VwGH 2007/11/0025

VwGH2007/11/002519.6.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch ihren Sachwalter Dr. Richard Heiserer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 10/IV, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Dezember 2006, Zl. MA 65 - 4177/2006, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §19 Abs3;
AVG §9 impl;
AVG §9;
FSG 1997 §29 Abs3;
VVG §5 Abs1;
VVG §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §19 Abs3;
AVG §9 impl;
AVG §9;
FSG 1997 §29 Abs3;
VVG §5 Abs1;
VVG §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Juni 2006 entzog die Bundespolizeidirektion der Beschwerdeführerin ihre Lenkberechtigung für die Klassen A und B bis zur Befolgung der mit Bescheid vom 29. März 2006 verfügten Anordnung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Der Führerschein sei gemäß § 29 Abs. 3 FSG unverzüglich im Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien abzugeben. Unter einem wurde gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG ein Lenkverbot ausgesprochen.

Die Beschwerdeführerin erstattete dazu in einer am 21. Juni 2006 zur Post gegebenen Eingabe ein umfangreiches Vorbringen. Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 teilte der Sachwalter der Beschwerdeführerin der Bundespolizeidirektion Wien mit, dass er die Eingabe nicht genehmige.

Mit Verfahrensanordnung vom 19. Juli 2006 drohte die Bundespolizeidirektion Wien der Beschwerdeführerin für den Fall der Nichtablieferung ihres Führerscheins innerhalb von drei Tagen ab Zustellung eine Zwangsstrafe in der Höhe von EUR 363,-- an.

Mit Bescheid vom 6. September 2006 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über die Beschwerdeführerin eine Zwangsstrafe in der Höhe von EUR 363,-- gemäß § 5 VVG. Unter einem wurde der Beschwerdeführerin für die Erbringung der Leistung eine neue Frist von drei Tagen gesetzt und für den Fall der Nichterbringung der Leistung eine weitere Zwangsstrafe in der Höhe von EUR 726,-- angedroht. Eine Berufung gegen diesen Bescheid unterblieb.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2006 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über die Beschwerdeführerin die bereits angedrohte Zwangsstrafe in der Höhe von EUR 726,-- gemäß § 5 VVG und drohte unter einem eine weitere Zwangsstrafe, und zwar Haft von drei Tagen, an. Die Zustellung erfolgte - wie auch bei allen oben erwähnten Schriftstücken der Bundespolizeidirektion Wien - zu Handen des Sachwalters der Beschwerdeführerin.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Sachwalter der Beschwerdeführerin aus, der Behörde sei bekannt, dass die Beschwerdeführerin unter einer geistigen Behinderung leiden dürfte. Der Sachwalter habe den Aufforderungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. März 2006 der Beschwerdeführerin übermittelt, worauf sie offensichtlich das Kuvert geöffnet und dann das an sie gerichtete Schreiben wegen einer angeblich falschen Adresse wiederum an den Sachwalter retourniert habe. Auch der Entziehungsbescheid vom 7. Juni 2006 sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden. Die ebenfalls vom Sachwalter der Beschwerdeführerin übermittelte Androhung der Verhängung einer Zwangsstrafe vom 19. Juli 2006 sei von der Beschwerdeführerin nach Öffnung an den Sachwalter retourniert worden. Der (rechtskräftig gewordene) Bescheid über die Verhängung einer Zwangsstrafe von EUR 363,-- vom 6. September 2006 sei der Beschwerdeführerin vom Sachwalter übermittelt worden. Auch dieses Schreiben sei nach Öffnung durch die Beschwerdeführerin mit dem Vermerk zurückgekommen, dass der Sachwalter laut angeblichen Gerichtsbeschlusses nicht mehr kompetent sei und er dies endlich zur Kenntnis nehmen wolle. Schon auf Grund des Inhaltes des von der Beschwerdeführerin an das Verkehrsamt selbst gerichteten Schreibens, dessen Weiterbehandlung vom Sachwalter nicht genehmigt worden sei, wäre von der Behörde vor Erlassung von Zwangsstrafen davon auszugehen gewesen, dass die geisteskranke Beschwerdeführerin infolge ihrer damit verbundenen Geschäftsunfähigkeit nicht in der Lage sei, das Unrechtmäßige ihres Handelns zu begreifen. Die Geisteskrankheit der Beschwerdeführerin führe dazu, dass sie sowohl mit der Masseverwalterin in dem nach wie vor anhängigen Konkursverfahren über das Vermögen der Beschwerdeführerin als auch mit dem einschreitenden Sachwalter jeglichen Kontakt vermeide. Sie sei nicht in der Lage, behördlichen und gerichtlichen Maßnahmen zu entsprechen, weshalb die Verhängung von Zwangsstrafen zur Durchsetzung einer behördlichen Anordnung gegen sie als ungeeignet anzusehen sei. Vielmehr werde es der belangten Behörde nur bei Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen die Beschwerdeführerin gelingen, den ihr ausgestellten Führerschein abzunehmen.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 wies der Landeshauptmann von Wien die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte er aus, dem Vorbringen des Sachwalters müsse ein Erfolg versagt bleiben, da damit eine völlige Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung nicht dargetan werde. Wenn die verpflichtete Partei selbst nicht mehr in der Lage sei, realitätsbezogene Handlungen zu setzen, so hätte der Vertreter doch aktiv werden müssen und z. B. am Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin Nachschau nach dem Führerschein halten müssen. Von einer gänzlichen Unmöglichkeit der Leistung infolge Vernichtung, Verlust oder "Inverstoßgeratens" des abzuliefernden Führerscheines könne daher nicht ausgegangen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte § 5 VVG lautet (auszugsweise):

"b) Zwangsstrafen

§ 5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, wird dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

Der Sinn einer Zwangsstrafe ist es, wie der Verwaltungsgerichtshof im seinem Erkenntnis vom 9. Mai 1990, Zl. 89/03/0269, ausgesprochen hat, einen dem Willen der Behörde entgegenstehenden Willen einer Partei zu brechen (vgl. zum Zweck einer Beugestrafe auch z.B. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 23. Juli 1997, Zl. 7 Ob 150/97b).

Die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 5 Abs. 1 VVG setzt daher jedenfalls voraus, dass die Person, gegen die das Zwangsmittel gerichtet ist, überhaupt fähig ist, einen rechtserheblichen Willen zu bilden, der durch die Verhängung des Zwangsmittels beeinflusst werden soll.

Im Beschwerdefall war der belangten Behörde die Besachwalterung der Beschwerdeführerin für die Vertretung vor Gerichten, Behörden, Dienststellen und Sozialversicherungsträgern, für die Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten sowie für die Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen (Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 15. Dezember 2005), bekannt. Der oben erwähnten Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid waren Kopien der Schreiben des Sachwalters an die Beschwerdeführerin sowie die im Berufungsschriftsatz erwähnten Reaktionen der Beschwerdeführerin in Kopie beigeschlossen. Angesichts dieser Aktenlage konnte die belangte Behörde nicht vertretbar davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin fähig ist, einen rechtserheblichen Willen zu bilden, der durch eine Zwangsstrafe beeinflusst werden kann.

Soweit die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertritt, der Sachwalter hätte als Vertreter der Beschwerdeführerin "aktiv werden müssen und z.B. am Aufenthaltsort der Berufungswerberin Nachschau nach dem Führerschein halten müssen", übersieht sie, dass die gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Zwangsstrafe - ungeachtet der Zustellung des Bescheides an den Sachwalter - auf eine Willensbeugung der Beschwerdeführerin und nicht auf ein Tätigwerden des Sachwalters gerichtet war.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. Juni 2007

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