VwGH 2007/21/0389

VwGH2007/21/038928.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde 1. des S und 2. der K, beide vertreten durch Mag. Marko Szucsich, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7/4. OG, gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Ankara vom 11. Juli 2007, jeweils betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
FrPolG 2005 §11;
FrPolG 2005 §21;
FrPolG 2005 §9 Abs3;
FrPolG 2005 §9 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
FrPolG 2005 §11;
FrPolG 2005 §21;
FrPolG 2005 §9 Abs3;
FrPolG 2005 §9 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die miteinander verheirateten Beschwerdeführer sind türkische Staatsangehörige und beantragten bei der österreichischen Botschaft in Ankara unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblattes die Erteilung eines für 60 Tage gültigen "Schengen-Visums". Sie gaben an, zwecks "Besuch von Familienangehörigen oder Freunden" nach Österreich reisen zu wollen; "einladende Person" sei ein "Verwandter" (H.S.), ein österreichischer Staatsbürger. Den Anträgen beigeschlossen war u.a. eine Verpflichtungserklärung des H.S., in der dieser erklärte, für den Unterhalt und die Unterkunft der eingeladenen Personen (der Beschwerdeführer) aufzukommen.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen der dafür vorgesehenen Felder zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde jeweils die Versagungsgründe nach § 21 Abs. 5 Z 2 und 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als gegeben erachtete.

Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - auszugsweise -

wie folgt:

"Erteilung von Visa

§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt

werden, wenn

1. dieser ein gültiges Reisedokument besitzt;

2. die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;

3. öffentliche Interessen der Erteilung des Visums

nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und

4. kein Versagungsgrund (Abs. 7) wirksam wird.

...

(5) Öffentliche Interessen stehen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn

...

2. der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel

für seinen Unterhalt und für die Wiederausreise verfügt;

3. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen

Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;

...

(6) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens von Tatsachen gemäß Abs. 5 Z 1, 2 oder 3 ein Visum erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten.

..."

Wie dargestellt, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 5 Z 2 und 3 FPG begründet. Das allein stellt freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel dar, genügt es demnach doch (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG), dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest aus dem Akt nachvollziehbar ist (vgl. grundlegend den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216).

In ihrer Gegenschrift hat die belangte Behörde diesen Sachverhalt zusammengefasst. Demnach ging sie davon aus, dass die Beschwerdeführer "Pensionist bzw. Hausfrau" seien und dass der die Verpflichtungserklärung ausgestellt habende H.S. ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von EUR 1.320,68 beziehe. Nach Abzug der Mietkosten (EUR 380,--) sei daher von einem monatlich zur Verfügung stehenden Betrag von EUR 939,80 auszugehen. Überdies hätten die Beschwerdeführer "lediglich zwei Sparbücher mit einem Guthaben von umgerechnet EUR 4.500,-- vorgelegt", während keine geeigneten Nachweise für ein geregeltes Einkommen präsentiert worden seien. Somit seien einerseits die eigenen finanziellen Mittel der Beschwerdeführer für den Reisezweck und die Reisedauer als nicht ausreichend und andererseits die Verpflichtungserklärung des Einladers als nicht tragfähig zu beurteilen gewesen.

Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Zunächst ist nicht zu sehen, dass die Beschwerdeführer für die Dauer ihres Besuches nicht mit dem einladenden H.S. in dessen Wohnung leben können. Dass H.S. etwa bereits andere Personen beherberge oder dass seine Wohnung von vornherein nicht groß genug sei, lässt sich dem Akt nicht entnehmen (gemäß einer den Visaanträgen beigelegten "Dokumentation" steht dem H.S. eine Wohnung mit vier Zimmern samt Vorzimmer, Bad, Küche, Abstellraum und Balkon zur Verfügung). Angesichts dessen musste die in der Verpflichtungserklärung ausdrücklich zugesagte Unterkunft der Beschwerdeführer während ihres Aufenthaltes in Österreich gesichert erscheinen. Warum die Mittel der Beschwerdeführer (EUR 4.500,--) zur Bestreitung ihres Unterhalts für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer von 60 Tagen und für die Wiederausreise nicht reichen sollten oder inwieweit es realistisch betrachtet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft kommen könnte - auf den einen allfälligen Krankheitsfall erfassenden Versagungsgrund des fehlenden Krankenversicherungsschutzes (§ 21 Abs. 5 Z 1 FPG) hat sich die belangte Behörde nicht gestützt; gegebenenfalls hätte dieser spezifische Gesichtspunkt im Verwaltungsverfahren vorgehalten werden müssen -, bleibt dann aber unerfindlich. Insoweit leiden die bekämpften Bescheide daher an inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

Ergänzend sei darüber hinaus zu den (formularmäßigen) Rechtsmittelbelehrungen der bekämpften Bescheide noch darauf hingewiesen, dass gegen Bescheide der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten - abgesehen von der für begünstigte Drittstaatsangehörige vorgesehenen Berufungsmöglichkeit an den unabhängigen Verwaltungssenat nach § 9 Abs. 4 FPG - nicht nur Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, sondern gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG (bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen) auch an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden kann.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im begehrten Ausmaß - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 28. Februar 2008

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