VwGH 2004/05/0106

VwGH2004/05/010617.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Hinterwirth, als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerden des C in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen vier Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. Oktober 2003, Zlen. 1. UVS- 2003/12/060 (protokolliert zur hg Zl. 2004/05/0106), 2. UVS- 2003/12/105 (protokolliert zur hg Zl. 2004/05/0108), betreffend jeweils eine Maßnahme der vorläufigen Beschlagnahmen, 3. UVS- 2003/12/090 (protokolliert zur hg Zl. 2004/05/0107) und 4. UVS- 2003/12/089 (protokolliert zur hg Zl. 2004/05/0109), betreffend Berufungen zu Bescheiden über zwei Beschlagnahmen (weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §53 Abs1 Z1;
VStG §39;
GSpG 1989 §53 Abs1 Z1;
VStG §39;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in Höhe von EUR 866,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Einem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft L vom 31. März 2003 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Eröffnung eines Casinos am Standort in N, B-Straße, für den 1. April 2003 und die dortige Durchführung des Spiels "Eurolet" und des Kartenspiels "Two Aces" mit jeweils einem Spieleinsatz von EUR 1,-- bis EUR 100,-- angekündigt habe. Er sei darauf hingewiesen worden, dass diese von ihm beabsichtigten Spiele gegen das Glücksspielgesetz und das Tiroler Veranstaltungsgesetz verstoßen würden und eine Eröffnung des Casinos in dieser Form verboten sei. Er habe mit Kontrollen und Beschlagnahmen von Gegenständen zu rechnen.

Am 2. April 2003 führten Organe des Gendarmeriepostens N über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft L am oben genannten Standort eine Kontrolle durch, um festzustellen, ob Verstöße gegen das Glücksspiel- oder das Tiroler Veranstaltungsgesetz zu erkennen seien. Es wurden eine Roulette-Kugel, Roulette-Jetons und Karten-Jetons vorläufig beschlagnahmt.

Der Beschwerdeführer gab bei seiner Einvernahme vor der Gendarmerie N am 7. April 2003 an, er biete in dem gegenständlichen Casino das Roulettespiel "Eurolet" und das Kartenspiel "Two Aces" an.

Bei einer neuerlichen Kontrolle am 8. April 2003 stellten Gendarmeriebeamte im gegenständlichen Casino unveränderten Spielbetrieb fest. Es wurden Roulette-Jetons und Karten-Jetons vorläufig beschlagnahmt.

Gegen diese Beschlagnahmen vom 2. und vom 8. April 2003 erhob der Beschwerdeführer mit den Schriftsätzen vom 8. und vom 10. April 2003 Maßnahmenbeschwerden, die den Gegenstand des erst- und zweitangefochtenen Bescheides bildeten.

Mit den Bescheiden der BH L vom 24. April 2003 und vom 16. Mai 2003 (...) wurden unter Bezugnahme auf die Amtshandlung vom 2. April 2003 eine Roulettekugel und 1.446 Spieljetons und unter Bezugnahme auf die Amtshandlung vom 8. April 2003 311 Spieljetons zur Sicherung des Verfalls gemäß § 39 VStG in Beschlag genommen.

Im Spruch dieser Bescheide wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass ihm in den von der BH L ergangenen Aufforderungen zur Rechtfertigung vom 15. und vom 29. April 2003 Verwaltungsübertretungen nach § 25 Abs. 1 Z. 4 Tiroler Veranstaltungsgesetz 1982 und § 3 Glücksspielgesetz 1989 durch folgende Taten zur Last gelegt würden:

"Sie haben es als Betreiber und Spielveranstalter des von Ihnen neu am 01.04.2003 eröffneten Casino's in der Gemeinde N zu verantworten, dass Sie entgegen den Bestimmungen des Tiroler Veranstaltungsgesetzes 1982 sowie des Glückspielgesetzes 1989 in N, B-Straße (Gasthaus 'R') am 2. April 2003 gegen 20 Uhr (am 8. April 2003 um 22 Uhr) in eigens dafür eingerichteten Räumlichkeiten gewerbsmäßig

a) Beobachtungs- und Geschicklichkeitsspiele, nämlich ein 24iger Kugelkarussell, wobei die Einsätze pro Zahl mind. EUR 1,00 bis EUR 50,- betrugen sowie

b) an mindestens zwei Kartentischen Kartenspiele mit Bankhalter in Form einer Ausspielung, nämlich das Spiel 'TWO ACES', bei welchem ein Mindesteinsatz von EUR 5,- bis zu EUR 100,-

möglich war

und somit solche Spiele veranstaltet haben, bei denen vermögenswerte Gewinne ausgefolgt oder in Aussicht gestellt wurden und Gewinn oder Verlust zu a) nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall zu b) ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig waren, wobei um ein Vielfaches des Einsatzes und somit um keine geringen Beträge gespielt werden konnte."

Begründend führte die Behörde aus, im Zuge von Kontrollen am

2. und am 8. April 2003 habe sich im gegenständlichen Casino der dringende Verdacht der Verwaltungsübertretungen nach dem Tiroler Veranstaltungsgesetz und dem Glücksspielgesetz ergeben. Zur Begehung der verdächtigen Handlungen seien die genannten Gegenstände verwendet worden. Um unverzüglich sicher zu stellen, dass die in Verdacht stehenden Verwaltungsübertretungen nicht weiter fortgesetzt werden würden, seien die Roulettekugel und die Spieljetons vom angebotenen "Eurolet 24" und die Spieljetons vom angebotenen Kartenspiel "Two Aces" vorläufig in Beschlag genommen, darüber eine Bescheinigung ausgestellt und Anzeige an die BH L erstattet worden. Sowohl das Tiroler Veranstaltungsgesetz als auch das Glücksspielgesetz sehe den Verfall der beschlagnahmten Gegenstände als Strafe vor.

In seinen dagegen erstatteten Berufungen brachte der Beschwerdeführer vor, das 24 Kugelkarussell sei - wie in Punkt a) des Spruches angeführt - ein Beobachtungs- und Geschicklichkeitsspiel. Bei dem Kartenspiel "Two Aces" handle es sich ebenfalls um ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig sei. Dies werde durch zahlreiche Gutachten belegt. Das Glücksspielgesetz sei daher nicht anzuwenden. Da das Berufungsverfahren betreffend die Anzeige einer weiteren Betriebsstätte am gegenständlichen Standort nicht beendet sei, betreibe der Beschwerdeführer das Gewerbe rechtmäßig.

Mit dem erst- und dem zweitangefochtenen Bescheid wurden die Maßnahmenbeschwerden des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen, weil durch die Erlassung der Beschlagnahmebescheide die Beschlagnahmen eine bescheidmäßige Grundlage erlangt hätten.

Mit dem dritt- und dem viertangefochtenen (...) Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen des Beschwerdeführers als unbegründet ab und änderte die Sprüche, die im Übrigen unverändert blieben, wie folgt ab:

"I. Gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielsgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, iVm § 39 VStG 1991, BGBl. Nr. 52/1991 i.d.g.F., wird die Beschlagnahme einer Roulette-Kugel und von 1.210 (191) Roulettejetons ausgesprochen.

II. Gemäß § 31 Abs. 3 VeranstG i.V.m. § 39 VStG werden zur Sicherung der Strafe des Verfalls 236 (120) Kartenjetons beschlagnahmt."

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer verfüge weder

über Bewilligungen nach dem Tiroler Veranstaltungsgesetz noch nach

dem Glücksspielgesetz. Die Gewerbeberechtigung des

Beschwerdeführers sei im vorliegenden Fall insofern unbeachtlich,

als im österreichischen Verwaltungsverfahren das

Kumulationsprinzip gelte, weshalb neben der Bewilligung nach der

Gewerbeordnung - sofern eine notwendig sei - auch eine Bewilligung

nach dem Glücksspiel- und/oder nach dem Tiroler

Veranstaltungsgesetz notwendig sei. Derartige Bewilligungen hätte

der Beschwerdeführer allerdings insofern nicht erwirken können,

als es sich im vorliegenden Fall einerseits um verbotene

Tätigkeiten iSd Tiroler Veranstaltungsgesetzes und andererseits um

einen Eingriff in das Glückspielmonopol handle. Das anhängige

Berufungsverfahren betreffend die Zurückweisung einer

Gewerbeanmeldung habe für das gegenständliche Verfahren keine

Bedeutung. Der Verdacht des Vorliegens einer

Verwaltungsübertretung ergebe sich aus der Anzeige. Sowohl

§ 31 Abs. 3 Tiroler Veranstaltungsgesetz als auch

§ 52 Abs. 2 Glücksspielgesetz sehe den Verfall vor. Die

diensthabenden Beamten hätten zu Recht davon ausgehen können, dass für den Fall der Nichtbeschlagnahme die Fortsetzung der strafbaren Handlung wahrscheinlich sei und sei insofern Gefahr im Verzug iSd § 39 Abs. 2 VStG anzunehmen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerden mit den Beschlüssen vom 24. Februar 2004, B 1728/03-7 (2004/05/0106), B 1759/03-6 (2004/05/0107), B 1727/03-7 (2004/05/0108) und B 1760/03-6 (2004/05/0109) ab, und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes nahm der Beschwerdeführer in zwei Schriftsätzen, die sich inhaltlich auf die Beschlagnahmebescheide bezogen, Ergänzungen vor, wobei er allerdings alle vier Geschäftszahlen der beim Verwaltungsgerichtshof protokollierten Beschwerden anführte, sodass im Zweifel anzunehmen ist, dass er alle vier Beschwerden verbessern wollte.

Der Beschwerdeführer bringt in seinen Beschwerdeergänzungen vor, die von ihm angebotenen Spiele seien keine Spiele iSd § 1 Glücksspielgesetz, sondern handle es sich dabei um Geschicklichkeits- und Beobachtungsspiele, bei denen Gewinn und Verlust nicht ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhinge. Die Subsumierung dieser Spiele unter das Glücksspielgesetz gehe sohin ins Leere. Dazu legte er die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 14. Jänner 2004, das Urteil des BG L vom 7. November 2003 sowie Benachrichtigungen der Staatsanwaltschaft Linz und der Staatsanwaltschaft Kufstein über die Zurücklegungen von Strafanzeigen vom 15 April und vom 6. Mai 2004 vor. Zudem sei er Inhaber rechtskräftiger Gewerbeberechtigungen mit dem Wortlaut "Veranstaltung und Organisation von erlaubten Kartenspielen, bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig sei, ohne Bankhalter" und "Abführung von erlaubten Geschicklichkeits- und Beobachtungsspielen". Das Anzeigeverfahren bezüglich der Errichtung einer weiteren Betriebsstätte am verfahrensgegenständlichen Standort sei zum Zeitpunkt der bekämpften Beschlagnahme anhängig gewesen.

Die belangte Behörde legte in allen Fällen die Verwaltungsakten vor und erstattete zu den Zlen. 2004/05/0107 und 2004/05/0109 jeweils eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat alle vier Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

1. Zu den zu den Zlen. 2004/05/0106 und 2004/05/0108 protokollierten Beschwerden:

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, dienen die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde nach ständiger hg. Judikatur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes. Akte, deren Rechtmäßigkeit im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu beurteilen ist, sind daher nicht als Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG bekämpfbar (vgl. u.a. das hg Erkenntnis vom 17. März 1998, Zl. 96/04/0264).

In den vorliegenden Beschwerdefällen steht unbestritten fest, dass die zunächst vorläufig erfolgten Beschlagnahmen durch die Bescheide der BH L vom 24. April 2003 und vom 16. Mai 2003 bestätigt wurden. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Berufung. Da der Beschwerdeführer sohin die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme solcherart beurteilen ließ, besteht die Auffassung der belangten Behörde, die von der Beschwerdeführerin gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG erhobenen Beschwerden seien unzulässig geworden, zu Recht.

2. Zu den zu den Zlen. 2004/05/0107 und 2004/05/0109 protokollierten Beschwerden:

Sofern der Beschwerdeführer einen bundesweiten uneinheitlichen Vollzug betreffend die Genehmigung des von ihm angezeigten Gewerbes und damit einen Widerspruch zum "Grundsatz der Rechtssicherheit" geltend macht, ist ihm entgegen zu halten, dass die Genehmigung eines Gewerbes nicht Verfahrensgegenstand ist; Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde mit den angefochtenen Bescheiden bestätigten Beschlagnahmen.

Zur Darstellung der Rechtslage nach dem Glücksspielgesetz einerseits und dem Tiroler Veranstaltungsgesetz iVm § 39 VStG andererseits wird gemäß § 43 Abs. 2 2. Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, 2004/05/0127, dieselben Spiele betreffend, verwiesen.

Dem Wesen der Beschlagnahme als vorläufige Sicherungsmaßnahme entsprechend genügt für deren Anordnung sowohl nach § 39 VStG als auch nach § 53 Abs. 1 Z. 1 GlSpG u.a. der bloße Verdacht, dass eine bestimmte Norm, deren Übertretung mit Verfall sanktioniert ist, übertreten wurde. Ob letztendlich diese oder eine andere solche Norm verletzt wurde, ist für die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme ohne Belang (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 unter E 14b zu § 39 VStG referierte Judikatur).

Davon ausgehend ist eine abschließende Qualifikation der gegenständlichen Spiele als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiele nicht geboten, genügt doch im Sinne der obigen Ausführungen bereits der Verdacht, dass eine der beiden mit der Strafe des Verfalls bedrohten Verbotsnormen (§ 25 Abs. 1 Z. 4 Tiroler VeranstaltungsG und § 52 Abs. 1 Z. 1 Glücksspielgesetz) übertreten wurde; dass nur um geringe Beträge gespielt würde, wird nicht behauptet.

Auch schon am 2. April 2003 war der Verdacht in Bezug auf das in beiden Tatbeständen geforderte Merkmal der Wiederholung gegeben, weil der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen schon vor der Casinoeröffnung auf die Unzulässigkeit dieser Spiele hingewiesen wurde.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf seine Gewerbeberechtigungen beruft, die er für den hier gegebenen Standort daraus ableitet, dass eine Untersagung nach erfolgter Anmeldung noch nicht rechtskräftig sei, übersieht er, dass die hier herangezogenen Straftatbestände keinen Vorbehalt in Bezug auf Gewerbeberechtigungen enthalten; verwiesen sei auf die in den Ziffern 17 und 24 des § 2 Abs. 1 GewO normierten Nichtanwendungsbereiche.

Die Beschwerden erweisen sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr.2003/333.

Wien, am 17. März 2006

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