VwGH 2005/18/0044

VwGH2005/18/00448.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der J, geboren 1974, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Dezember 2004, Zl. St 254/04, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §56 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §56 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Dezember 2004 wurde die Beschwerdeführerin, laut dem Beschwerdevorbringen eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, gemäß §§ 31, 33 und 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (die Erstbehörde) habe (in ihrem Bescheid vom 14. September 2004) folgenden Sachverhalt festgestellt:

"Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass Ihr Asylverfahren (der Beschwerdeführerin( seit 08.07.2002 rechtskräftig negativ abgeschlossen ist und Sie sich seitdem unrechtmäßig in Österreich aufhalten.

Mit Schreiben vom 1.04.2004 wurde Ihnen dieser Sachverhalt zur Kenntnis gebracht, aus Ihrer Stellungnahme vom 19.04.2004 geht kein neuer die Entscheidung beeinflussender Sachverhalt hervor. Sie haben zwar familiäre Bindungen zu Österreich in Form Ihres Gatten, haben aber keine Möglichkeit, Ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren. Sie geben weiters an, Sie hätten beim UBAS einen Wiedereinsetzungsantrag eingebracht, aus der Asylwerberinformation des Bundesministeriums für Inneres geht jedoch klar hervor, dass Ihr Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen ist, eine Wiederaufnahme wurde nicht verfügt."

Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin habe die Erstbehörde ausgeführt, dass sie außer zu ihrem Gatten keine berücksichtigungswürdigen Bindungen in Österreich geltend gemacht habe.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen, darunter des § 33 Abs. 1 FrG, führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass sich die Beschwerdeführerin seit 8. Juli 2002 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, als ihr seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Wie sich aus der Darstellung ihrer persönlichen Verhältnisse ergebe (sie sei verheiratet und lebe mit ihrem Gatten, der sich noch im Asylverfahren befinde, in Österreich; sie halte sich jedoch seit zwei Jahren illegal in Österreich auf und gehe einer Erwerbstätigkeit nach), würde es sich erübrigen, zu erörtern, ob die Ausweisung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, weil nicht in relevanter Weise in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen werde.

Die Beschwerdeführerin halte sich seit dem 8. Juli 2000 (offensichtlich gemeint: 2002), also seit mehr als zwei Jahren, illegal in Österreich auf. Schon ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, und es sei demnach die Ausweisung gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begäben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen; ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung (eines Einreise- und Aufenthaltstitels) bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen.

Die Erstbehörde sei keinesfalls unrichtigerweise davon ausgegangen, dass das die Beschwerdeführerin betreffende Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sei, und es könne das von ihr nunmehr angestrebte Wiedereinsetzungsverfahren an der Rechtskraft des (asylrechtlichen) zweitinstanzlichen Bescheides vorerst nichts ändern. Auch habe die Beschwerdeführerin keine "Fakten", aus denen zu schließen sei, dass ihr Wiedereinsetzungsantrag tatsächlich erfolgversprechend sei, vorgelegt.

Das Ausweisungsverfahren sei vor dem Hintergrund des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens keinesfalls unverhältnismäßig. Ermittlungen hiezu habe die Erstbehörde vorgenommen, weil aus dem erstinstanzlichen Bescheid klar hervorgehe, dass der Stand des Asylverfahrens abgerufen worden sei. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin habe keinen Einfluss auf das ihren Ehegatten betreffende Asylverfahren.

Wenngleich die Beschwerdeführerin in Österreich bereits einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, habe sie von vornherein nicht damit rechnen dürfen, allein auf Grund ihrer Erwerbstätigkeit in Österreich verbleiben zu dürfen. Das Asylverfahren sei kein "Eingangstor" für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Österreich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen der belangten Behörde, dass das die Beschwerdeführerin betreffende Asylverfahren seit 8. Juli 2002 rechtskräftig negativ abgeschlossen sei - womit eine allfällige vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 - AsylG jedenfalls geendet hat -, und bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Im Hinblick darauf kann die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte - damit ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt - nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.1. Die Beschwerde bekämpft indes den angefochtenen Bescheid lediglich unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG und bringt vor, die Auffassung der belangten Behörde, es liege kein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin vor, sei unverständlich. Diese sei seit 2003 mit B. verheiratet, und es stehe ihr Ehegatte kurz vor der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Nach Verleihung werde sie als Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung haben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sie im 7. Monat schwanger sei und ihr eine Trennung von ihrem Ehegatten daher nicht zumutbar sei. Sie sei seit ihrer Ankunft in Österreich im März 2000 hier sehr gut integriert, spreche mittlerweile fast perfekt deutsch und sei als Sprachlehrerin für Russisch tätig. Daneben arbeite sie als Datatypistin für ein Leasingunternehmen, was zeige, dass sie für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie aufkommen könne und dem österreichischen Staat in keiner Weise zur Last falle. Zudem engagiere sie sich für das Kinderhilfswerk, habe zusammen mit ihrem Ehegatten hier eine Eigentumswohnung erworben und habe in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Ihre Ausweisung sei daher bei richtiger Interessenabwägung nicht zulässig.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Wenn auch die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, es werde durch die Ausweisung nicht in relevanter Weise in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen und es würde sich eine Erörterung darüber erübrigen, ob die Ausweisung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, angesichts der im angefochtenen Bescheid angenommenen, jedenfalls mehrjährigen Dauer des inländischen Aufenthaltes, der Berufstätigkeit, der daraus ableitbaren privaten Interessen und der Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrem ebenfalls hier aufhältigen Ehegatten nicht geteilt werden kann, so wurde sie durch diese Verkennung der Rechtslage nicht in Rechten verletzt, hat doch die belangte Behörde in weiterer Folge dennoch eine Prüfung unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG vorgenommen. Auch im Übrigen führt das obzitierte Beschwerdevorbringen nicht zum Erfolg.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keine ausdrückliche Feststellung über den Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführerin in Österreich getroffen und ausgeführt, dass diese sich seit mehr als zwei Jahren illegal in Österreich aufhalte. Der Beschwerde zufolge ist die Beschwerdeführerin im März 2000 nach Österreich gekommen und hat am 28. März 2000 einen Asylantrag gestellt, der mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. April 2001 - die dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid als verspätet zurückgewiesen und die Behandlung einer dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei abgelehnt worden - abgewiesen worden sei. Legt man dieses Beschwerdevorbringen der weiteren Beurteilung zu Grunde, so hält sich die Beschwerdeführerin seit rund vier Jahren und neun Monaten (bezogen auf den entscheidungsrelevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) im Bundesgebiet auf. Die aus dieser Aufenthaltsdauer ableitbare Integration der Beschwerdeführerin ist allerdings in ihrer sozialen Komponente dadurch gemindert, dass der inländische Aufenthalt der Beschwerdeführerin - was von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird - jedenfalls seit 8. Juli 2002 zur Gänze unrechtmäßig ist und ihr davor gelegener Aufenthalt auf einen Asylantrag zurückzuführen ist, der sich als unbegründet erwiesen hat. Nach den weiteren nicht in Abrede gestellten Ausführungen der belangten Behörde ist der Ehegatte der Beschwerdeführerin als Asylwerber in Österreich aufhältig. Die Beschwerdeführerin hat die Ehe mit ihm laut Beschwerdevorbringen am 5. April 2003, somit zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem sie mangels Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung an sie nicht mit ihrem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen durfte.

Den in Anbetracht der persönlichen Bindungen nicht unmaßgeblichen, jedoch in ihrem Stellenwert - wie dargelegt - relativierten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0342, mwN), durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt gegenüber.

Der behauptete Umstand, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin mit der baldigen Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu rechnen habe und ihr in diesem Fall als Angehörige eines Österreichers ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zukomme, bewirkt keine Stärkung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin. Die Behörde ist nicht verpflichtet, von fremdenpolizeilichen Maßnahmen Abstand zu nehmen und damit den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden zu dulden, bis der Fremde durch die - vor Abschluss des diesbezüglichen Verfahrens jedenfalls immer noch ungewisse - Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Angehörigen eine begünstigte Stellung erwirbt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2003, Zl. 2003/18/0225, mwN).

Auch der Beschwerdehinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin im 7. Monat schwanger sei, führt zu keinem anderen Ergebnis der Interessenabwägung. Abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht dartut, dass die Beschwerdeführerin nicht ohne Gefahr für ihre Gesundheit oder die ihres ungeborenen Kindes Österreich verlassen könne, bestünde bei Vorliegen eines solchen - temporären - Hindernisses für die Ausreise die Möglichkeit, einen Antrag nach § 56 Abs. 2 FrG zu stellen, der bei Vorliegen der in dieser Gesetzesbestimmung normierten Voraussetzungen zu bewilligen wäre.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung - wie im Spruch des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebracht - auch gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, begegnet somit im Ergebnis keinem Einwand.

3. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 8. März 2005

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