VwGH 2001/01/0356

VwGH2001/01/03565.11.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 17, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 6. Juni 2001, Zl. MA 61/IV - A 779/98, betreffend Entziehung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §34 Abs1 Z3;
StbG 1985 §34 Abs2;
StbG 1985 §35;
StbG 1985 §34 Abs1 Z3;
StbG 1985 §34 Abs2;
StbG 1985 §35;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1979 geborene Beschwerdeführer (ein mazedonischer Staatsangehöriger) wurde im Hinblick auf seine damals noch gegebene Minderjährigkeit mit Wirkung vom 29. September 1997 österreichischer Staatsbürger durch Erstreckung der seiner Mutter verliehenen Staatsbürgerschaft gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG). Mit dem angefochtenen Bescheid der Wiener Landesregierung (belangte Behörde) wurde dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 34 Abs. 1 StbG entzogen, weil er die mazedonische Staatsbürgerschaft beibehalten und keinen Antrag auf Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband gestellt habe.

Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass aufgrund des mazedonischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die Volljährigkeit des Beschwerdeführers mit dem vollendeten 18. Lebensjahr, somit am 12. Dezember 1997, eingetreten ist. Der Beschwerdeführer wurde erstmalig mit Schreiben vom 17. Februar 1999 von der belangten Behörde aufgefordert, die belangte Behörde aufzusuchen und die Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband bis spätestens 18. März 1999 nachzuweisen. In diesem Schreiben wurde der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 34 StbG hingewiesen. Der Beschwerdeführer kam weder dieser noch den folgenden gleich lautenden Aufforderungen (Schreiben vom 27. April 1999, 31. Mai 1999, 21. Juli 1999, 25. August 1999 und 14. Oktober 1999) nach. Aus einer im Verwaltungsakt erliegenden Meldeanfrage ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit 6. Oktober 1999 an der Adresse P-Gasse, Wien, seinen Hauptwohnsitz hatte, wo ihm auch das Schreiben vom 14. Oktober 1999 durch Hinterlegung zugestellt wurde. Eine Rücksendung dieses Schreibens durch das Zustellpostamt ist nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2000 wurde der Beschwerdeführer "letztmalig gebeten, eine Bestätigung der mazedonischen Botschaft in Wien zu erbringen, dass Sie den Antrag um Entlassung aus dem mazedonischen Staatsverband gestellt haben". Erneut wurde der Beschwerdeführer in diesem Schreiben auf die Bestimmung des § 34 StbG und die bevorstehende Entziehung der Staatsbürgerschaft (für den Fall, dass er dieser Einladung nicht fristgerecht nachkomme) hingewiesen. Dieses Schreiben wurde am 11. Oktober 2000 an der Adresse P-Gasse, Wien, durch Hinterlegung zugestellt.

Aus einer Erhebung des Bezirkspolizeikommissariates Ottakring vom 8. Februar 2001 ergibt sich in Bezug die Abgabestelle P-Gasse, Wien, dass der Beschwerdeführer an der erwähnten Adresse "aufhältig und postalisch erreichbar" sei. Organe des Bezirkspolizeikommissariates hätten ihn aufgefordert, mit der Behörde Kontakt aufzunehmen.

Über Anfrage der belangten Behörde teilte die Botschaft der Republik Mazedonien in Wien mit Schreiben vom 9. Mai 2001 mit, dass der Beschwerdeführer noch keinen Antrag auf Entlassung aus dem mazedonischen Staatsverband gestellt habe.

In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Juni 2001, mit dem dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 34 Abs. 1 StbG entzogen wurde. Der Beschwerdeführer sei zwischen September 1998 und Oktober 2000 "sieben Mal, teils mit eingeschriebenen Poststücken, eingeladen (worden), die Entlassung bzw. den Nachweis zu erbringen, dass er um Entlassung aus dem mazedonischen Staatsverband angesucht hat". Diese Einladungen seien ordnungsgemäß zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe auf diese Schreiben nicht reagiert und er habe entsprechend der erwähnten Mitteilung der Botschaft der Republik Mazedonien auch noch keinen Antrag auf Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband gestellt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattet hat, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides insbesondere darin, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass der Beschwerdeführer sich bemüht habe, "die mazedonische Staatsbürgerschaft abzulegen"; dies sei "infolge mangelnder Großjährigkeit" zunächst nicht möglich gewesen und er habe über die von ihm gesetzten Schritte (er habe sich im Dezember 1998, im Juli 2000 und im März 2001 zu diesem Zweck nach Mazedonien begeben) auch keine Bestätigung "von den Mazedoniern" erhalten. Eine solche (mit der Beschwerde vorgelegte) Bestätigung habe er erst am 9. Juli 2001 erhalten, "nachdem ich bereits vorher einige Male um Entlassung angesucht hatte". Die belangte Behörde habe ihn infolge Adressenänderung nicht erreichen können, sodass er "plötzlich mit dem angefochtenen Bescheid überrascht (wurde), ohne dies im entferntesten für möglich halten zu können". Als seine Adresse gibt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde "Wien, P-Gasse" an.

§ 34 StbG lautet:

"(1) Einem Staatsbürger ist die Staatsbürgerschaft ferner zu entziehen, wenn

1. er sie vor mehr als zwei Jahren durch Verleihung oder durch die Erstreckung der Verleihung nach diesem Bundesgesetz erworben hat,

2. hiebei weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 angewendet worden sind,

3. er trotz des Erwerbes der Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat.

(2) Der betroffene Staatsbürger ist mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Abs. 1 zu belehren.

(3) Die Entziehung ist nach Ablauf der im Abs. 1 Z 1 genannten Frist ohne unnötigen Aufschub schriftlich zu verfügen. Nach Ablauf von sechs Jahren nach der Verleihung (Erstreckung der Verleihung) ist die Entziehung nicht mehr zulässig."

Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Mutter des Beschwerdeführers erfolgte nach § 10 Abs. 1 StbG, die Erstreckung der Verleihung auf den Beschwerdeführer nach § 17 Abs. 1 Z 1 StbG.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer mehrfach schriftlich aufgefordert, das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nachzuweisen. Die letzte derartige Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer am 11. Oktober 2000 an dessen Abgabestelle (deren Adresse mit der vom Beschwerdeführer in der vorliegenden Beschwerde angegebenen Adresse ident ist) durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG zugestellt. Dass der Beschwerdeführer an dieser Adresse nicht wohne oder im Zeitpunkt der Zustellung ortsabwesend gewesen wäre, wird in der Beschwerde - abgesehen von einem nicht substantiierten Hinweis darauf, dass die belangte Behörde ihn "infolge Adressenänderung" nicht habe erreichen können - nicht konkret behauptet. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie von der wirksamen Zustellung dieses Schreibens ausgegangen ist.

Dieses Schreiben enthielt - wegen der Übermittlung des vollständigen Gesetzeswortlautes des § 34 StbG iVm der Aufforderung, den fehlenden Nachweis für das Ausscheiden aus dem fremden Staatsbürgerschaftsverband zu erbringen, sowohl die Bekanntgabe der Einleitung des Entziehungsverfahrens als auch die nach § 34 Abs. 2 StbG erforderliche Belehrung über die Bestimmung des Abs. 1 leg. cit. Da das Gesetz nicht vorsieht, dass der Staatsbürger mehrmals im Sinne des § 34 Abs. 2 StbG zu belehren wäre, und zwischen der Zustellung des Schreibens vom 4. Oktober 2000 und der Entziehung der Staatsbürgerschaft mit Bescheid vom 6. Juni 2001 mehr als sechs Monate liegen - sodass auch die in § 34 Abs. 2 StbG vorgesehene Frist von sechs Monaten zwischen der Belehrung und der Entziehung der Staatsbürgerschaft eingehalten wurde - kommt es nicht darauf an, ob die dem Schreiben vom 4. Oktober 2000 vorangegangenen Schreiben wirksam zugestellt wurden.

Schließlich ist auch die erstmalig in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe sich mehrmals um ein Ausscheiden aus der mazedonischen Staatsangehörigkeit bemüht, habe aber bisher nichts erreichen können und auch keine Bestätigungen über seine Bemühungen erhalten, nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Der Beschwerdeführer hätte im Rahmen der ihn im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht bereits im Verwaltungsverfahren ein entsprechendes Vorbringen erstatten und Unterlagen zur Untermauerung dieser Ausführungen vorlegen müssen. Mit dem erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhobenen Vorbringen unterliegt der Beschwerdeführer dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbot (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/01/0900). Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer noch keinen Antrag auf Entlassung aus dem mazedonischen Staatsverband gestellt hatte (was auch durch das Schreibens der mazedonischen Botschaft vom 9. Mai 2001 bestätigt wird). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde als Grund für die Unmöglichkeit, aus dem mazedonischen Staatsverband auszuscheiden, ausschließlich seine "mangelnde Großjährigkeit" angegeben, sodass im Hinblick auf die bei ihm unbestritten mit dem vollendeten 18. Lebensjahr - somit schon im Dezember 1997 - eingetretene Volljährigkeit (vgl. dazu auch Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, "Mazedonien", 17) nicht zu erkennen ist, inwiefern die nach Erlangung der Volljährigkeit durch mehr als zwei Jahre erfolgte Beibehaltung der fremden Staatsbürgerschaft nicht von ihm zu vertreten sein sollte.

Da die Beschwerde somit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermag, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 5. November 2003

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