Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat den beschwerdeführenden Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 5. November 1997 erließ die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse einen Bescheid mit folgendem Spruch:
"Die in der Anlage 1 namentlich angeführten Personen unterliegen aufgrund ihrer Beschäftigung als Mitarbeiter im Publikumsdienst beim Dienstgeber Republik Österreich, Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (vormals:
Wissenschaft, Verkehr und Kunst bzw. Wissenschaft, Forschung und Kunst), Österreichischer Bundestheaterverband, Publikumsdienst, 1010 Wien, Goethegasse 1, auch in den ebenfalls in der Anlage 1 angeführten Zeiten der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2, § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG).
Die für die in der Anlage 2 genannten Dienstnehmer erstatteten, und ebenfalls in der Anlage 2 angeführten Anmeldungen und Abmeldungen werden abgelehnt.
Die Anlagen 1 und 2 stellen integrierende Bestandteile des Spruches dieses Bescheides dar.
weitere Rechtsgrundlagen: | § 410 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) |
§ 1155 Abs. 1 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)". |
Über den dagegen gerichteten Einspruch des Österreichischen Bundestheaterverbandes erging folgender Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. März 1999:
"Über den Einspruch des Österreichischen Bundestheaterverbandes gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 5. November 1997, VA-VR 9004769/97, betreffend die Versicherungspflicht mehrerer Beschäftigter zur Republik Österreich, Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (vormals Wissenschaft, Verkehr und Kunst bzw. Wissenschaft, Forschung und Kunst), Österreichischer Bundestheaterverband, wird entschieden wie folgt:
I.) Der Einspruch des Österreichischen Bundestheaterverbandes hinsichtlich der Versicherungspflicht der in der Anlage 1 dieses Bescheides genannten Personen, bezüglich der dort genannten Zeiträume, wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II.) Bezüglich der Versicherungspflicht der in der Anlage 2 genannten Personen, hinsichtlich der dort näher bezeichneten Zeiträume, wird der angefochtene Bescheid gemäß § 417a ASVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Wiener Gebietskrankenkasse zurückverwiesen."
Über die dagegen erhobenen Berufungen entschied die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid folgendermaßen:
"1. Der Berufung der Wiener Gebietskrankenkasse gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, GZ. MA 15-II-Ö 32/98 vom 9.3.1999 betreffend die Versicherungspflicht der Anlage II genannten Personen während der ebendort genannten Zeiträume nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG aufgrund ihrer Beschäftigung als Dienstnehmer des Publikumsdienstes beim Dienstgeber Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und es wird der angefochtene Bescheid bestätigt.
2. Der Berufung der Republik Österreich vertreten durch den Österreichischen Bundestheaterverband, nunmehr Burgtheater GmbH und Wiener Staatsoper GmbH, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, GZ. MA 15-II-Ö 32/98 vom 9.3.99 betreffend die Versicherungspflicht der in Anlage I und Anlage II genannten Personen während der ebendort genannten Zeiträume nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG aufgrund ihrer Beschäftigung als Dienstnehmer des Publikumsdienstes beim Dienstgeber Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband wird soweit sie sich auf die in Anlage I genannten Personen bezieht, gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und es wird der angefochtene Bescheid bestätigt.
Soweit sich diese Berufung auf die Versicherungspflicht der in Anlage II genannten Personen bezieht wird sie als unzulässig zurückgewiesen.
3. Die Anlagen I und II bilden einen Teil des Bescheidspruches."
Am 23. Februar 2005 erging (jedenfalls an den Landeshauptmann von Wien, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und offenbar auch an die beschwerdeführenden Parteien) folgendes Schreiben der belangten Behörde:
" Betreff: Österreichischer Bundestheaterverband, Bescheid 122.304/2-3/05 und Bescheid 122.304/3- 3/05
Sehr geehrte Damen und Herren!
Hiermit wird Ihnen mitgeteilt, dass bei der Abfertigung der Bescheide 122.304/2-3/05 und 122.304/3-3/05 bezüglich der Pflichtversicherung mehrerer Dienstnehmer beim Dienstgeber Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband die dazugehörigen Anlagen vertauscht worden sind.
Anbei befinden sich die nunmehr korrigierten Beilagen."
Die beschwerdeführenden Parteien erhoben gegen den angefochtenen Bescheid zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 7. Juni 2005, Zl. B 370/05-3, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde begehren die beschwerdeführenden Parteien die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete ebenfalls eine Gegenschrift. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt nahm von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich Abstand. Die beschwerdeführenden Parteien replizierten auf die Gegenschrift der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Die übrigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist auf die Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Parteien einzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 98/08/0397, Folgendes ausgeführt:
"Mit Erlass des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 10. Mai 1971, Zl. A.E. 984-Präs./71, wurde die Bundestheaterverwaltung mit Wirkung vom 1. Juli 1971 in den Österreichischen Bundestheaterverband umgewandelt. Mit Erlass vom 9. Oktober 1992, Zl 1863/92, legte der Bundesminister für Unterricht und Kunst unter Hinweis auf § 7 Abs. 1, 2 und 5 und § 10 BMG einen Organisationsplan und eine Geschäftsordnung für das Generalsekretariat fest. Der Österreichische Bundestheaterverband war in dieser Organisationsform als unselbstständiges Eigenunternehmen des Bundes anzusehen, das sowohl personell als auch funktionell in die Verwaltung der Trägergebietskörperschaft Bund und dort in das Bundesministerium für Unterricht und Kunst integriert gewesen ist. Er wurde zwar 'in eigener Regie' geführt, die Organe der Unternehmensleitung unterlagen jedoch dem unbeschränkten Weisungsrecht der Trägergebietskörperschaft. Daran änderte die de facto weit gehende Autonomie der Geschäftsführung nichts (vgl. zur Organisation des Bundestheaterverbandes das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14.085/1995 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).
Mit dem mit seiner Kundmachung am 4. August 1998 in Kraft getretenen Bundestheaterorganisationsgesetz, BGBl. I Nr. 108/1998, wurde das dem Bund zuzurechnende, im Rahmen der Organisationseinheit Bundestheaterverband verwaltete Vermögen der Bundestheater auf mehrere neu zu errichtende Gesellschaften aufgeteilt (zu diesen vgl. § 2 dieses Gesetzes; zur Aufgabenverteilung dieser Gesellschaften untereinander vgl. § 4 leg. cit).
§ 5 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:
'§ 5. (1) Sofern im Abs. 2 nichts anderes geregelt ist, geht das bisher im Eigentum des Bundes stehende und vom Bundestheaterverband oder von den im § 3 Abs. 1, Einleitungssatz, angeführten Bühnen jeweils verwaltete Vermögen, das zur Wahrnehmung der Aufgaben erforderlich ist und von diesen Einrichtungen überwiegend genutzt wurde, einschließlich aller zugehörenden Rechte, Forderungen und Schulden mit der Eintragung der jeweiligen Gesellschaft in das Firmenbuch, frühestens jedoch mit 1. September 1999, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge entsprechend der Aufgabenverteilung gemäß § 4 in das Eigentum der jeweiligen Gesellschaft über. Die Gesamtrechtsnachfolge ist im Firmenbuch einzutragen.'
Für Beamte der Bundestheater wurde in § 17 leg. cit. das 'Amt der Bundestheater' eingerichtet, wobei Beamte 'ab dem Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge' dieser Dienststelle angehören (§ 17 Abs. 2 leg. cit). Vertraglich Bedienstete wurden ab dem Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge entsprechend ihrer Verwendung und Aufgabenverteilung gem. § 4 Arbeitnehmer der jeweiligen Gesellschaft (§ 18 leg. cit.).
Im Beschwerdefall geht es um die Versicherungspflicht in Zeiträumen bis 1992, also vor der erwähnten Organisationsänderung, während derer ausschließlich der Bund als Dienstgeber iSd § 35 ASVG in Betracht kam. Die Frage, ob der angefochtene Bescheid in Folge einer während des Beschwerdeverfahrens eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge auch Grundlage für eine gegen ein Nachfolgeunternehmen der Bundestheaterverwaltung erhobene Beitragsforderung sein kann, ist für die Beschwerdelegitimation des Bundes ohne Bedeutung. Der Umstand, dass die in Vertretung des Bundes (der im angefochtenen Bescheid ebenso wie in der Beschwerde fälschlich als 'Republik Österreich' bezeichnet wird) bei der Einbringung einschreitende, damals unselbstständige Organisationseinheit 'Bundestheaterverwaltung' mittlerweile aufgehört hat, zu existieren, ändert weder etwas an der Beschwerdelegitimation des Bundes noch an der Gültigkeit der dem einschreitenden Beschwerdevertreter (durch die seinerzeitige Bundestheaterverwaltung) namens des Bundes (als einzigem mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Zurechnungssubjekt) erteilte und nach der Aktenlage des Verwaltungsgerichtshofes diesem gegenüber nicht widerrufene Vollmacht."
Die zuvor genannte Bestimmung des § 5 Abs. 1 Bundestheaterorganisationsgesetz führt dazu, dass auch im vorliegenden Fall, in welchem der Bund (auch hier unzutreffend als "Republik Österreich" bezeichnet) als Dienstgeber festgestellt wurde und die beschwerdeführenden Parteien in das Verwaltungsverfahren betreffend die gegenständlichen Versicherungspflichten an der Stelle des Bundes eingetreten sind, diese auch zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde berechtigt waren. Bei der Versicherungspflicht von Dienstnehmern geht es nämlich um Rechte, Forderungen und gegebenenfalls Schulden im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung.
Die beschwerdeführenden Parteien bringen u.a. vor, dass die Anlagen, die im Bescheidspruch genannt werden, vertauscht wurden. Der Versuch der Sanierung mit dem "Brief" der belangten Behörde vom 23. Februar 2005 sei "rechtlich verfehlt".
Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Die belangte Behörde legt in ihrer Gegenschrift dar, es sei richtig, dass die Anlagen beim Kopieren vertauscht worden seien. Dies sei aber mit dem Schreiben vom 23. Februar 2005, das an beide beschwerdeführende Parteien ergangen sei, richtig gestellt worden. Somit seien die korrekten Anlagen übermittelt worden.
Im vorliegenden Fall geht es um Dienstverhältnisse zum Bund. Ob ein die Pflichtversicherung auslösendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist immer nur in Bezug auf eine andere Person, nämlich den Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, zu prüfen. Damit ist auch der Rahmen des Abspruches eines über die Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 2 ASVG erkennenden Bescheides in dieser Hinsicht abgesteckt (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Dezember 2001, Zl. 98/08/0405). Ebenso unabdingbar muss aber in einem Bescheid über die Pflichtversicherung ausgesprochen werden, welche konkrete Person jeweils als Dienstnehmer im Rahmen eines die Pflichtversicherung auslösenden Beschäftigungsverhältnisses tätig (gewesen) ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2005, Zl. 2002/08/0273).
Essenziell ist im vorliegenden Fall also der bescheidmäßige Abspruch darüber, dass bestimmte, in den Anlagen genannte Personen auf Grund ihrer Beschäftigung beim Bund als Dienstgeber während bestimmter Zeiträume der Versicherungspflicht unterlegen sind. Wurden diese Anlagen vertauscht, dann hat die belangte Behörde das Bestehen von Versicherungsverhältnissen unzutreffend festgestellt.
Mit der Zustellung des letztinstanzlichen Bescheides der belangten Behörde lag ein rechtskräftiger Abspruch vor, der mit einem formlosen Schreiben nicht korrigiert werden konnte. Ein derartiger Mangel hätte im Übrigen auch durch einen bloßen Berichtigungsbescheid im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG nicht behoben werden können, da nach dem Bescheidspruch ein eindeutiger Behördenwille zum Ausdruck gelangte, der allerdings, wie die belangte Behörde selbst einräumt, verfehlt war. Berichtigt könnte allenfalls eine unrichtige Namensbezeichnung eindeutig identifizierbarer Personen werden (vgl. z.B. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 788 unter Z 28c und S. 790 unter Z 44 wiedergegebene hg. Rechtsprechung), die aber hier nicht vorliegt. Das Versehen des Vertauschens der Anlagen kann auch nicht als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG beurteilt werden, sodass eine Berichtigung möglich gewesen wäre (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 1127f unter E 180ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. November 2005
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