VwGH 91/14/0220

VwGH91/14/022026.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Anträge der H F in S, vertreten durch Dr. C, als Verfahrenshelfer beigegebener Rechtsanwalt in W, auf Wiederaufnahme des mit Beschluß vom B. Oktober 1991, Zl. 90/14/0111, abgeschlossenen Verfahrens des Verwaltungsgerichtshofes sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist betreffend die unter der hg. Zl. 90/14/0111 protokollierte Beschwerde den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §63 Abs5;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
AVG §63 Abs5;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;

 

Spruch:

Den Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Beschluß vom B. Oktober 1991, 90/14/0111, wurde die Beschwerde der Beschwerdeführerin wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückgewiesen. Dabei ging der Gerichtshof davon aus, daß der Bescheid, gegen den die Beschwerde gerichtet war, der Beschwerdeführerin bereits am 13. April 1990 durch Hinterlegung und nicht erst - wie behauptet - am 17. April 1990 rechtswirksam zugestellt worden war.

Mit dem vorliegenden Schriftsatz werden ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 und 4 VwGG sowie "ersatzweise und subsidiär" ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG gestellt.

1. ANTRAG AUF WIEDERAUFNAHME DES VERFAHRENS:

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird damit begründet, daß der Gerichtshof irrigerweise von der Versäumung der Einbringungsfrist ausgegangen sei. Die Beschwerdeführerin habe die Osterfeiertage von Gründonnerstag (12. April 1990) bis Osterdienstag (17. April 1990) auf Einladung ihres Vaters in Italien verbracht. Sofort nach ihrer Rückkehr habe sie noch am 17. April 1990 den angefochtenen Bescheid behoben. Gemäß 5 17 Abs. 3 Zustellgesetz sei dieser Tag als Tag der Zustellung anzusehen, weil die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Hinterlegung wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt habe. Der Gerichtshof teilt diese Rechtsansicht nicht. Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Zustellung einer Sendung, die an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann, durch Hinterlegung zu erfolgen, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Eine kurzfristige Abwesenheit, wie sie häufig über ein "verlängertes Wochenende" vorkommt, steht der genannten Annahme nicht entgegen. Eine Hinterlegung des angefochtenen Bescheides war daher im Beschwerdefall grundsätzlich zulässig. Zu prüfen ist allerdings, ob nicht die Bestimmung des letzten Satzes des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz zum Tragen kommt. § 17 Abs. 3 Zustellgesetz lautet:

"(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte."

Der erste Tag der Abholfrist war der 13. April 1990. Der angefochtene Bescheid würde nur dann nicht als an diesem. Tag zugestellt gelten, wenn sich ergäbe, daß die Beschwerdeführerin wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Ob jemand vom Zustellvorgang "rechtzeitig" Kenntnis erlangt hat, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch "rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt (vgl. Berchthold, Zustellgesetz S. 33). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist es hingegen keinesfalls erforderlich, daß dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die "volle Frist" für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muß. Dies zeigt das Rechtsinstitut der Zustellung durch Hinterlegung deutlich auf, wonach auch in Fällen, in denen dem Empfänger die Abholung einer hinterlegten Sendung nachweislich am Tag der Hinterlegung nicht möglich war, dennoch dieser Tag als Zustelltag gilt. Dabei muß den Empfänger weder an der Vergeblichkeit der Zustellung als Voraussetzung für die Hinterlegung noch an der erst später möglichen Behebung ein Verschulden treffen.

Nach Auffassung des Gerichtshofes wird die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde (§ 26 Abs. 1 VwGG) nicht dadurch unangemessen verkürzt, daß die Zustellung jenes Bescheides, dessen Anfechtung beabsichtigt ist, durch Hinterlegung an einem Freitag und die Behebung am nächstfolgenden Dienstag, sohin bloß vier Tage später erfolgt. Da somit die kurzfristige Abwesenheit der Beschwerdeführerin von der Abgabestelle nicht dazu geführt hat, daß sie nicht RECHTZEITIG vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, galt der angefochtene Bescheid bereits am ersten Tag der Hinterlegung, das war der 13. April 1990 als zugestellt. Der Zurückweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichtshofes beruht somit nicht auf der irrigen Annahme der Versäumnis der Beschwerdefrist, sodaß dem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stattzugeben war.

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG konnte nach dem Gesagten nicht erfolgen, weil der Verwaltungsgerichtshof auch bei Kenntnis aller nunmehr von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Umstände einen Zurückweisungsbeschluß hätte fassen müssen.

2. ANTRAG AUF WIEDEREINSETZUNG IN DEN VORIGEN STAND:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat -eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Die Beschwerdeführerin bezeichnet ihren Urlaub über die Osterfeiertage als ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis. Außerdem habe sie nicht damit rechnen können, daß der angefochtene Bescheid während der Dauer ihres Urlaubes hinterlegt werden würde; die Hinterlegung sei daher nicht abwendbar gewesen.

Der Gerichtshof kann nicht finden, daß ein Osterurlaub ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 VwGG darstellt. Abgesehen davon wurde die Beschwerdeführerin durch diesen Urlaub nicht daran gehindert, fristgerecht eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu erheben. Daß die Hinterlegung des angefochtenen Bescheides während des Osterurlaubes "nicht abwendbar" war, hat mit der Fristversäumnis ebenfalls nichts zu tun. Verursacht wurde diese vielmehr durch die unrichtige Auffassung der Beschwerdeführerin, daß ihr der angefochtene Bescheid erst am 17. April 1990 rechtswirksam zugestellt worden sei. Ein Rechtsirrtum betreffend den Zeitpunkt der rechtswirksamen Zustellung des angefochtenen Bescheides und damit betreffend den Beginn der Beschwerdefrist ist für sich allein noch kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 VwGG (vgl. auch Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 S. 648 ff sowie das hg. Erkenntnis vorn 14. Jänner 1991, Zl. 90/15/0045, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher ebenfalls nicht stattzugeben. W i e n , am 26. November 1991

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