VwGH 2005/21/0391

VwGH2005/21/039121.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, in der Beschwerdesache des T, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 30. September 2005, Zl. Fr 986/2001, betreffend Niederlassungsbewilligung, den Beschluss gefasst:

Normen

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §58 Abs2;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §58 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 31. Mai 2002 gestellten Erstantrag des Beschwerdeführers, eines (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides und - nach Ehescheidung und neuerlicher Eheschließung am 24. Juni 2006 nunmehr neuerlich) mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 3, § 49 Abs. 1 und § 8 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, ab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte sie aus, wenn das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz auch mit Urteil vom 2. April 2003 die wegen Nichtigkeit der (damaligen) Ehe erhobene Klage der Staatsanwaltschaft Graz abgewiesen und "festgestellt" habe, dass es sich bei der Ehe um keine Staatsbürgerschaftsehe handle, sei die Führung eines Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK doch in der Folge weggefallen, ohne dass die Ehe aufgelöst worden wäre. Von einem gemeinsamen Familienleben könne "zu keinem Zeitpunkt ausgegangen werden", die "Wiederaufnahme bzw. Fortsetzung eines Ehelebens" sei im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer über eine längere Zeit hinweg mit einer anderen Partnerin in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebe, als nicht glaubwürdig und nicht mehr realistisch nachvollziehbar anzusehen. Dies gelte umso mehr, weil auch die Ehefrau des Beschwerdeführers mit ihrem nunmehrigen Lebensgefährten ein gemeinsames Kind habe. Bei der zwar noch formell bestehenden Ehe sei demnach nicht mehr von einem Verhältnis auszugehen, das den Begriff des von Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens umfasse.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 15. November 2005 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Am 12. Oktober 2006 teilte die belangte Behörde mit, dass dem Beschwerdeführer "ein Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' am 28.9.2006 ausgestellt worden" sei.

Der Beschwerdeführer brachte hiezu - nach Einräumung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof zur Frage seines fortdauernden rechtlichen Interesses - vor, es sei richtig, dass er am 28. September 2006 einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger erhalten habe. Ein rechtliches Interesse folge jedoch daraus, dass die Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes sowie des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes in verschiedensten Tatbeständen und Fallkonstellationen auf die Dauer der Niederlassung und die Dauer des berechtigten Aufenthaltes in Österreich abstellten. Insbesondere bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft sei nicht auszuschließen, dass ihm trotz seines langjährigen Aufenthaltes die erst kurzfristige Niederlassung entgegengehalten werden könnte.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Dies ist nicht auf Fälle der formellen Klaglosstellung (durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides) beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat.

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weil es sich bei dem maßgebenden Antrag des Beschwerdeführers vom 31. Mai 2002 um einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels handelte. Im Fall seines Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren hätte für ihn ein Erstaufenthaltstitel somit nur mit Wirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Erteilung dieser Bewilligung ausgestellt werden können. Da er einen solchen Titel jedoch mittlerweile unstrittig erhalten hat, ist sein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu verneinen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. November 2004, Zl. 2002/12/0069).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 58 Abs. 2, erster Halbsatz VwGG. Fällt bei einer Beschwerde das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies nach der genannten Bestimmung bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen. Da die Art. 8 und 9 der im hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zlen. 2005/21/0113 und 0114, näher angesprochenen RL 64/221/EWG nicht nur für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet, sondern u. a. auch für die Entscheidung, durch die die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verweigert wird, gelten, gleicht der vorliegende Fall im Ergebnis jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2005, Zl. 2005/21/0165, zu Grunde gelegen ist. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die zitierten Erkenntnisse verwiesen. Ohne Wegfall der Beschwer wäre der angefochtene Bescheid somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben gewesen, sodass dem Beschwerdeführer entsprechend den §§ 47 ff VwGG Kostenersatz im Umfang der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 gebührt.

Wien, am 21. November 2006

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte