VwGH 2006/15/0157

VwGH2006/15/01576.7.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des F in F, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 22. Februar 2006, GZ. RV/0604-G/05, betreffend Zurücknahme einer Berufung gemäß § 275 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §110 Abs2;
BAO §250 Abs1;
BAO §275;
BAO §85 Abs2;
BAO §110 Abs2;
BAO §250 Abs1;
BAO §275;
BAO §85 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Finanzamtes vom 18. Mai 2005, mit denen festgestellt wurde, dass die Berufung vom 10. Februar 2005 gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 12/2003 und 9/2004 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen gilt, als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe gegen die mit 7. Jänner 2005 datierten Bescheide des Finanzamtes mit Schriftsatz vom 10. Februar 2005 - rechtzeitig - eine Berufung mit nachstehendem Inhalt erhoben:

"Innerhalb offener Frist wird gegen oben angeführte Bescheide das ordentliche Rechtsmittel der Berufung eingebracht.

Begründung

wird nachgereicht."

Das Finanzamt habe mit Bescheid vom 14. Februar 2005 gemäß § 275 BAO einen Mängelbehebungsauftrag erteilt; der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, die der Berufung vom 10. Februar 2005 anhaftenden inhaltlichen Mängel - Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten werden, die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden sowie eine ausführliche Begründung - bis zum 4. März 2005 zu beheben. Der Auftrag habe die Androhung enthalten, dass bei Versäumung der Frist die Berufung als zurückgenommen gelte.

Mit Fax vom 4. März 2005 habe der Beschwerdeführer um Fristverlängerung bis 15. März 2005 ersucht, weil es ihm "auf Grund der herrschenden Grippewelle" in seinem Büro (gemeint: des steuerlichen Vertreters) nicht möglich sei, innerhalb der gesetzten Frist die Mängel der Berufung vom 10. Februar 2005 zu beheben. Am 16. März 2005 sei ein weiteres mit 15. März 2005 datiertes Schreiben mit dem Antrag eingelangt, in das im Betriebsprüfungsbericht vom 12. November 2004 unter Tz. 16 angeführte, dem Finanzamt vom Zollamt übermittelte Kontrollmaterial Einsicht nehmen zu dürfen. Zur Begründung sei ausgeführt worden, das gegenständliche Kontrollmaterial sei als "wesentliches Indiz für das Nicht-Vorliegen von steuerfreien Ausfuhrlieferungen gemäß § 7 UStG" herangezogen worden. Weiters habe der Beschwerdeführer in diesem Schriftsatz beantragt, die mit Bescheid vom 14. Februar 2005 festgesetzte Frist zur Behebung der Mängel bis zum 15. April 2005 zu erstrecken.

Das Finanzamt habe mit Bescheid vom 6. April 2005 das Fristverlängerungsansuchen abgewiesen, weil "eine Begründung für die begehrte Fristverlängerung nicht ersichtlich" sei. Die Frist habe daher mit dem im Mängelbehebungsauftrag festgesetzten Tag geendet. Mit Bescheid vom 19. Mai 2005 habe das Finanzamt das Ansuchen auf Akteneinsicht abgewiesen.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2005 habe das Finanzamt die Berufung gegen die Sachbescheide vom 7. Jänner 2005 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen erklärt, weil der Beschwerdeführer dem Mängelbehebungsauftrag vom 14. Februar 2005 innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen sei.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er habe dem Mängelbehebungsauftrag vom 14. Februar 2005 deshalb nicht entsprechen können, weil hiefür die "Vorlage des dem Finanzamt übermittelten umfangreichen Kontrollmaterials" erforderlich gewesen wäre. Deshalb sei auch am 14. März 2005 fernmündlich und am 15. März 2005 schriftlich der Antrag auf Akteneinsicht eingebracht worden. Der Bescheid vom 6. April 2005, mit welchem das Ansuchen vom 15. März 2005 betreffend die Verlängerung der Frist zur Mängelbehebung abgewiesen worden sei, sei daher rechtswidrig. Auch der am 19. Mai 2005 ergangene, den Antrag auf Akteneinsicht abweisende Bescheid sei nach Ausführungen der Berufung rechtswidrig, weil die begehrte Akteneinsicht ausschließlich der Wahrung der abgabenrechtlichen Interessen des Abgabepflichtigen gedient habe.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass die Berufung vom 10. Februar 2005 die im § 250 Abs. 1 lit. a bis d BAO vorausgesetzten Erfordernisse nicht erfüllt habe. Der Mängelbehebungsauftrag mit Fristsetzung bis zum 4. März 2005 sei daher zu Recht erlassen worden. In der Berufung gegen den Zurücknahmebescheid werde weder behauptet, dass es der Berufung vom 10. Februar 2005 an einem Mangel gefehlt hätte, der zu einem Mängelbehebungsauftrag berechtige und verpflichte, noch dass die Mängelbehebungsfrist unangemessen gewesen sei. Weiters stehe fest, dass der Beschwerdeführer den Mängelbehebungsauftrag innerhalb der gesetzten Frist nicht erfüllt habe. Vor dem Hintergrund dieser Sach- und Rechtslage erübrige sich eine Auseinandersetzung mit der behaupteten Rechtswidrigkeit der Abweisung des Fristverlängerungsansuchens. Zur behaupteten Rechtswidrigkeit der Abweisung des Antrages auf Akteneinsicht sei zu bemerken, dass dieser Antrag erst nach Ablauf der Mängelbehebungsfrist gestellt worden sei. Es könne sohin die Beantwortung der Frage dahingestellt bleiben, ob die Akteneinsicht zu Recht verweigert worden sei oder nicht. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zurücknahmebescheides sei dies jedenfalls nicht von Relevanz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, im Mängelbehebungsauftrag seien auch Mängel aufgeführt worden, welche nicht berufungsrelevant seien bzw. sein könnten. Der Auftrag sei daher rechtswidrig im Sinne des § 275 BAO ergangen.

Nach Ausweis des Verwaltungsaktes hat der Beschwerdeführer im Berufungsschriftsatz vom 10. Februar 2005 gleichzeitig den Antrag gestellt, den aus den obigen Bescheiden resultierenden Abgabenbetrag in Höhe von EUR 55.481,51 bis zur Erledigung der gegenständlichen Berufung von der Einhebung auszusetzen. Das Finanzamt hat im Bescheid vom 14. Februar 2005 - soweit für die Beschwerde von Bedeutung - wörtlich ausgeführt:

"Ihre Berufung vom 10. Februar 2005 gegen Einkommensteuerbescheid 2000, 2001 u. 2002 v. 7.1.2005, Umsatzsteuerbescheid 2000, 2001 u. 2002 v. 7.1.2005, Festsetzung der Anspruchszinsen 2000 und 2001 v. 7.1.2005, Bescheid über die Festsetzung d. Umsatzsteuer f. 12/2003 u. 9/2004 v. 7.1.2005 vom 07.01.2005 weist hinsichtlich des Inhaltes (§ 250 BAO) die nachfolgenden Mängel auf:

1. Die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird.

  1. 2. Die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden.
  2. 3. Eine ausführliche Begründung.
  3. 4. Betreffend des Antrages auf Aussetzung ist der auszusetzende Betrag hinsichtlich der Abgabenart und Höhe des in Streit stehenden Betrages detailliert aufzuschlüsseln."

    Dieser Bescheid bezieht sich nach seinem Wortlaut in den ersten drei Punkten auf die Berufung und im vierten Punkt auf den Antrag auf Aussetzung. Der Umstand, dass das Finanzamt den Mängelbehebungsauftrag zur Berufung mit einer anderen Aufforderung verbunden hat, macht den Mängelbehebungsauftrag nicht rechtswidrig. Durch diese nicht unzulässige Verbindung der Aufträge wurde der Mängelbehebungsauftrag hinsichtlich der Berufung weder undeutlich noch unverständlich. Dem Mängelbehebungsauftrag ist klar zu entnehmen, welche Mängel der Berufung anhaften. Es ist im Beschwerdefall auch nicht strittig, dass die Berufung des Beschwerdeführers die aufgezeigten Mängel im Sinne des § 250 BAO aufweist und diese Mängel bis zur gesetzten Frist am 4. März 2005 nicht behoben wurden.

    Wird einem berechtigten behördlichen Auftrag zur Mängelbehebung überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder zwar innerhalb der gesetzten Frist aber - gemessen an dem sich an den Vorschriften des § 250 Abs. 1 BAO orientierten Mängelbehebungsauftrag - unzureichend entsprochen, gilt die Berufung kraft Gesetzes als zurückgenommen. Der Eintritt dieser Folge wird durch den auf diese Rechtstatsache Bezug nehmenden, von der Behörde im Sinne des § 275 BAO zu erlassenden (verfahrensrechtlichen) Bescheid nicht begründet, sondern festgestellt, und kann somit durch nach Fristablauf vorgenommene (verspätete) Mängelbehebungen nicht mehr beseitigt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, 90/14/0225). Die Frist zur Behebung von Mängeln einer Berufung ist zwar verlängerbar, einem dementsprechenden Antrag kommt jedoch keine fristhemmende Wirkung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, 2002/15/0166). Der Abgabepflichtige kann auch nicht darauf vertrauen, dass eine bereits gesetzte Frist verlängert wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, 92/13/0215). Es ist daher unerheblich, dass das Finanzamt nicht über den Fristverlängerungsantrag vom 4. März 2005 entschieden hat, sondern gemäß § 275 BAO vorgegangen ist und zur Begründung ausgesprochen hat, dass die gesetzte Frist mit dem im Mängelbehebungsauftrag genannten Tag geendet hat. Durch die Abweisung der Berufung hat die Berufungsbehörde einen mit dem bekämpften Bescheid im Spruch übereinstimmenden Bescheid erlassen. Ein solcher Zurücknahmebescheid wäre dann gesetzwidrig, wenn kein Mangel im Sinne des § 250 BAO vorgelegen bzw. der Mangel beseitigt oder die gesetzte Frist nicht angemessen gewesen wäre. Da dies unstrittig nicht vorliegt, ist der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig. Auf den Inhalt der Anträge auf Fristverlängerung ist mangels Relevanz für die zu lösende Rechtsfrage nicht mehr einzugehen.

    Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 6. Juli 2006

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