Normen
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 19. November 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte am 20. November 2003 einen Asylantrag. Als Fluchtgrund gab er bei seiner Einvernahme an diesem Tag vor dem Bundesasylamt an, dem Stamm der "Shakiri" anzugehören und in Koko Village gelebt zu haben. Einen Tag vor seiner Ausreise hätten Jugendführer der "Shakiri" ein Treffen veranstaltet, bei dem sie zur Rache für die Ermordung einiger "Shakiri" im Nachbarort durch jugendliche Itjaws aufgerufen hätten. Jeder habe Buschmesser erhalten und man sei zur kleinen Itjaw-Gemeinde in Koko Village gegangen, habe Häuser angezündet und es seien zwei oder drei Itjaws getötet worden. Auch der Beschwerdeführer sei mitgegangen und habe mitgemacht. Am nächsten Morgen habe er einen Schuss gehört und gesehen, dass Itjaws die Häuser von "Shakiris" angezündet hätten und auf diese mit Messern losgegangen seien. Er habe Angst bekommen und sei weggelaufen. An die Polizei habe er sich nicht gewandt, weil auch die Polizeistation angezündet worden sei. Eine Übersiedlung in die großen Städte Nigerias (insbesondere nach Lagos) habe er nicht ins Auge gefasst, weil er niemanden in Lagos habe und nicht wisse, ob es in Lagos Angehörige der Itjaws gebe.
Mit Bescheid vom 21. November 2003 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei - so die Begründung der Behörde - in Zweifel zu ziehen, weil er die Behauptung, von Itjaws verfolgt worden zu sein, nur allgemein in den Raum gestellt habe, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können. Er habe sich nur auf abstrakte und allgemein gehaltene Darlegungen beschränkt und keine konkreten oder detaillierten Angaben machen können. Sein Vorbringen enthalte "weitere Ungereimtheiten", denen er "trotz Vorhalt" nicht auf nachvollziehbarer Weise entgegen zu treten vermocht habe. Gegen die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens spreche, dass er wegen der geschilderten Vorfälle keine Anzeige erstattet habe. Dass ihm kein Schutz vor den Übergriffen der Itjaws geboten worden wäre, weil die Polizeistation angezündet worden sei, werde als Schutzbehauptung angesehen. Im Übrigen stünde in Nigeria jedermann bei Verfolgung durch "nicht-staatliche Individuen" die reale Möglichkeit offen, sich durch einen Ortswechsel innerhalb des Staates in Sicherheit zu bringen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid (ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung) gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG (in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003) neuerlich fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei. Nach allgemeinen Rechtsausführungen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung fallbezogen damit, dass das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst habe. Es sei auf Grund schlüssiger Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig und weder asylnoch refoulementschutzrelevant sei. Die belangte Behörde schließe sich daher den diesbezüglich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Bundesasylamtes an und erhebe sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Zur Abweisung des Asylantrages sei festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Bezug zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen aufweise. Weiters könne nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Dementsprechend erweise sich die Annahme des Bundesasylamtes, es lägen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG vor, als mit dem Gesetz im Einklang stehend, und es könne von einer Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 2 FrG schon deshalb nicht ausgegangen werden, "da die vom (Beschwerdeführer) geltend gemachten Umstände nicht in den dort aufgezählten Gründe haben".
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Soweit sich die Beschwerde zunächst gegen die hilfsweise angestellte Überlegung des Bundesasylamtes wendet, dem Beschwerdeführer stehe jedenfalls die Möglichkeit offen, sich durch einen Ortswechsel innerhalb des Staates Nigeria in Sicherheit zu bringen, und in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass ein Ortswechsel "zu unsicher" gewesen sei, "weil im gesamten Land Stammesfehden geführt werden", ist vorauszuschicken, dass sich die belangte Behörde diese Eventualbegründung im erstinstanzlichen Bescheid nicht erkennbar zu eigen gemacht hat, weshalb auch nicht geprüft werden muss, ob diese die Abweisung des Asylantrages und die Verweigerung von Refoulementschutz - auch unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer gegen eine inländische Fluchtalternative erstatteten Vorbringens - getragen hätte.
Die belangte Behörde stützte die Abweisung der Berufung vielmehr primär darauf, dass dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit zukomme. Hilfsweise verneinte sie - bei Wahrunterstellung seines Vorbringens - das Vorliegen eines Konventionsgrundes gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention. Letzteres vermag im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung auf Grund ethnischer Konflikte behauptet und die Schutzfähigkeit des nigerianischen Staates in diesem Zusammenhang offensichtlich in Zweifel gezogen hat, nicht zu überzeugen.
Entscheidend ist daher, ob die Beweiswürdigung der Asylbehörden (die belangte Behörde beschränkte sich diesbezüglich auf eine bloße Verweisung auf die Begründung im erstinstanzlichen Bescheid) einer Überprüfung auf ihre Schlüssigkeit standhält.
Das Bundesasylamt hielt in diesem Zusammenhang fest, der Beschwerdeführer habe eine Verfolgung durch Angehörige des Stammes Itjaw "nur allgemein in den Raum gestellt, ohne dies belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft zu machen zu können". Auch habe sein Vorbringen "weitere Ungereimtheiten" enthalten, und es sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, diesbezüglichen Vorhalten "auf nachvollziehbarer Weise entgegen zu treten". Diese (sehr allgemein gehaltenen) Überlegungen reichen für eine nachvollziehbare Beweiswürdigung nicht aus, lassen sie doch nicht erkennen, welche konkreten Angaben vom Beschwerdeführer zusätzlich zu seiner - jedenfalls keine inneren Widersprüche enthaltenden - Erzählung noch erwartet worden wären, von welchen "Ungereimtheiten" die Behörde erster Instanz ausging und welche diesbezüglichen Vorhalte sie dem Beschwerdeführer gemacht haben will. Die Asylbehörden haben es aber auch unterlassen, den realen Hintergrund der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Geschichte (ethnische Konflikte in Koko im Frühjahr 2003) in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zu den diese Ereignisse betreffenden Berichten zu messen (vgl. zu diesem Erfordernis etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0176, mwN). Erst danach ließe sich auch beurteilen, ob die Behauptung des Beschwerdeführers, die Polizei habe ihm keinen Schutz vor Übergriffen bieten können, weil sie davon selbst in Mitleidenschaft gezogen worden sei, als bloße "Schutzbehauptung" anzusehen ist.
Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes erweist sich daher als unschlüssig und schlägt diese Mangelhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung infolge der vorgenommenen Verweisung auf den bekämpften Bescheid durch. Sie führt aber auch dazu, dass die belangte Behörde nicht von der Durchführung einer Berufungsverhandlung hätte absehen dürfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2003, Zl. 2003/01/0509 mwN).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. Jänner 2006
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