VwGH 2002/03/0024

VwGH2002/03/002417.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner sowie die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des RK in W, Deutschland, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 26. November 2001, Zl. 1-0522/01/K1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Normen

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art14 idF 32000R0609;
32000R0609 Nov-31994R3298;
AVG §56;
EURallg;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art14 idF 32000R0609;
32000R0609 Nov-31994R3298;
AVG §56;
EURallg;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe sich als Lenker eines Sattelkraftfahrzeuges mit näher bezeichnetem deutschen Kennzeichen am 8. Mai 2001 um 07.41 Uhr beim Zollamt Höchst von der Schweiz kommend mit beabsichtigter Transitfahrt durch Österreich (in Richtung Deutschland) zur Einreise gestellt, ohne die nachstehend angeführten Unterlagen mitgeführt und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorgelegt zu haben:

"a) entweder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine Ökokarte für die betreffende Fahrt,

b) oder einen Umweltdatenträger (Ecotag), der eine automatische Entwertung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt ermöglichte,

c) oder geeignete Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine ökopunktebefreite Fahrt handelte,

d) oder geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelte und dass im Fall einer Ausstattung des Fahrzeuges mit einem Umweltdatenträger dieser für diesen Zweck eingestellt war".

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung des § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetzes (GütbefG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 der Kommission begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe von S 20.000,--

(Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Lenker eines näher bezeichneten Sattelkraftfahrzeuges am 8. Mai 2001 eine Transitfahrt von der Schweiz kommend durch Österreich durchgeführt und sich beim Zollamt Höchst zur Einreise nach Österreich gestellt. Dabei habe er keine der in der Tatumschreibung angeführten Unterlagen mit sich geführt, insbesondere keine Unterlagen, aus denen hervorgegangen wäre, dass es sich nicht um eine Transitfahrt gehandelt habe. Der Meldungsleger habe angegeben, dass der Beschwerdeführer ihm anlässlich der Kontrolle gesagt habe, dass er nach Deutschland fahren wolle. Eine Überprüfung des Ecotag-Gerätes mittels Handantenne habe ergeben, dass der Lenker diese Fahrt als nicht ökopunktpflichtige Fahrt deklariert gehabt habe, das Ecotag sei auf Grün gestellt gewesen. Der Beschwerdeführer habe keinen Ladeauftrag mitgeführt, aus dem sich ergeben hätte, dass er nach Hall in Tirol zwecks Aufnahme einer Ladung hätte fahren sollen. Das Sattelkraftfahrzeug sei bei der Kontrolle leer gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs

"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist".

Artikel 14 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat folgenden Wortlaut:

"Eine Fahrt, bei der das Fahrzeug entweder eine vollständige Ladung in Österreich absetzt oder aufnimmt und im Fahrzeug geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden, ist ungeachtet der Strecke, über die die Einreise des Fahrzeuges nach Österreich oder die Ausreise erfolgt, von der Entrichtung der Ökopunkte befreit."

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass bereits bei der Einreise geplant gewesen sei, bei einem näher genannten Unternehmen in Hall in Tirol Waren aufzunehmen. Es habe sich daher nicht um eine ökopunktpflichtige Transitfahrt, sondern vielmehr um eine Fahrt im bilateralen Verkehr gehandelt, wobei auch Leerfahrten in Verbindung mit derlei Fahrten als bilaterale und somit nicht als ökopunktpflichtige Transitfahrten anzusehen seien. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass er keine entsprechenden Nachweisunterlagen für das Vorliegen einer bilateralen Fahrt mitgeführt bzw. dem Meldungsleger vorgezeigt habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass Art. 14 der oben zitierten Verordnung zwei Voraussetzungen enthält, unter denen die Fahrt von der Entrichtung der Ökopunkte befreit ist, nämlich dass mit dem Fahrzeug eine vollständige Ladung in Österreich abgesetzt oder aufgenommen wird und im Fahrzeug geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden. Selbst wenn man somit nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers davon ausginge, dass in Österreich eine vollständige Ladung aufgenommen werden sollte, reicht dies allein noch nicht aus, sondern ist es darüber hinaus nach der dargestellten Bestimmung erforderlich, dass darüber im Fahrzeug geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2001, Zl. 2001/03/0116).

Der Beschwerdeführer als Lenker eines Lastkraftwagens, der die Ökopunktebefreiung gemäß Art. 14 der oben zitierten Verordnung in Anspruch nehmen wollte, wäre daher verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, auch geeignete Nachweisunterlagen im Sinne dieser Bestimmung mitzuführen. Bei der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG. Es war daher Sache des Beschwerdeführers, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, und sein Vorbringen durch Beibringen von Beweismitteln bzw. durch die Stellung von konkreten Beweisanträgen zu untermauern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. September 2002, Zl. 2001/03/0423).

Der Beschwerdeführer führt hiezu aus, er habe vom Ladeauftrag in Hall erfahren, als er mit seinem Sattelzuggespann in der Schweiz unterwegs gewesen sei. Die Übersendung des Transportauftrages sei nicht möglich gewesen, weil sein Lkw über kein Faxgerät verfüge. Dieser Umstand liege weder in seinem Einfluss- noch in seinem Verantwortungsbereich. Entgegen der Beschwerde kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht finden, dass es dem Beschwerdeführer bei der notorischen Vielzahl an Kommunikationsmöglichkeiten weder zumutbar noch möglich gewesen wäre, sich diese Unterlagen auf andere Art als durch ein "Faxgerät im Lkw" zu beschaffen, sodass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, ein zur Glaubhaftmachung, es treffe ihn an der Verletzung der genannten Verwaltungsvorschriften kein Verschulden, taugliches Vorbringen zu erstatten.

Vor diesem Hintergrund gehen die Verfahrensrügen fehl, die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer und einen näher genannten Zeugen betreffend den Auftrag, eine gesamte Ladung Rohre in Österreich aufzunehmen und den Zeitpunkt, zu dem er vom Ladeauftrag und von dessen Stornierung in Kenntnis gesetzt worden sei, zu vernehmen gehabt.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dem angefochtenen Bescheid fehle es an nachvollziehbaren Feststellungen, welches Frachtgut er zum maßgeblichen Zeitpunkt geladen gehabt oder ob es sich um eine Leerfahrt gehandelt habe. Da in Anhang C der VO EG Nr. 3298/94 zahlreiche Ausnahmetatbestände bestünden, welche den Lenker von seiner Verpflichtung der Entrichtung von Ökopunkten entbinden, seien Feststellungen zum Frachtgut auch im Hinblick auf § 44a VStG wesentliches Tatbestandsmerkmal.

Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides das Sattelkraftfahrzeug bei der Überprüfung durch den Meldungsleger leer war, also kein Frachtgut geladen hatte, erfordert nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/03/0292) die einen Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren treffende Mitwirkungspflicht, dass er konkrete Behauptungen unter Anbietung entsprechender Beweise über das Vorliegen der für einen Ausnahmetatbestand notwendigen Tatbestandselemente aufzustellen hat, wenn er einen solchen für sich in Anspruch nehmen will. Den allgemein gehaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers ist derartiges nicht zu entnehmen, sodass weder der behauptete Spruchfehler noch die behaupteten Feststellungsmängel vorliegen.

Weiters meint der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe hinsichtlich der Strafbemessung die falsche Rechtslage angewendet. Durch die Novelle zum Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. I Nr. 106/2001, sei dieses einer Änderung unterzogen worden, welche mit 11. August 2001 in Kraft getreten sei.

Die Berufungsbehörde hat Änderungen in den Rechtsvorschriften, die bis zur Erlassung des Berufungsbescheides eintreten, zu berücksichtigen, wenn es sich im betreffenden Fall um die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung handelt. Gerade letzteres trifft aber auf Straferkenntnisse nicht zu, die darüber absprechen, ob der Beschuldigte einer zur Zeit der Tatbegehung geltenden Norm, an deren Stelle nicht etwa bis zur Erlassung des Bescheides erster Instanz eine dem Beschuldigten günstigere Vorschrift getreten ist (§ 1 Abs. 2 VStG), zuwidergehandelt hat, und welche Strafe hiefür nach dieser Norm angemessen ist. Ein Straferkenntnis schafft nicht Recht, sondern stellt fest, ob geltendes Recht verletzt wurde. Dies kann aber - in dem oben umschriebenen Rahmen - nur nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht entschieden werden. Änderungen der Rechtslage nach Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sind somit irrelevant. Da die vom Beschwerdeführer angesprochene Änderung der Rechtslage unbestritten erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 12. Juli 2001 erfolgte, war sie unbeachtlich (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 3. September 2002, Zl. 2001/03/0412).

Im Hinblick auf die Tatbildmäßigkeit der vorliegenden Übertretung und das Verschulden des Beschwerdeführers an der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung war die Beschwerde daher nicht begründet.

Dennoch liegt eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 8 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, in der Fassung BGBl. Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht".

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Dezember 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte