Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 35, vom 13. Dezember 1976 wurde der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin gemäß § 71 der Bauordnung für Wien vom 25. November 1929, LGBl. Nr. 11/1930 in der geltenden Fassung, die baubehördliche Bewilligung zur Herstellung einer zum Anschlagen von Druckwerken (Plakaten) eingerichteten, nicht fundierten Einfriedung gegen die Verkehrsfläche auf der Liegenschaft Wien 23, Brunnerstraße neben O.Nr. 97 (zuk. O.Nr. 91), Grundstück Nr. 245/1, EZ 442 KG Siebenhirten, in näher beschriebener Ausführung bewilligt. Über einen Teil der Länge der Einfriedung von ca. 16 m sollten nach Entfernung eines bestehenden Bretterzaunes zwei Plakattafeln mit je 5,10 m Länge und 2,60 m Höhe und an der linken Grundgrenze, von der Ecke weg, zwei Plakattafeln mit je 3,60 m Länge und 2,60 m Höhe errichtet werden.
Bei einer am 1. August 2003 abgehaltenen Augenscheinsverhandlung und einer am 23. September 2003 abgeführten Büroverhandlung wurde festgestellt, dass auf Grundstück Nr. 245/1 drei Werbeflächen links der Einfahrt mit einer Größe (bei der linken Grundgrenze beginnend) von B/H 5,10 m x 2,40 m bzw. 8,56 m x 2,40 m bzw. 6,86 m x 2,40 m und einer Gesamthöhe von ca. 3,15 m sowie eine Werbefläche rechts der Einfahrt mit einer Größe von B/H von 3,42 m x 2,40 m bei einer Gesamthöhe von 3,20 m errichtet worden seien. Die Werbeflächen seien ein Teil der Grundstückseinfriedung zur Straße.
Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2003 empfahl die "Amtsabordnung" die Erlassung eines Auftrages nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) hinsichtlich des das bewilligte Ausmaß der Plakatwand übersteigenden Teils der Gesamtfläche der Plakatwand, sofern nicht eine nachträgliche Baubewilligung erwirkt werde.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 14. November 2003 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 10 BO als Eigentümerin der Baulichkeiten auf der genannten Liegenschaft der Auftrag erteilt, binnen einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Bescheides die auf der gegenständlichen Liegenschaft ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Baulichkeiten, nämlich die vier (detailliert beschriebenen) Werbeflächen, zu beseitigen. Die Werbeflächen seien ein Teil der Grundstückseinfriedung zur Straße.
Die Baubehörde erster Instanz begründete dies damit, dass die verfahrensgegenständlichen Werbeanlagen gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO bewilligungspflichtige bauliche Anlagen darstellten, da zu ihrer Herstellung auf Grund der Abmessungen jedenfalls eine ausreichende Fundierung erforderlich sei, um dem auftretenden Winddruck standzuhalten, wofür ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse notwendig sei. Die Werbeflächen fielen unter keinen Ausnahmetatbestand für eine Baubewilligung nach § 62a Abs. 1 BO; insbesondere nicht unter Z. 27, weil die Werbeflächen unmittelbar an der Grundgrenze errichtet seien. Weiters widerspreche eine solche Anlage angesichts der Widmung der Grundfläche als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel (SWW) der nach § 6 Abs. 3 BO zulässigen Nutzung und sei daher auch aus diesem Grund vorschriftswidrig.
Die gegenständliche Werbeanlage stimme hinsichtlich ihrer Ausdehnung und Größe mit der im Jahr 1976 bewilligten Anlage in keiner Weise überein; es liege daher ein Aliud vor, der Konsens dieser Bewilligung sei verfallen und es hätte somit auch kein Auftrag zum Rückbau auf das seinerzeitig genehmigte Ausmaß erteilt werden können.
Dagegen richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie die Ansicht vertrat, sie habe im Bescheid vom 13. Dezember 1976 "insgesamt 17,4 lfm" Plakattafelanlage bewilligt erhalten. Richtig sei, dass durch die Verlängerung der Plakatanlage in der Natur derzeit 23,8 lfm errichtet seien. Entgegen der Bescheidbegründung stelle dies aber kein Aliud dar. Zwischen den Plakattafelflächen 1976 und den derzeit errichteten Flächen bestehe mit Ausnahme der erwähnten Verlängerung kein Unterschied. Die Tafeln seien faktisch sogar von geringerer Höhe als 1976, weil sich die Plakatmaße von ca. 2,60 m auf 2,40 m Höhe reduziert hätten. Nach damaliger Rechtslage seien die Maße, insbesondere die Höhen, durch die Anführung der Plakatmaße bezeichnet worden. Auch sei die Fundamentierung unverändert geblieben. Ein Entfernungsauftrag sei nicht berechtigt, weil eine aufrechte Baubewilligung für die 17,4 lfm vorliege. Dies sei auch laut Protokoll vom 23. September 2003 von der "Amtsabordnung" so gesehen worden.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und Gewährung von Parteiengehör an die Beschwerdeführerin, wobei diese von der ihr eingeräumten Möglichkeit einer Stellungnahme keinen Gebrauch machte, wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. April 2005 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid erster Instanz. Sie begründete dies nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Wortlautes des § 129 Abs. 10 BO damit, es stehe unbestritten fest, dass für die Errichtung einer Werbeanlage direkt an der Grundgrenze zum öffentlichen Gut mit einer Gesamtlänge von 17,40 m und einer Höhe von 2,60 m mit Bescheid vom 13. Dezember 1976 eine Baubewilligung erteilt worden sei. Zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Baubewilligung sei die relevante Straßenfluchtlinie an der Brunnerstraße, an der die bewilligte Werbeanlage errichtet werden durfte, mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 5274, festgesetzt worden. Mit dem nachfolgenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6475, sei der Verlauf der Brunnerstraße geändert und die gegenständliche Straßenfluchtlinie mit einem anderen Verlauf festgesetzt worden. Im nunmehr geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 6936, sei die mit dem Plandokument Nr. 6475 festgesetzte Lage der Straßenfluchtlinie an der Brunnerstraße vor der gegenständlichen Liegenschaft unverändert beibehalten und auch die bisher bereits festgesetzte Widmung Schutzgebiet, Wald- und Wiesengürtel (SWW) für die gegenständliche Liegenschaft übernommen worden.
Unbestritten stehe fest, dass die vom nunmehr bekämpften Abtragungsauftrag erfasste Werbeanlage einen Teil der Einfriedung darstelle und direkt an der zum Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages festgesetzten Straßenfluchtlinie der Brunnerstraße situiert sei. Auf Grund der Änderung des Verlaufes der Straßenfluchtlinie könne die bestehende Werbeanlage wegen der geänderten Lage nur ein Aliud darstellen, weil sie an anderer Stelle errichtet sein müsse als die im Jahr 1976 bewilligte Werbeanlage, deren Errichtung direkt an der zum damaligen Zeitpunkt der Bewilligung festgesetzten, anders verlaufenden Straßenfluchtlinie genehmigt worden sei. Es sei daher durch die Baubehörde erster Instanz zu Recht ein Abtragungsauftrag für die gesamte bestehende Werbeanlage und kein Auftrag zum Rückbau auf das bewilligte Ausmaß, wie es nach Ansicht der Beschwerdeführerin richtig sei, erfolgt. Dass für die gegenständliche Werbeanlage eine eigene Baubewilligung erwirkt worden sei, sei von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden und es stehe auch unzweifelhaft fest, dass die Errichtung einer Werbeanlage als Teil einer Einfriedung gegenüber dem öffentlichen Gut gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO eine baubewilligungspflichtige Maßnahme darstelle. Von der Beschwerdeführerin seien keine sonstigen Ausführungen vorgebracht worden, die die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides in Zweifel ziehen könnten, und es seien für die belangte Behörde auch keine solchen Zweifel aufgetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin meint, die bewilligte Werbeanlage sei der Höhe nach geringfügig reduziert und verlängert worden, ansonsten bestehe zwischen den Tafeln laut Bewilligung 1976 und den gegenständlichen Werbetafeln in der Ausführung, Lage und Art - abgesehen von zwischenzeitlichen Renovierungen - kein Unterschied. Darüber hinaus seien nach der damaligen Rechtslage die Maße, insbesondere die Höhen, durch die Angabe der Plakatmaße definiert worden. Es liege sohin eine aufrechte Bewilligung für Plakatwände im Ausmaß von 17,4 lfm vor. Die belangte Behörde habe dazu keinerlei Stellungnahme abgegeben, sondern lediglich die geänderte Straßenfluchtlinie als Begründung für das Vorliegen eines Aliuds angeführt. § 129 Abs. 10 BO biete jedoch seinem Wortlaut folgend keinesfalls die Möglichkeit, den Abtragungsauftrag der gesamten Werbetafeln auf ihn zu stützen, sondern lediglich die Grundlage für einen Abtragungsauftrag für den die bereits genehmigten 17,4 lfm übersteigenden Teil. Zudem habe die Amtsabordnung laut Protokoll vom 23. September 2003 den Standpunkt der Beschwerdeführerin geteilt, dass auf Grund der bereits im Jahre 1976 erfolgten Bewilligung keine Einwände gegen die Plakattafeln erhoben würden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten.
Für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO ist es ausreichend, dass für die bestehende bewilligungspflichtige Baulichkeit eine behördliche Bewilligung nicht vorliegt, obwohl die Baulichkeit sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Auftragserteilung einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätte (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, 2005/05/0176).
Die Beschwerdeführerin bestreitet im vorliegenden Fall nicht, dass für die Werbetafeln eine baubehördliche Bewilligung sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Auftragserteilung notwendig gewesen wäre. Ihrer Ansicht nach liege - abgesehen von der "verlängerten und höhenmäßig reduzierten" Ausführung der Werbetafeln - für die Werbetafeln eine solche rechtskräftige Bewilligung aus dem Jahre 1976 vor.
Jede Baubewilligung wird für ein durch seine Lage bestimmtes Bauvorhaben erteilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1979, 1365/79). Die mit dem Bescheid vom 13. Dezember 1976 bewilligten Werbetafeln stellten - dies geht aus dem Spruch dieses Bescheides eindeutig hervor - einen Teil der Einfriedung gegen die öffentliche Verkehrsfläche Brunnerstraße dar; die Bewilligung erfasste daher die Lage der Werbetafeln direkt an der Grundgrenze zum öffentlichen Gut. Wo genau diese Grenze verlief, ergibt sich aus dem damals gültigen PD 5274 und dem dortigen Verlauf der Straßenfluchtlinie zwischen der Brunner Straße einerseits und dem Grundstück der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin andererseits.
Nach der von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogenen Darstellung der belangten Behörde über die Entwicklung der Straßenführung der Brunner Straße in den letzten 30 Jahren wurde der Verlauf der Straße gerade im verfahrensgegenständlichen Bereich (durch Begradigung und Verschwenkung) nicht unmaßgeblich verändert. Auch die Straßenfluchtlinie wurde im gegenständlichen Bereich gegenüber dem PD 5274 verändert und an anderer Stelle (in Richtung der ehemals gegenüberliegenden Straßenfluchtlinie) festgesetzt.
Befände sich nun die gegenständliche Werbeanlage tatsächlich an der Stelle, für die die baurechtliche Bewilligung im Jahr 1976 erteilt wurde, also an der (überholten) Straßenfluchtlinie, so dürfte sie nicht direkt an der mit PD 6475 (neu) festgesetzten Straßenfluchtlinie der Brunnerstraße situiert sein.
Vergleicht man die sich aus dem Bescheid aus dem Jahre 1976 ergebende Situierung der Werbetafeln mit der nunmehrigen Situierung der Werbetafeln, so ergibt sich zwar, dass in beiden Fällen die Werbeanlage direkt an der Straßenfluchtlinie der Brunnerstraße situiert war bzw. ist und einen Teil der Einfriedung gegenüber der öffentlichen Verkehrsfläche darstellt(e). Die Baubewilligung aus dem Jahre 1976 ist aber nicht so zu verstehen, dass damit die Situierung der Werbeanlage an der Straßenfluchtlinie zur Brunner Straße, egal wo diese verläuft, baubehördlich bewilligt werden sollte. Gegenstand dieses Bescheides war die baubehördliche Bewilligung der dort detailliert beschriebenen Werbetafeln an einem genau definierten Platz, eben an der damaligen Grenze zum öffentlichen Gut. Daraus ergibt sich aber, dass die Bewilligung aus dem Jahre 1976 die Aufstellung der Werbetafeln an der jetzigen Straßenfluchtlinie (des PD 6475 bzw. PD 6936) nicht deckt. Den Werbetafeln an ihrem nunmehrigen Standort fehlte daher sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung an der jetzigen Straßenfluchtlinie als auch im Zeitpunkt des Auftrages die notwendige baubehördliche Bewilligung.
Konsenslosigkeit der Ausführung einer baurechtlich bewilligungspflichtigen Anlage besteht auch dann, wenn das Bauvorhaben entgegen einer bestehenden Baubewilligung an anderer Stelle ausgeführt wurde, weil jedes Verrücken der Baulichkeit einer Bewilligung bedarf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 1979, Zl. 1365/79, und vom 27. April 2004, Zl. 2003/05/0066). Angesichts dessen, dass die gesamte Anlage an anderer Stelle errichtet wurde und daher gegenüber der erteilten Bewilligung ein Aliud darstellt, kommt der Argumentation der Beschwerdeführerin, es sei nur eine Abweichung hinsichtlich der Höhe und der Längendimensionierung erfolgt, keine Bedeutung zu. Die Frage der Trennbarkeit der Werbefläche in einen genehmigten und in einen nicht genehmigten Teil stellt sich daher nicht.
Bewilligungsfrei ist die Werbeanlage schließlich auch nicht.
§ 62a Abs. 1 Z 21 BO stellt zwar Einfriedungen bis zu einer Höhe von 2,50 m bewilligungsfrei, allerdings nur dann, wenn sie nicht - wie hier - gegen öffentliche Verkehrsflächen gerichtet sind. Auch eine Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 Z 27 BO scheidet aus, weil die Anlage an einer Grundgrenze errichtet wurde.
Die Beschwerdeführerin nahm schließlich sowohl in der Berufung aber auch in der Beschwerde auf die "Ansicht der Amtsabordnung" laut Protokoll vom 23. September 2003 Bezug, auf welche von der belangten Behörde angeblich nicht eingegangen worden sei. Der im Protokoll der Verhandlung vermerkte Antrag der "Amtsabordnung" (auf Erlassung eines Bauauftrages in eingeschränkter Form) hat aber keine bindende Wirkung für die Baubehörde erster Instanz, sodass eine Divergenz der Rechtsmeinung der "Amtsabordnung" und der hier einschreitenden Baubehörden keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bewirkt.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. Mai 2006
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)