NAG regelt dieses Bundesgesetz die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen sowie die Dokumentation von bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten. Das NAG gilt nicht für Fremde, die nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt (§ 1 Abs. 2 Z 1 NAG).

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dass das NAG deswegen auf den Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG nicht anwendbar wäre, weil der Beschwerdeführer gegen die im Asylverfahren getroffene Entscheidung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hätte. Dieser Ansicht kann schon deswegen nicht beigepflichtet werden, weil gemäß § 30 Abs. 1 VwGG beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerden kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Sohin ändert die Beschwerdeerhebung für sich genommen noch nichts am Eintritt der Rechtswirkungen des letztinstanzlichen Bescheides.

Allerdings findet sich in den von der belangten Behörde vorgelegten Akten ein den Beschwerdeführer betreffender Auszug aus dem Asylwerberinformationssystem, dem zu entnehmen ist, dass der im Asylverfahren eingebrachten Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. Dezember 2006 (AW 2006/20/0573) aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Darüber hinaus erliegt in den Verwaltungsakten die Kopie des Berufungsbescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Juni 2005 betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer unter dem Namen Peter B nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997, dessen Rechtskraft und Durchsetzbarkeit - den im Akt ersichtlichen Eintragungen in der Fremdeninformationsdatei zufolge - am 1. Juli 2005 eintrat.

§ 125 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG legt fest, dass, wenn gegen einen Fremden, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber ist, ein Aufenthaltsverbot besteht, dieses Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot gilt.

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG gilt das Rückkehrverbot als Entzug des Aufenthaltsrechts. Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer jedenfalls ab Inkrafttreten des FPG (1. Jänner 2006) - zu dieser Zeit war er der Aktenlage nach noch Asylwerber - infolge des gegen ihn bestehenden Rückkehrverbotes nach asylrechtlichen Bestimmungen nicht (mehr) zum Aufenthalt berechtigt war.

Hat der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattgegeben, so bedeutet dies, dass der Eintritt der durch die Rechtsordnung an den - formell rechtskräftigen - Bescheid geknüpften Rechtswirkungen hinausgeschoben wird. In ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass durch die aufschiebende Wirkung niemals mehr erreicht werden kann als durch die Beschwerde selbst. Dem Beschwerdeführer kann auf diese Weise - auch nicht nur vorläufig - keine bessere Rechtsposition eingeräumt werden als jene, die er vor Erlassung des angefochtenen Bescheides besessen hat (vgl. Mayer, B-VG4, S 812 f, mH auf die hg. Rechtsprechung).

Dies bedeutet aber nun fallbezogen, dass dem Beschwerdeführer - ungeachtet dessen, dass er infolge der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht abgeschoben werden durfte - im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde trotz Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung infolge des zu dieser Zeit nach wie vor aufrechten Rückkehrverbotes keine asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung zukam. Auf die Rechtswirkungen des Rückkehrverbotes hatte die der Beschwerde gegen den im Asylverfahren erlassenen Bescheid zuerkannte aufschiebende Wirkung keinen Einfluss.

Sowohl aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Z 1 NAG als auch den Erläuterungen zu dieser Bestimmung in der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP, S 114) ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur jene Fremden vom Geltungsbereich des NAG ausnehmen wollte, die nach asylrechtlichen Bestimmungen zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind (soweit das NAG nicht anderes bestimmt), nicht aber Fremde, denen nach asylrechtlichen Bestimmungen "bloß" Abschiebeschutz zukommt. Dies wird in den Materialien dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass als Personen, die von § 1 Abs. 2 Z 1 NAG erfasst sind, insbesondere Asylwerber, deren Antrag auf internationalen Schutz zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, und Fremde, denen der Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, genannt werden.

Auf Grund der vorgelegten Akten ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer infolge des gegen ihn bestehenden Rückkehrverbotes sein asylrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 62 Abs. 1 FPG entzogen war, weshalb er auch für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung während des Bestands des Rückkehrverbotes "lediglich" über Abschiebeschutz, nicht aber über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen verfügte. Dies aber hat zur Folge, dass die belangte Behörde die Anwendbarkeit des NAG nicht unter Berufung auf § 1 Abs. 2 Z 1 NAG hätte verneinen dürfen, sondern den erstinstanzlichen Bescheid hätte beheben müssen, um eine inhaltliche Entscheidung zu ermöglichen (vgl. zur Beurteilung einer Zurückweisung nach § 1 Abs. 2 Z 1 NAG als prozessuale Entscheidung und zum Umfang der Zuständigkeit der Berufungsbehörde das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0070, mwH).

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2008

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