VwGH 2006/13/0178

VwGH2006/13/017828.2.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., in der Beschwerdesache des Dr. H in P, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41-43, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 19. September 2006, Zl. RV/0285-W/06, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1998 und 1999, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §17 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug einen Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften einer unecht stillen Gesellschaft für die Jahre 1998 und 1999 ab.

Die gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wurde am 3. November 2006 zur Post gegeben und enthielt als Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist (§ 28 Abs. 1 Z 7 VwGG), die Ausführungen, dass der Bescheid vom 19. September 2006 am 10. Oktober 2006 zugestellt worden sei und der Beschwerdeführer daher binnen offener Frist Beschwerde erhebe.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete über diese Beschwerde das Vorverfahren ein (§ 35 Abs. 3 VwGG) und forderte die belangte Behörde auf, eine Gegenschrift einzubringen und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen (§ 36 Abs. 1 VwGG).

In der Gegenschrift der belangten Behörde wies diese darauf hin, dass der angefochtene Bescheid entgegen dem Beschwerdevorbringen am 21. September 2006 zugestellt worden sei, woraus sich ergebe, dass die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen sei. In den vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich ein Rückschein hinsichtlich des angefochtenen Bescheides, auf welchem der Zusteller des Postamtes P vermerkte, dass er beim Zustellversuch am 21. September 2006 eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt und den Bescheid dann beim Zustellpostamt hinterlegt habe. Die Abholfrist beginne am 21. September 2006.

Der Beschwerdeführer entgegnete in einer Stellungnahme zur Gegenschrift, dass in der Beschwerde der 10. Oktober 2006 irrtümlich als Zustellungsdatum angegeben worden sei. Richtig sei, dass der angefochtene Bescheid am 21. September 2006 bei der "Postfiliale P" hinterlegt worden sei. Der Beschwerdeführer habe das hinterlegte Schriftstück erst am 26. September 2006 tatsächlich empfangen. Er habe am 20. September 2006 eine Reise zu einem Maturatreffen in A in seine Zweitwohnung (ebenfalls) in A angetreten und mit seiner Ehegattin das Wochenende dort verbracht, von wo beide am Sonntag, dem 24. September 2006, abends wieder nach W, der Wohnung der Ehegattin des Beschwerdeführers, zurückgekehrt seien. Die Ehegattin des Beschwerdeführers wohne wie auch sonst immer wochentags in dieser Wohnung und habe daher so wie der Beschwerdeführer das Schriftstück nicht in Empfang nehmen oder vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können. Der Beschwerdeführer sei am 25. September 2006 in seine Wohnung nach P (Abgabestelle) zurückgekehrt und habe erst zu diesem Zeitpunkt von der Hinterlegung erfahren. In der Zeit vom 20. September bis einschließlich 24. September habe sich niemand an der Abgabestelle des Beschwerdeführers in P aufgehalten. Somit sei der 25. September 2006 der Tag, an dem der Beschwerdeführer vom Zustellvorgang erstmals habe Kenntnis erlangen können und auch Kenntnis erlangt habe. Daher sei die Zustellung der hinterlegten Sendung erst mit 26. September, an welchem Tag der Beschwerdeführer die hinterlegte Sendung auch tatsächlich erhalten habe, wirksam geworden. Die Beschwerde sei daher fristgerecht eingebracht worden.

Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG sechs Wochen. Die Frist beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG mit dem Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides an die beschwerdeführende Partei.

Für die Fristberechnung gelten infolge § 62 Abs. 1 VwGG die Bestimmungen der §§ 32 ff AVG. Nach § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Nach § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet.

Nach § 13 Abs. 1 Zustellgesetz - ZustG ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.

Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück gemäß § 17 Abs. 1 ZustG im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen.

Die hinterlegte Sendung ist nach § 17 Abs. 3 ZustG mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der Zusteller am 21. September 2006 Grund zur Annahme haben durfte, dass sich der Beschwerdeführer regelmäßig an der Abgabestelle in P aufhalte. Weiters bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass die Sendung am 21. September 2006 beim Postamt P hinterlegt wurde und an diesem Fristtag die Abholfrist begann.

Der Beschwerdeführer trägt vor, er sei an jenem 21. September und dann bis einschließlich 24. September ortsabwesend gewesen und habe erst bei seiner Rückkehr zur Abgabestelle am 25. September Kenntnis von der Hinterlegung erlangt. Er vertritt die Ansicht, dass er wegen dieser Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang habe Kenntnis erlangen können, weshalb die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, am 26. September 2006, wirksam geworden sei.

Ob jemand vom Zustellvorgang "rechtzeitig" Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch "rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt (vgl. die ständige hg. Rechtsprechung, etwa den Beschluss vom 19. April 2001, 99/06/0049, mwN). Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, 2000/02/0027, und die hg. Beschlüsse vom 19. September 1995, 95/14/0067, und vom 26. November 1991, 91/14/0218 und 91/14/0220).

Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa im erwähnten Erkenntnis vom 19. April 2001 die Ansicht vertreten, der Beschwerdeführer habe rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können, wenn ihm für die Erhebung einer Berufung innerhalb der zweiwöchigen Frist nach dem AVG ein angemessener Zeitraum von zwölf Tagen verblieb. Im erwähnten Erkenntnis vom 24. Februar 2000 hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten, die Beschwerdeführerin habe rechtzeitig von der Zustellung Kenntnis erlangt, wenn sie für die Erhebung eines Einspruches innerhalb der Frist von zwei Wochen nach dem VStG noch zehn Tage zur Verfügung hatte. Auch bei Behebung der Sendung drei Tage nach der erfolgten Hinterlegung sah der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 27. September 1999, 99/17/0303, keinen Fall, wonach wegen Abwesenheit von der Abgangsstelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang eines Straferkenntnisses, gegen welches binnen zwei Wochen Berufung erhoben werden konnte, habe Kenntnis erlangt werden können.

Hinsichtlich der zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof offenstehenden Frist von sechs Wochen sah der Gerichtshof im erwähnten Beschluss vom 19. September 1995 keine unangemessene Verkürzung dadurch, dass die tatsächliche Behebung drei Tage nach der Zustellung durch Hinterlegung erfolgt war. Im erwähnten hg. Beschluss vom 26. November 1991 schließlich erblickte der Verwaltungsgerichtshof keine unangemessene Verkürzung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde bei einer Hinterlegung an einem Freitag und bei Behebung der Sendung am nächstfolgenden Dienstag, sohin bloß vier Tage später.

Vor dem Hintergrund dieser Indikatur sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Grund für eine Beurteilung, dass der Beschwerdeführer von der am Donnerstag, dem 21. September 2006, erfolgten Hinterlegung erst am Montag, dem 25. September 2006, sohin vier Tage später, nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hätte, um innerhalb der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Da somit der Tatbestand des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG nicht erfüllt ist, galt der am 21. September 2006 hinterlegte Bescheid mit dem ersten Tag der Abholfrist am Donnerstag, dem 21. September 2006 als zugestellt (§ 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG).

Die Frist zur Erhebung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof endete daher mit Ablauf des Donnerstags, des 2. November 2006. Die am Freitag, dem 3. November 2006, zur Post gegebene Beschwerde erweist sich somit als verspätet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2007

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