VwGH 2004/16/0036

VwGH2004/16/003625.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des S in F, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Zoll-Senat 4 (I), jeweils vom 10. Dezember 2003, GZ ZRV/0022-Z4I/03 und ZRV/0023-Z4I/03, betreffend Säumniszinsen, zu Recht erkannt:

Normen

31992R2913 ZK 1992 Art232 Abs1 litb;
BAO §198;
BAO §201;
BAO §276;
BAO §289;
BAO §4;
VwRallg;
ZollRDG 1994 §80;
31992R2913 ZK 1992 Art232 Abs1 litb;
BAO §198;
BAO §201;
BAO §276;
BAO §289;
BAO §4;
VwRallg;
ZollRDG 1994 §80;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.342,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. Juni 2001 setzte das Hauptzollamt Feldkirch für den Beschwerdeführer eine Eingangsabgabenschuld in Höhe von S 643.905,00 fest.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung.

Mit Bescheiden vom 24. Juli 2001, 30. Juli 2001 und 30. August 2001 schrieb das Hauptzollamt Feldkirch dem Beschwerdeführer Säumniszinsen für die Säumniszeiträume 15. Juni bis 14. Juli 2001, 15. Juli bis 14. August 2001 bzw. 15. August bis 14. September 2001 in Höhe von jeweils S 3.563,-- (EUR 258,93) vor.

In den dagegen erhobenen Berufungen führte der Beschwerdeführer aus, er habe in Erwartung, dass die Berufungsentscheidung betreffend den Bescheid vom 21. Juni 2001 prompt ergehen würde, keine aufschiebende Wirkung beantragt. Weil die Vorschreibung von Säumniszinsen erst in Betracht komme, wenn der "Hauptsachenbetrag" feststehe, seien die angefochtenen Bescheide verfrüht ergangen. Weiters beantragte der Beschwerdeführer, seiner Berufung gegen die Festsetzung der Eingangsabgabenschuld "aufschiebende Wirkung" zuzuerkennen.

Mit Berufungsvorentscheidungen jeweils vom 7. März 2003 wies das Hauptzollamt Feldkirch die Berufungen gegen die Vorschreibung von Säumniszinsen als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass Säumniszinsen eine formelle Abgabenzahlungsschuld, nicht jedoch die Rechtskraft der "Stammabgabe" voraussetzen würden. Ein Bescheid über die Festsetzung von Säumniszinsen sei daher auch dann rechtmäßig, wenn die zugrunde liegende Abgabenschuld sachlich unrichtig sei.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde, in welcher er darauf hinwies, dass in der Hauptsache mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Dezember 2002 seiner Berufung stattgegeben und die Abgabenvorschreibung vom 21. Juni 2001 wegen Verjährung aufgehoben worden sei.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde jeweils nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der rechtlichen Grundlagen aus, der mit Bescheid vom 21. Juni 2001 mitgeteilte Eingangsabgabenbetrag sei nach Zustellung dieses Bescheides innerhalb der zehntägigen Zahlungsfrist, somit unter Berücksichtigung des Postlaufs bis zum Ablauf des 9. Juli 2001, zu entrichten gewesen. Der Beschwerdeführer habe innerhalb dieser Frist keine Anträge auf Zahlungserleichterungen oder Fristverlängerung gestellt. Er habe die Eingangsabgaben weder innerhalb der Zahlungsfrist noch nach Ablauf einer weiteren Frist von fünf Tagen entrichtet. Damit sei als Säumnisfolge die Verpflichtung der Zahlungszinsen nach Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK iVm § 80 ZollR-DG entstanden.

Der nach Ablauf der Zahlungsfrist gestellte "Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung", welcher als Antrag auf Aussetzung nach Art. 244 ZK iVm § 212a BAO zu werten sei, habe zwar vollstreckungshemmende Wirkung (§ 230 Abs. 6 BAO), könne aber an der bereits entstandenen Verpflichtung zur Entrichtung der Säumniszinsen nichts ändern. Die Pflicht zur Erhebung von Nebengebühren, wie Säumniszinsen, setze nicht den Bestand einer sachlich richtigen oder gar rechtskräftigen, sondern einer formellen Abgabenschuld voraus.

Gegen diese Bescheide richtet sich die Beschwerde, mit der - erkennbar - Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht keine Säumniszinsen vorgeschrieben zu erhalten, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 221 Abs. 1 Zollkodex (ZK) ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Nach Art. 222 Abs. 1 Buchstabe a ZK ist der nach Art. 221 ZK mitgeteilte Abgabenbetrag innerhalb der festgesetzten Frist zu entrichten. Unbeschadet des Art. 244 zweiter Absatz ZK darf diese Frist zehn Tage, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des geschuldeten Betrags an den Zollschuldner, nicht überschreiten.

Art. 232 Abs. 1 ZK lautet:

"(1) Ist der Abgabenbetrag nicht fristgerecht entrichtet worden,

  1. a) ...
  2. b) so werden zusätzlich zu dem Abgabenbetrag Säumniszinsen erhoben. Der Säumniszinssatz kann höher als der Kreditzinssatz sein. Er darf jedoch nicht niedriger sein."

    Ist der Abgabenbetrag nicht fristgerecht entrichtet worden, sind nach § 80 ZollR-DG Säumniszinsen zu erheben, wenn die Säumnis mehr als fünf Tage beträgt.

    Die Vorschreibung von Säumniszinsen nach Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK dient der Sicherung des Abgabenanspruches (Witte, Zollkodex4, Rz 8 zu Art. 232).

    Der belangten Behörde ist insoweit zu folgen, als die Vorschreibung von Säumniszinsen den Bestand eines formellen Abgabenzahlungsanspruches voraussetzt. Das ist die Verpflichtung einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einer bescheidmäßigen Festsetzung (§ 198 BAO) oder bei Selbstbemessungsabgaben auf Grund des Abgabengesetzes selbst bzw. aus der Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2001, Zl. 2000/16/0080, mwN).

    In seinen Beschwerden an die belangte Behörde hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass die Abgabenbehörde erster Instanz mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Dezember 2002 die Eingangsabgabenvorschreibung vom 21. Juni 2001 ersatzlos beseitigt hat. Diese Tatsachenbehauptung wurde von der belangten Behörde nicht bestritten.

    Durch die ersatzlose Aufhebung des Eingangsabgabenbescheides, die ex tunc wirkt, trat aber das Verfahren über die Eingangsabgabenvorschreibung in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat (vgl. Ritz, BAO3, Tz 12f zu § 289).

    Das bedeutet für den Beschwerdefall, dass der formal begründete Abgabenanspruch in der Folge rückwirkend wieder beseitig wurde.

    Somit erweist sich die Vorschreibung von Säumniszinsen für die nicht festgesetzten Eingangsabgaben als rechtswidrig (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 2001, Zl. 2001/16/299, und vom 26. Juni 2003, Zl. 2002/16/0301).

    Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beschwerden über die Festsetzung der Säumniszinsen abgewiesen wurden, waren daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

    Da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, das die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem nicht entgegensteht, konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 25. Oktober 2006

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