VwGH 2005/18/0608

VwGH2005/18/060815.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1960, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. August 2005, Zl. 2/13-1-2005, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §2 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
SMG 1997 §28 Abs6;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;
PaßG 1992 §15 Abs1;
PaßG 1992 §2 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
SMG 1997 §28 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 10. August 2005 wurde gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 idF BGBl. Nr. 507/1995 (PassG), dem Beschwerdeführer der von der Bundespolizeidirektion Graz am 10. November 1997 mit einer Gültigkeitsdauer bis 9. November 2007 ausgestellte Reisepass entzogen.

Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 1. März 2005 nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG und § 15 StGB sowie wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Dem Schuldspruch sei zu entnehmen, dass er angesichts seiner angespannten Einkommens- und Vermögensverhältnisse Ende des Jahres 1998 den Entschluss gefasst habe, sich durch wiederkehrende Gewinn bringende Verkäufe großer Mengen von Kokain eine fortlaufende Einnahme zu erschließen. Im Zeitraum 1998/1999 bis zuletzt am 5. April 2004 habe er in den Räumlichkeiten des von ihm geführten Cafes zumindest 40 g Kokain in zahlreichen Angriffen an T. verkauft, wobei er pro Gramm durchschnittlich EUR 80,-- verlangt habe, an V. zumindest 20 g Kokain zum damaligen Preis von rund ATS 1.400,-- pro Gramm, an F. zumindest rund 50 g Kokain, wobei er durchschnittlich zwischen EUR 70,-- bis EUR 80,-- verlangt habe, an M. zumindest 0,6 g, an M. zumindest 3 g Kokain, an B zumindest 0,6 g Kokain und an weitere unbekannte Personen rund 220 bis 221,4 g Kokain in zahlreichen Angriffen. Darüber hinaus habe er über den Zeitraum von 2001 bis 5. April 2004 mit Ausnahme der bereits zuvor genannten Mengen an Suchtgift weiteres Suchtgift in Form von zumindest ca. 240 g Kokain erworben und besessen, wobei er dieses Suchtgift gekauft und letztlich konsumiert habe. Der Beschwerdeführer habe das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 und 3 SMG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB, zu verantworten, weil er insgesamt Suchtgift (Kokain) in großen Mengen mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung fortlaufende Einnahmen zu verschaffen, Gewinn bringend weiterverkauft bzw. darüber hinaus weiteres Suchtgift anderen Personen, insbesondere Stammgästen des Lokales, kostenlos überlassen habe.

Es liege daher eine Tatsache vor, die die Annahme gerechtfertigt habe, dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass in Hinkunft benützen wolle, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift einzuführen oder in Verkehr zu setzen.

Nach Wiedergabe des Inhaltes der vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Magistrates Graz vom 23. Juni 2005 erhobenen Berufung und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen sowie der einzelnen Tatzeitpunkte der im obgenannten Urteil dem Beschwerdeführer angelasteten Straftaten führte die belangte Behörde weiter aus, dass von der über ihn verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren ein Teil von zwei Jahren unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Vom Gericht seien als mildernd die Unbescholtenheit, das umfassende Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei, und als erschwerend der lange Deliktszeitraum sowie das Zusammentreffen von Verbrechen mit Vergehen gewertet worden. Bei der Entscheidung über die Entziehung eines Reisepasses komme der Behörde kein Ermessen zu, und es stelle diese Maßnahme eine solche zum Schutz der Republik Österreich, insbesondere im Hinblick auf die Volksgesundheit dar. Die Behörde müsse hiebei auf objektive Maßstäbe und Vorstellungen Bedacht nehmen, wie sie sich in bestimmten Lebens- und Sachbereichen herausgebildet hätten. Der Handel mit Suchtgiften aller Art und auch die Weitergabe stellten in Anbetracht des um sich greifenden Missbrauchs von Suchtgift jedenfalls eine Gefährdung der Allgemeinheit und zugleich auch eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Republik Österreich dar.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG ist (u.a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (Z. 3) der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder (Z. 4) durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Nach § 15 Abs. 1 leg. cit. ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

2. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit von der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen der belangten Behörde fasste der Beschwerdeführer Ende des Jahres 1998 den Entschluss, sich durch wiederkehrende Gewinn bringende Verkäufe großer Mengen von Kokain eine fortlaufende Einnahme zu erschließen, und verkaufte er im Zeitraum von 1998/1999 bis zuletzt am 5. April 2004 in zahlreichen Angriffen, wie oben (I.1.) dargestellt, große Mengen an Suchtgift. Durch dieses gewerbsmäßige Inverkehrsetzen von Suchtgift verwirklichte der Beschwerdeführer das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 und 3 SMG. In Anbetracht des langen Deliktszeitraums, der gewerbsmäßigen Vorgangsweise und der großen Suchtgiftmenge - somit einer Menge, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 2 iVm Abs. 6 SMG) - begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass für den Beschwerdeführer keine positive Verhaltensprognose erstellt werden könne, keinen Bedenken.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Beschwerdeführer den Reisepass bei der Begehung der Suchtgiftstraftaten nicht verwendet habe, er an einem Suchtgiftimport nicht beteiligt gewesen sei und somit kein Auslandsbezug seiner Straftaten vorliege, so ist dieses Vorbringen nicht zielführend. Ob der Beschwerdeführer seinen Reisepass bei der Begehung der ihm angelasteten Straftaten verwendet hat, ist nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ist es doch eine Erfahrungstatsache, dass der inländische Drogenmarkt und Drogenhandel in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft ist. Im Übrigen würde die Verwendung eines Reisepasses dem Beschwerdeführer einen (weiteren) Handel mit Suchtgiften jedenfalls erleichtern. Da ihn strafrechtliche Vorschriften nicht davon abhalten konnten, über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren Kokain in einer großen Menge in Verkehr zu setzen, besteht keine Gewähr dafür, dass er im Bedarfsfall nicht auch seinen Reisepass zur Begehung solcher Straftaten verwenden würde.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen, dass die Entziehung des Reisepasses "unverhältnismäßig" und "inadäquat" sei, ist zu erwidern, dass die belangte Behörde bei der vorliegenden Entscheidung nach dem PassG weder eine Interessenabwägung vorzunehmen hatte noch ihr die Möglichkeit einer Ermessensübung eingeräumt war. Ferner hatte sie die Frage des Vorliegens eines Passentziehungsgrundes nach den hiefür vom Gesetz vorgegebenen Kriterien eigenständig zu beurteilen, ohne an die Erwägungen des Gerichts bei der Entscheidung über die bedingte Nachsicht eines Teiles der verhängten Strafe gebunden zu sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2004/18/0216, mwN).

Wenn die Beschwerde schließlich meint, dass sich der Beschwerdeführer auch ohne einen Reisepass im gesamten EU-Raum frei bewegen könne, so ist ihr zu erwidern, dass österreichische Staatsbürger im Hinblick auf § 2 Abs. 1 PassG zur Ausreise aus dem Bundesgebiet und zur Einreise in dieses, soweit nicht etwas anderes durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird oder internationalen Gepflogenheiten entspricht, ein gültiges Reisedokument (Reisepass oder Passersatz) benötigen.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. November 2005

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