VwGH 2005/18/0503

VwGH2005/18/05032.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der B I, geboren am 10. April 1978, vertreten durch DDr. Christian Schneider, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Donau-City-Straße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Jänner 2005, Zl. SD 1212/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z4;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
ProstG Wr 1984 §8 Abs1 Z2;
VwGG §41 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z4;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
ProstG Wr 1984 §8 Abs1 Z2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Jänner 2005 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei laut eigenen Angaben am 9. September 2002 in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ebenfalls erstinstanzlich abgewiesen worden, das diesbezügliche Berufungsverfahren sei anhängig. Auf Grund der zuerkannten aufschiebenden Wirkung in diesem Verfahren besitze die Beschwerdeführerin nunmehr wieder die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2003 sei gegen die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit erlassen worden.

Im gegenständlichen Verfahren mache die Beschwerdeführerin geltend, sie lukriere aus ihrer Tätigkeit als Prostituierte Mittel zur Deckung des Lebensbedarfes. Mit 1. Mai 2004 hätte sie Rechtsanspruch auf Grundversorgung, weshalb ein Aufenthaltsverbot nicht auf den Tatbestand der Mittellosigkeit gestützt werden dürfe. Nachweise hierfür sei die Beschwerdeführerin jedoch schuldig geblieben. Im Hinblick auf die Bestimmungen des § 21 Asylgesetz sei von der Stützung des Aufenthaltsverbotes auf § 36 Abs. 2 Z. 7 leg. cit. Abstand zu nehmen, trotzdem seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegeben gewesen. Die Beschwerdeführerin sei laut erstinstanzlichem Bescheid zwischen 13. Februar 2004 und 9. Juli 2004 siebenmal wegen unrechtmäßiger Prostitution - wie sich aus dem erstinstanzlichen Bescheid im Zusammenhalt mit dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakten ergibt: nach § 8 Abs. 1 Z 1 Wiener Prostitutionsgesetz - rechtskräftig bestraft worden, drei weitere einschlägige, rechtskräftige Bestrafungen seither seien ebenfalls aktenkundig. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass der in § 36 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes seien daher - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. -

im Grunde des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Daran ändere auch das Berufungsvorbringen, dass die Beschwerdeführerin der Prostitution wegen ihrer Mittellosigkeit nachgegangen sei und deshalb ein entschuldigender Notstand vorläge, nichts, da dem die Rechtskraft der genannten Bestrafungen entgegenstehe. Wäre ein entschuldigender Notstand vorgelegen, wäre die Beschwerdeführerin gemäß § 6 VStG nicht einmal strafbar gewesen. Diesem Vorbringen komme daher keine maßgebliche Relevanz zu.

Die Beschwerdeführerin sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen zum Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Von einem Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin sei auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, da er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und auf dem Gebiet der die Prostitution regelnden Vorschriften und des Gesundheitswesens dringend geboten sei. In Anbetracht des mehrfach wiederholten Fehlverhaltens gehe von der Beschwerdeführerin eine große Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Vermeidung der illegalen Beschaffung von Mitteln zum Unterhalt durch unrechtmäßige Ausübung der Prostitution und der damit einhergehenden Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung aus. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 leg. cit. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu bedenken, dass die Beschwerdeführerin auf keine maßgebliche Integration in Österreich verweisen könne, da sie nur auf Grund des Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt sei und die einer Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das dargestellte Fehlverhalten entsprechend an Gewicht gemindert sei. Angesichts des Mangels jeglicher familiärer Bindungen sei das der Beschwerdeführerin zu unterstellende Interesse an einem Weiterverbleib in Österreich gering. Dem gegenüber steht jedoch das maßgebliche, einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, eines geordneten Prostitutionswesens und am Schutz der Gesundheit Dritter. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen, als das in ihrem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an ihrem Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinne des § 37 Abs. 2 leg. cit. als zulässig.

Der zur fortgeschrittenen Integration der Beschwerdeführerin geltend gemachte Zeuge sei nicht zu vernehmen gewesen, da ein Zeuge lediglich Beobachtungen über von ihm wahrgenommene Ereignisse wiedergeben könne. Die Einschätzung, ob bzw. wie sehr jemand integriert sei, stelle hingegen die Wiedergabe subjektiver Wertungen dar, die einem Zeugen nicht zustünden. Diese Frage sei vielmehr von der Behörde zu lösen.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 leg. cit. sei nicht gegeben gewesen.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände sei auch im Rahmen des Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen gewesen. Das (im Wiedereinsetzungsstadium) anhängige Asylverfahren stelle solche besonderen Gründe nicht dar, erweise sich das Aufenthaltsverbot doch auch im Sinne des Asylgesetzes als zulässig und komme eine Vollstreckung desselben vor Abschluss des Asylverfahrens ohnehin nicht in Betracht.

Zur Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde aus, im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin einerseits und ihre aktenkundige Lebenssituation andererseits könne vor Ablauf der Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden, weshalb die Befristung gerechtfertigt erscheine.

Die Erstbehörde habe der Berufung zu Unrecht die aufschiebende Wirkung aberkannt, auf Grund des anhängigen Asylverfahrens sei mit einer vorzeitigen Vollstreckung des Aufenthaltsverbots bis auf weiteres nämlich nicht zu rechnen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 Fremdengesetz kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Ziffern 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Nach § 36 Abs. 2 Z. 4 Fremdengesetz hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist.

2.1. Den - unbestrittenen - Feststellungen der belangten Behörde zufolge wurde die Beschwerdeführerin zwischen Februar und Juli 2004 siebenmal wegen unrechtmäßiger Prostitution rechtskräftig, und zwar nach § 8 Abs. 1 Z. 2 Wiener Prostitutionsgesetz, rechtskräftig bestraft.

Da es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Vorschriften handelt, mit denen die Prostitution geregelt ist, begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, es sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 4 FrG erfüllt, keinem Einwand (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0715, mwN).

Auf Grund dieser rechtskräftigen Bestrafungen steht die Tatbestandsmäßigkeit des der Beschwerdeführerin angelasteten und den Bestrafungen zugrunde liegenden Fehlverhaltens in bindender Weise fest (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 2006, Zl. 2004/18/0030). In Anbetracht dieses Gesamtverhaltens ist auch die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 2005/18/0715) nicht zu beanstanden.

2.2. Die Beschwerde bringt vor, der Behörde sei bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes ein Ermessen eingeräumt, wonach trotz Erfüllung der in § 36 FrG normierten Tatbestandsvoraussetzungen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes absehen werden könne. Eine Interessenabwägung zwischen den Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie und die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung setze zunächst Ermittlungen zur Frage voraus, ob das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Fremden eingreife. Die belangte Behörde habe es jedoch unterlassen, die Dauer des Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration der Beschwerdeführerin und die Intensität der familiären und sonstigen sozialen Bindungen in Österreich zu ermitteln. Die Unterlassung, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Bei vollständiger Ermittlung der entscheidungswesentlichen Tatsachen wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschwerdeführerin auf eine ausgeprägte Integration mit sozialen Bindungen in Österreich verweisen könne, sie bereits seit beinahe drei Jahren im Bundesgebiet sei, auch soziale Kontakte knüpfen habe können, viele Freunde und ihren Lebensmittelpunkt in Österreich habe, was sich im Speziellen durch ihre innige Beziehung zu und Verlobung mit einem österreichischen Staatsbürger ergebe, mit welchem sie schon seit langem in der gemeinsamen Wohnung zusammenlebe und mit dem sie täglich mehrere Stunden verbringe. Die Beschwerdeführerin verfüge über keine sozialen Bindungen nach Nigeria und habe auch kaum Kontakt zu ihren Eltern. Im Rahmen der Interessenabwägung hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass die privaten Interessen der Beschwerdeführerin die öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bei weitem überwögen. Ein Verfahrensmangel bestehe auch darin, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, den beantragten Zeugen, einen österreichischen Staatsbürger, mit dem die Beschwerdeführerin seit 7. Februar 2005 verheiratet sei, zu vernehmen. Dieser Zeuge hätte die wesentlichen Sachverhaltselemente liefern können, die zur Feststellung des Ausmaßes der Integration der Beschwerdeführerin notwendig gewesen wären.

3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei mit einem österreichischen Staatsbürger verlobt, wohne mit diesem zusammen und verbringe täglich mehrere Stunden mit ihm (sowie die nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte Eheschließung mit diesem) dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

3.2. Wenn die Beschwerde weiters vorbringt, die belangte Behörde hätte die entscheidungswesentlichen Tatsachen über das Ausmaß der Integration der Beschwerdeführerin - insbesondere durch Vernehmung des namhaft gemachten Zeugen - nicht vollständig ermittelt, so wurde die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan, da es die Beschwerde unterlässt, insbesondere konkrete zeitlich und örtlich nachvollziehbare Fakten vorzutragen, die von dem genannten Zeugen bestätigt werden sollten und mit denen das Ausmaß der Integration belegt werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2004, Zl. 2004/18/0288).

3.3. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid bei ihrer Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG (ohnehin) von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin ausgegangen. Dass die Beschwerdeführerin (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung) ledig (gewesen) sei, keine Sorgepflichten habe und familiäre Bindungen zum Bundesgebiet nicht geltend gemacht worden seien, blieb unbestritten. Die belangte Behörde hat - unter Bedachtnahme auf die Interessen der Beschwerdeführerein - zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei, hat doch die Beschwerdeführerin durch ihr mehrfach wiederholtes Fehlverhalten das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, eines geordneten Prostitutionswesens und am Schutz der Gesundheit Dritter wesentlich beeinträchtigt.

Unter Zugrundelegung dessen fällt auch die Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG zum Nachteil der Beschwerdeführerin aus. Ihre Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch ihr schwerwiegendes Fehlverhalten eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den genannten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin. Dass die Beschwerdeführerin über keine sozialen Bindungen nach Nigeria verfüge und auch zu ihren Eltern kaum noch Kontakt habe, ändert daran nichts.

4. Die belangte Behörde hat in Anbetracht des mehrfach wiederholten Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit unrechtmäßiger Prostitution zutreffend davon Abstand genommen, von dem ihr bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG zukommenden Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerein Gebrauch zu machen.

5. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Oktober 2008

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