VwGH 2007/21/0368

VwGH2007/21/036820.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der B, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. August 2007, Zl. BMI- 1002652/0001-II/3/2007, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides (betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zu der - die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes (mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Jänner 2005) betreffenden - Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2008, Zl. 2005/18/0503, verwiesen.

Mit Spruchpunkt 1 des im Instanzenzug (über Berufung gegen den Bescheid der im Devolutionsweg zuständig gewordenen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 2007) ergangenen Bescheides vom 6. August 2007 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Nigeria, auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab.

Begründend führte sie - unter teilweisem Verweis auf den genannten Bescheid vom 19. Jänner 2007 - aus, die Beschwerdeführerin habe am 7. Februar 2005, also nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes (mit dem erwähnten Bescheid vom 24. Jänner 2005), den österreichischen Staatsangehörigen G. geheiratet. Dieser habe sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt, doch unterliege die Beschwerdeführerin den Bestimmungen des § 87 FPG, weshalb die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur unter den in § 86 Abs. 1 FPG normierten Voraussetzungen zulässig sei. Auf Grund ihres persönlichen Verhaltens müsse demnach die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sein; aus diesem Verhalten müsse eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr abzuleiten sein, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin "eine Unzahl von Bestrafungen wegen illegaler bzw. unrechtmäßiger Prostitutionsausübung" aufweise, weshalb das - von ihr nicht beachtete - Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, sei sie noch "mit Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 24. 10. 2005 nach §§ 83 Abs. 1, 231 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt" worden. Die Tatsache ihrer Eheschließung lasse nicht zwingend annehmen, dass die von der Beschwerdeführerin ausgehende Gefahr nunmehr weggefallen sei. Solcherart erweise sich die öffentliche Ordnung tatsächlich, gegenwärtig und in einem erheblichen, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührenden Ausmaß gefährdet, weshalb kein Zweifel an der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG bestehen könne.

Zwar sei die Änderung in ihrem Privat- und Familienleben in die Überlegung nach § 66 Abs. 1 FPG einzubeziehen. Es liege jedoch ein Gesamtfehlverhalten in einem die öffentliche Ordnung derart erheblich gefährdenden Ausmaß vor, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dennoch zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Gesundheit dringend geboten erscheine.

Im Hinblick auf die neuerliche Verurteilung vom 24. Oktober 2005 könne auch die nach § 66 Abs. 2 FPG durchzuführende Interessenabwägung nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausgehen. Dazu komme, dass sie bereits im Zeitpunkt ihrer Eheschließung nicht mehr mit einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet habe rechnen dürfen. Auch fehle es an besonderen - zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden - Umständen, das der Behörde eingeräumte Ermessen in ihrem Sinn zu üben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. März 2008, B 1752/07-10, ablehnte.

Über die vorliegende - parallel zum letztgenannten Verfahren erhobene - Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig sind, dass G., der österreichische Ehegatte der Beschwerdeführerin, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte. Die belangte Behörde hat daher nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG zu Recht ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde in Anspruch genommen. In der Beschwerde angesprochene Fragen des Gemeinschaftsrechts stellen sich in diesem Zusammenhang nicht (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0377 mwN).

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie die Beschwerdeführerin - die Stellung einer Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) eines Österreichers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig ist.

Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann somit zum Erfolg führen, wenn sich seit seiner Erlassung die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag lediglich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten der Beschwerdeführerin weggefallen sind (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0004 mwN).

Diese Prüfung hat die belangte Behörde, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, nicht mängelfrei vorgenommen:

Zunächst hat die belangte Behörde auf das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Wohlverhalten, insbesondere seit ihrer Eheschließung am 7. Februar 2005, nicht Bedacht genommen. Dazu kommt, dass bei der nach § 86 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres die Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes begründen können. Es hätte somit entsprechender Feststellungen zu dem der strafgerichtlichen Verurteilung vom 24. Oktober 2005 zugrundeliegenden Verhalten der Beschwerdeführerin bedurft (vgl. etwa das - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes betreffende - hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197). Dasselbe gilt für das den Verwaltungsstrafen zu Grunde liegende Verhalten. Auch dieses kann hier weder nach der Tatzeit noch nach den Begleitumständen nachvollzogen werden. Der angefochtene Bescheid lässt daher insgesamt keine schlüssige Beurteilung zu, ob von der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt seiner Erlassung eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG ausgegangen ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Schon aus diesem Grund war Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Mit Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides bestätigte die belangte Behörde die Zurückweisung eines weiteren von der Beschwerdeführerin am 19. Dezember 2005 gestellten Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG als unzulässig.

Begründend führte die belangte Behörde - unter Verweis auf den mit Berufung bekämpften Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 2007 - aus, der Devolutionsantrag habe zweifelsfrei neuerlich den Antrag auf Aufhebung des eingangs genannten Aufenthaltsverbotes betroffen, worüber bereits eine Entscheidung vorgelegen sei.

Dies stellt die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof in Abrede und macht geltend, der genannte Devolutionsantrag habe sich auf den Antrag auf Aufhebung eines früheren - mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Juli 2003 verhängten - Aufenthaltsverbotes bezogen. Im Fall einer Interpretationsbedürftigkeit ihrer darauf abzielenden Antragstellung hätte die belangte Behörde entsprechende Erhebungen vorzunehmen gehabt, die sie allerdings verabsäumt habe.

Bei dieser Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin - selbst wenn, was demnach dahingestellt bleiben kann, ihre Ansicht zu teilen wäre - allerdings, dass das von ihr erwähnte Aufenthaltsverbot vom 2. Juli 2003 bereits mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Jänner 2007 gemäß § 65 FPG aufgehoben worden war (Blatt 608 der vorgelegten Verwaltungsakten). Durch die Verweigerung einer neuerlichen Entscheidung über ihre inhaltlich auf die Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes abzielenden Anträge könnte sie demnach nicht in ihren Rechten verletzt worden sein (vgl. in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1996, Zl. 94/08/0228 mwN).

In diesem Umfang war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 50, VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 20. November 2008

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