VwGH 2006/01/0369

VwGH2006/01/03694.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der M P in K, vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 11, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 18. Jänner 2006, Zl. 1/131- 1/05, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zu Recht erkannt:

Normen

SPG 1991 §67 Abs1;
SPG 1991 §67 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin "gemäß §§ 77 Abs. 2 in Verbindung mit 65 Abs. 1 und 4 sowie 67 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG)" verpflichtet, an den für die erkennungsdienstliche Behandlung "erforderlichen Handlungen (DNA-Untersuchung - Abnahme eines Mundhöhlenabstriches oder Durchführung anderer geeigneter Maßnahmen zum Zwecke der Ermittlung von genetischer Information) mitzuwirken".

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei mit Strafanzeige des Landespolizeikommandos Kärnten (Landeskriminalamt) vom 23. September 2005 bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt wegen des Verdachtes des gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls und der kriminellen Organisation angezeigt worden; sie stehe im Verdacht, gemeinsam und verabredet mit Mittätern Geldausgabeautomaten (jeweils durch Sprengung) aufgebrochen zu haben, um danach das darin verwahrte Geld "zu stehlen", wobei dabei zum Transport unbefugt in Betrieb genommene Fahrzeuge verwendet worden seien. Die konkreten Tatumstände (jeweils hinsichtlich Tatzeiten, Tatorte, erbeutetem Diebsgut, entstandenen Sachschäden und unbefugt in Betrieb genommenen Fahrzeugen) von insgesamt sieben im Zeitraum Dezember 2004 bis Juli 2005 angelasteten Angriffen auf Geldausgabeautomaten sind im angefochtenen Bescheid näher dargestellt; es seien dabei auch Einbruchswerkzeuge, Ausrüstungsgegenstände, Bekleidungsgegenstände und DNA-Spuren sicher gestellt worden.

Die Beschwerdeführerin sei (mit schriftlicher Aufforderung gemäß § 77 Abs. 1 SPG) am 22. November 2005 aufgefordert worden, an der erkennungsdienstlichen Maßnahme der Abnahme eines Mundhöhlenabstriches mitzuwirken; sie habe dies (nach Rücksprache mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter) abgelehnt. Am 18. Jänner 2006 habe die Beschwerdeführerin ihre Mitwirkung an der Abnahme eines Mundhöhlenabstriches neuerlich verweigert.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde (nach Darstellung der maßgebenden Bestimmungen des SPG) aus, aus dem "o.

a. Aktenvorgang" ergebe sich das Erfordernis der erkennungsdienstlichen Behandlung der Beschwerdeführerin bzw. der Ermittlung ihrer DNA, weil zu erwarten sei, dass sie weitere gefährliche Angriffe begehen und dabei Spuren hinterlassen werde, die ihre Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden. Auf Grund der (im Dienste der Strafjustiz) geführten Erhebungen stehe die Beschwerdeführerin im Verdacht, die näher dargestellten Straftaten bzw. gefährlichen Angriffe gemeinsam und verabredet mit Mittätern begangen zu haben. Diese Taten seien mit besonderer Brutalität (ohne Rücksicht auf zu erwartende Schädigungen bei Sachen und Menschen) ausgeführt worden. Dadurch seien enorme Sachschäden entstanden; dass ein "Personenschaden" nicht zu beklagen sei, sei bloß glücklichen Umständen zu verdanken. Die heftigen Explosionen, aber auch die bei Verfolgungsjagden auf die Fahrbahn geworfenen Eisenkrallen hätten für das Leben und die Gesundheit von Menschen eine große Gefährdung erwarten lassen können. Innerhalb kurzer Zeit (Dezember 2004 bis Juli 2005) seien mehrere gleichgelagerte und schwerwiegende Taten begangen worden; diese seien genau geplant und zielgerichtet ausgeführt worden. Das dabei gezeigte Vorgehen der Täter würde von hoher krimineller Energie, aber auch einem verwerflichen Charakter bzw. einer solchen Persönlichkeit der Täter "zeugen", zumal sie für die unredliche Erlangung von Geld besonders geschützte Rechte anderer völlig außer Acht gelassen hätten. Demnach könne gefolgert werden, dass diese Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftig solche oder andere gefährliche Angriffe begehen würden. Dies sei auch daraus zu folgern, dass die festgestellte Tatserie weitergeführt worden sei, obwohl über intensive Erhebungen der Sicherheitsbehörden in den Medien berichtet worden sei und die Täter damit hätten rechnen müssen, jederzeit aufgedeckt bzw. auf frischer Tat betreten zu werden. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei zur Vorbeugung notwendig, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch das Wissen der Betroffenen (Beschwerdeführerin) um die Möglichkeit der Wiedererkennung entgegen zu wirken. Es sei zu erwarten, dass die Betroffene (Beschwerdeführerin) weitere gefährliche Angriffe begehen und dabei Spuren hinterlassen werde, die ihre Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würde; dies schon deshalb, weil (an den Tatorten) Einbruchswerkzeuge, Ausrüstungsgegenstände, Bekleidungsgegenstände und DNA-Spuren sichergestellt worden seien. Der Beschwerdeführerin könne eine "besondere Gefährlichkeit und Rückfallsgefahr" zugerechnet werden. Die Verhältnismäßigkeit zum Anlass und zum angestrebten Erfolg sei gewahrt, mit anderen Maßnahmen könne das Auslangen nicht gefunden werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 12. Juni 2006, B 424/06-6, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Über die danach ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift von Seiten der belangten Behörde erwogen:

Zu den Voraussetzungen für die amtswegige Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG und im Besonderen - wie hier - für die Durchführung von Maßnahmen zum Zwecke der Ermittlung von genetischen Informationen gemäß § 67 Abs. 1 SPG ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG etwa auf die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0098, und vom 7. Oktober 2003, Zl. 2003/01/0191, in dem auch die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage dargestellt ist.

Aus dieser Rechtsprechung ist hervorzuheben, dass die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 67 Abs. 1 SPG, die sich gegenüber der in § 65 Abs. 1 SPG geregelten als lex specialis erweist, an zwei Voraussetzungen anknüpft: Einerseits muss der Betroffene in Verdacht stehen, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, andererseits muss im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden können, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden.

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin im Verdacht steht, im Zeitraum Dezember 2004 bis Juni 2005 gewerbsmäßige Einbruchsdiebstähle auf Geldausgabeautomaten begangen zu haben.

Die Beschwerdeführerin macht gegen die Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung geltend, eine dafür erforderliche Prognose sei nicht angestellt worden, bzw. die Voraussetzungen für eine DNA-Untersuchung würden nicht vorliegen. Zu ihrer Person seien keine Feststellungen getroffen worden, insbesondere sei nicht festgestellt worden, dass "DNA bereits abgenommen wurde und sie bereits erkennungsdienstlich behandelt worden war"; es sei ihr nämlich am 14. Juni 2005 in Innsbruck vom Landesgendarmeriekommando "DNA abgenommen worden"; diese DNA-Abnahme sei in der Folge "der Grund für die Einleitung des Strafverfahrens" gewesen; die belangte Behörde könne nicht behaupten, "sie wisse davon nichts". Über diesen "Vorgang vom 14. Juni 2005" sei der (gleichzeitig zur Vorlage gebrachte) Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Tirol vom 3. Jänner 2006 ergangen; gegen diesen Bescheid habe sie (Beschwerdeführerin) zur hg. Zl. 2006/01/0370 beim Verwaltungsgerichtshof ein Beschwerdeverfahren anhängig gemacht.

Entgegen der Ansicht der Beschwerde lässt sich dem angefochtenen Bescheid nachvollziehbar entnehmen, aus welchen (in der Art und den durch besondere Brutalität gekennzeichneten Umständen der begangenen Delikte sowie der "von hoher krimineller Energie" gekennzeichneten Person der Beschwerdeführerin gelegenen) Gründen die angeordneten Maßnahmen in der gesetzlichen Bestimmung des § 67 Abs. 1 SPG Deckung findet. Im angefochtenen Bescheid wurde unter anderem auch dargelegt, dass "DNA-Spuren" an den jeweiligen Tatorten sichergestellt wurden, sodass der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden kann, wenn sie vorliegend zum Ergebnis gelangte, es könne erwartet werden, die Beschwerdeführerin würde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die ihre Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würde.

Insoweit die Beschwerde auf den Gegenstand der (mit Schriftsatz vom 22. August 2005) beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhobenen Maßnahmenbeschwerde verweist und aus der "am 14. Juni 2005 erfolgten Sicherstellung und Auswertung der von ihr hinterlassenen DNA-Spuren auf einem Trinkglas bzw. auf zwei von ihr gerauchten Zigaretten" ableiten will, die Beschwerdeführerin sei bereits "erkennungsdienstlich behandelt worden", ist unter Bedachtnahme auf den dazu vorgelegten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (vom 3. Jänner 2006, Zl. uvs-2005/23/2206-10) Folgendes zu erwidern:

Dem genannten (mit der Beschwerde vorgelegten) Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol ist eindeutig zu entnehmen, dass "beweisrelevante DNA-Spuren" der Beschwerdeführerin (hinterlassen auf einem Trinkglas und auf gerauchten Zigaretten) über ausdrückliche Anordnung des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Innsbruck sichergestellt und ausgewertet wurden. Dieser "Vorgang" erfolgte ausschließlich zum Zwecke der Strafjustiz. Er stellte keine der Sicherheitspolizei zurechenbare erkennungsdienstliche Maßnahme dar (vgl. insoweit bereits die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 1999, Zl. 96/01/0276 und vom 16. Februar 2000, Zl. 96/01/0595).

Diese ins Treffen geführte DNA-Analyse diente somit nicht der präventiven Verhinderung von Straftaten, sondern der Aufklärung begangener Straftaten und sie war folglich keine erkennungsdienstliche Behandlung. Die genannte DNA-Analyse durfte daher nicht ohne die Rechtfertigung der besonderen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 SPG der Erfassung, Speicherung und Verarbeitung den Datenbanken der Sicherheitsbehörden zugeführt werden (vgl. dazu auch R. Müller, Neue Ermittlungsmethoden und das Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung in EuGRZ 2001, 546 ff insbesondere Punkte 7.2. und 7.3. sowie A. Birklbauer, Die DNA-Analyse im Dienste des Strafverfahrens, in JBL 2003, 337 ff insbesondere Abschnitt G.). Das Argument der Beschwerdeführerin, sie sei im Jahr 2005 bereits einer erkennungsdienstlichen Behandlung im Sinne des § 67 Abs. 1 SPG unterzogen worden, erweist sich als unrichtig.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. September 2008

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