VwGH 2004/18/0342

VwGH2004/18/034218.1.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde der D in W, geboren 1971, vertreten durch Dr. Ingrid Weisz, LL. M., Rechtsanwältin in 1080 Wien, Florianigasse 7/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Juli 2004, Zl. SD 821/04, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Juli 2004 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 8. Juni 1998 über Wien-Schwechat nach Österreich eingereist und habe am 17. Juli 1998 unter ihrem Ledigennamen S. einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Dezember 1998 unter gleichzeitiger Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Türkei zulässig sei, abgewiesen worden sei. Das auf Grund einer dagegen eingebrachten Berufung beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Asylverfahren sei schließlich gemäß § 13 Asylgesetz 1997 - AsylG eingestellt und sohin mit 3. Dezember 1998 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden.

Die Beschwerdeführerin, die lediglich im Zeitraum vom 1. September 1998 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt habe, sei in der Folge unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben und habe am 24. März 1999 einen zweiten Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache rechtskräftig zurückgewiesen worden sei.

Dessen ungeachtet sei die Beschwerdeführerin auch in weiterer Folge ihrer Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, nicht nachgekommen und habe am 1. Juni 1999 in Wien einen türkischen Staatsangehörigen geheiratet. Auf Grund ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes sei sie mit Strafverfügung der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) vom 30. April 2004 rechtskräftig bestraft worden.

Fest stehe somit, dass sich die Beschwerdeführerin seit dem rechtskräftigen Abschluss ihres Asylverfahrens - somit seit Dezember 1998 - unrechtmäßig im Bundesgebiet befinde. In einem solchen Fall könnten Fremde gemäß § 33 Abs. 1 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 37 Abs. 1 leg. cit. entgegenstehe.

Auf Grund der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten - dieser befinde sich nach Erhalt einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG rechtmäßig im Bundesgebiet - in Wien lebe, liege ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in ihr Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin in gravierender Weise missachtet worden. Zu ihren Ungunsten falle - abgesehen davon, dass sie sich seit ca. sechs Jahren (bis auf die Dauer von nicht einmal einem Monat) unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte - weiters ins Gewicht, dass sie ihren unrechtmäßigen Aufenthalt trotz einer deswegen erfolgten rechtskräftigen Bestrafung fortgesetzt habe. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten gewesen seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet.

Abgesehen davon, dass die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sei, als die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei, und sie daher nicht damit habe rechnen dürfen, sich mit ihrem Ehegatten im Bundesgebiet niederlassen zu dürfen, könne selbst der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Umstand, wonach ihrem Ehegatten in absehbarer Zeit die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden könnte, keine zusätzliche, über den Stellenwert des inländischen Aufenthalts der Beschwerdeführerin hinausgehende Stärkung ihrer persönlichen und familiären Interessen bewirken. Fest stehe jedenfalls, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin derzeit noch nicht österreichischer Staatsbürger sei.

Der Beschwerdeführerin komme daher die Regelung des § 49 Abs. 1 FrG nicht zugute, könne doch bei einem antragsgebundenen Verwaltungsakt - wie bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft - nicht davon ausgegangen werden, dass vor der Erlassung dieses Verwaltungsaktes die an die mit dem Akt verliehene Rechtsposition anknüpfende rechtliche Regelung - wie etwa jene des § 49 Abs. 1 FrG - zum Tragen komme.

In Anbetracht dessen, dass selbst ein "Zuwarten" im Bundesgebiet - ohne im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu sein - nach der bloßen Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft (diese liege im gegenständlichen Fall im Übrigen nicht vor) eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung darstelle, könne im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten sprechenden Umstände ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden; dies umso weniger, als die Beschwerdeführerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt vor allem im Hinblick auf die Bestimmung des § 14 Abs. 2 FrG rechtens nicht in der Lage sei, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

Vor diesem Hintergrund habe sich die belangte Behörde auch nicht veranlasst gesehen, von Amts wegen eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis für die Beschwerdeführerin bei dem dafür sachlich zuständigen Bundesministerium für Inneres anzuregen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und somit der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bringt indes unter dem Blickwinkel des § 37 Abs. 1 FrG vor, dass dem Ehegatten der Beschwerdeführerin demnächst die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werde, worüber die belangte Behörde ausreichende Ermittlungen hätte führen müssen. Das Unterbleiben solcher Ermittlungen stelle einen Verfahrensmangel dar und sei entscheidungswesentlich, werde doch die Beschwerdeführerin als Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers das Recht haben, im Bundesgebiet eine Niederlassungsbewilligung zu beantragen. Ferner sei die Beschwerdeführerin erst im April 2004 wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden und der seither verstrichene Zeitraum zu kurz, um von einem massiven Fehlverhalten sprechen zu können, zumal die Erstbehörde von Ende 1998 bis April 2004 keinen Anlass gesehen habe, gegen die Beschwerdeführerin vorzugehen. Deren Ausweisung sei daher nicht dringend geboten. Auch habe die belangte Behörde die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehegatten und den Aufbau eines Bekanntenkreises unberücksichtigt gelassen. Weiters hätte berücksichtigt werden müssen, "ob" sie in der Türkei eine Unterkunftsmöglichkeit besitze und in der Lage wäre, die notwendigen Reisekosten aufzubringen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Rahmen ihrer Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde - entgegen der Beschwerdemeinung - die Bindung der Beschwerdeführerin zu ihrem in Wien aufhältigen Ehegatten, dem eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zukommt, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Diesen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet steht das öffentliche Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes gegenüber. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. Oktober 2003, Zl. 2003/18/0225) kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren Aufenthalt in Österreich, der auf dem Boden der insoweit unstrittigen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde jedenfalls seit Dezember 1998, somit bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als fünfeinhalb Jahre unrechtmäßig war, gravierend beeinträchtigt. Dass die Beschwerdeführerin "erst" im April 2004 wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes (rechtskräftig) bestraft wurde, ändert nichts an dem großen Gewicht ihres jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthaltes.

Der behauptete Umstand, dass ihr Ehegatte mit der baldigen Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu rechnen habe, bewirkt keine Stärkung ihrer persönlichen Interessen. Auch ist die Behörde nicht verpflichtet, von fremdenpolizeilichen Maßnahmen Abstand zu nehmen und damit den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden zu dulden, bis der Fremde durch die - vor Abschluss des diesbezüglichen Verfahrens jedenfalls immer noch ungewisse - Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Angehörigen eine begünstigte Stellung erwirbt (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis, mwN).

Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage der Unterkunftsmöglichkeit in der Türkei oder der Kosten der Ausreise stellt keinen für die Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG maßgeblichen Umstand dar. Im Übrigen wird mit der Erlassung der Ausweisung gegen einen Fremden nicht ausgesprochen, dass er in einen bestimmten Staat auszureisen habe oder dass er (allenfalls) dorthin abgeschoben werde.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 FrG der Ausweisung der Beschwerdeführerin nicht entgegenstehe, begegnet daher keinem Einwand.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. Jänner 2005

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