VwGH 2005/04/0001

VwGH2005/04/000113.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerden 1. des Bundes (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), vertreten durch Fink & Sundström, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 1010 Wien, Schreyvogelgasse 3 (hg. Zl. 2005/04/0001) und 2. der Bietergemeinschaft bestehend aus A GmbH, B GmbH und E GmbH, alle in H, vertreten durch Saxinger, Chalupsky, Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7 (hg. Zl. 2005/04/0009), gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 24. November 2004, 6N-92/04-39, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Partei: Bietergemeinschaft bestehend aus B Bau GmbH in M und L GmbH in L, vertreten durch Doralt, Seist, Csoklich, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4), zu Recht erkannt:

Normen

BVergG 2002 §20 Abs1;
BVergG 2002 §20 Z1;
BVergG 2002 §20 Z41;
BVergG 2002 §20 Z42;
BVergG 2002 §39;
BVergG 2002 §61 Abs1;
BVergG 2002 §69 Abs1;
BVergG 2002 §69 Abs2;
BVergG 2002 §98 Z3;
BVergG 2002 §98 Z8;
BVergG 2002 §99;
VVG §4 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
BVergG 2002 §20 Abs1;
BVergG 2002 §20 Z1;
BVergG 2002 §20 Z41;
BVergG 2002 §20 Z42;
BVergG 2002 §39;
BVergG 2002 §61 Abs1;
BVergG 2002 §69 Abs1;
BVergG 2002 §69 Abs2;
BVergG 2002 §98 Z3;
BVergG 2002 §98 Z8;
BVergG 2002 §99;
VVG §4 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Aufwandersatzbegehren des Erstbeschwerdeführers und das Mehrbegehren der Zweitbeschwerdeführerin werden abgewiesen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 24. November 2004 hat das Bundesvergabeamt die Entscheidung des Erstbeschwerdeführers im Vergabeverfahren "Räumung des 'Recycling Point B' - Leistungen für Transport und Entsorgung" den Zuschlag der Zweitbeschwerdeführerin erteilen zu wollen, für nichtig erklärt.

Diesen Bescheid hat die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Auftraggeber habe mit Bekanntmachung vom 3. Juni 2004 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zur Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren eingeladen. Das Verfahren sei als nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung für eine prioritäre Dienstleistung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben worden.

Die mitbeteiligte Partei habe ihren Nachprüfungsantrag damit begründet, dass das für die Zuschlagserteilung in Aussicht genommene Angebot der Zweitbeschwerdeführerin hätte ausgeschieden werden müssen. Die Zweitbeschwerdeführerin hätte zwei nach der Ausschreibung nicht zulässige wirtschaftlich-rechtliche Alternativangebote abgegeben. Die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten des Alternativangebots B. wäre daher rechtswidrig. Im Übrigen hätten die Ausschreibungsunterlagen keine Mindestanforderungen für Alternativangebote festgelegt. Das Alternativangebot B. enthielte eine spekulative Preisgestaltung. Eine vertiefte Angebotsprüfung wäre nicht durchgeführt worden.

Weiters habe die Mitbeteiligte im Verfahren vorgebracht, dass sie entgegen dem Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin über die technische Leistungsfähigkeit für die Behandlung der gegenständlichen Abfälle verfügen würde. Überdies könnte sie über alle Ressourcen der L AG verfügen.

Der Erstbeschwerdeführer (Auftraggeber) habe vorgebracht, dass es sich beim Alternativangebot B. der Zweitbeschwerdeführerin nicht um ein Alternativangebot im eigentlichen Sinn gehandelt hätte, weil keine abweichende Leistung angeboten worden sei, sondern nur (durch das Angebot eines Pauschalpreises) das Mengenrisiko anders verteilt worden wäre.

Weiters habe der Erstbeschwerdeführer die Antragslegitimation der Mitbeteiligten bestritten, weil eine der in deren Entsorgungskonzept vorgesehene Anlage über keinen behördlichen Konsens für die Behandlung von Abfällen der Schlüsselnummer 91103 verfügen würde und die spätestens im Zeitpunkt der Angebotsabgabe erforderlich gewesenen Notifizierungen nicht vorgelegt worden wären. Weiters sei offenkundig, dass die Abfälle mit der Schlüsselnummer 91103 einer thermischen Behandlung bedürften; die Mitbeteiligte würde jedoch über keine Anlage zur thermischen Behandlung von Abfällen verfügen.

Die Zweitbeschwerdeführerin habe vorgebracht, dass bei richtiger Interpretation sämtlicher Ausschreibungsunterlagen hervorgehe, dass auch nicht-technische Alternativangebote zulässig gewesen wären. Im Übrigen wäre der Antrag der Mitbeteiligten unzulässig, weil diese nicht über die erforderlichen Behandlungskapazitäten verfügen würde.

Folgender Sachverhalt werde festgestellt:

In der Vergabebekanntmachung sei im Abschnitt VI. "Andere Informationen" im Unterpunkt 4. "Sonstige Informationen" vorgesehen gewesen, dass technische, nicht aber kaufmännischrechtliche Alternativangebote zugelassen würden, weil es sich um eine Ersatzvornahme im Sinn des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 - VVG handle.

In den Unterlagen zum Teilnahmeantrag in der ersten Stufe des Vergabeverfahrens sei u.a. Folgendes festgehalten worden:

"A.2 Leistungsumfang

Die durchzuführenden Leistungen umfassen die

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist auszuführen, dass die Zweitbeschwerdeführerin als in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin - entgegen der Meinung der belangten Behörde in der Gegenschrift - durch den angefochtenen Bescheid im geltend gemachten Recht auf gesetzmäßige Zuschlagsentscheidung und Erteilung des Zuschlags verletzt sein kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. März 2005, Zl. 2003/04/0199).

Gemäß § 20 Z. 1 BVergG ist ein Alternativangebot ein Angebot über einen alternativen Leistungsvorschlag des Bieters.

Ein Alternativangebot bedeutet ein Abweichen des Bieters von den Vorgaben in der Ausschreibung in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht. Die Abweichungen zur Ausschreibung können etwa alternative Leistungen, Zahlungsmodalitäten oder sonstige Konditionen betreffen (vgl. Schramm/Öhler in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum BVergG 2002 (2005) S. 364 Rz 2 zu § 20).

Die Zweitbeschwerdeführerin hat ein Hauptangebot und zwei - von ihr so bezeichnete - Alternativangebote gelegt. Im Hauptangebot hat sie entsprechend der Ausschreibung für die vom Erstbeschwerdeführer als für am wahrscheinlichsten gehaltenen Abfallmengen (Grundmengenstaffel) bestimmte Preise je Tonne für die einzelnen Abfallarten geboten. Ebenso für die Mindermengenstaffel und für die beiden Mehrmengenstaffeln. Dabei handelt es sich um einen Einheitspreis gemäß § 61 Abs. 1 BVergG.

Das Alternativangebot B der Zweitbeschwerdeführerin enthält demgegenüber einen Pauschalpreis, also eine andere der in § 61 Abs. 1 BVergG genannten Preisarten. Beim Angebot eines Pauschalpreises anstelle des ausgeschriebenen Einheitspreises handelt es sich - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - um ein Alternativangebot (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2002, Zl. 2001/04/0041, wonach die Ausschreibung mehrerer Preisarten - darunter ein Pauschalpreis - als Varianten zulässig ist).

Das - von der belangten Behörde als zweites Hauptangebot qualifizierte - Alternativangebot A der Zweitbeschwerdeführerin unterscheidet sich dadurch vom Hauptangebot, dass für die Mehrmengenstaffeln jeweils ein Preis von nur EUR 1,-- pro Tonne angeboten wurde. Damit hat die Zweitbeschwerdeführerin für den Fall, dass eine höhere als die vom Erstbeschwerdeführer als wahrscheinlich angesehene Abfallmenge zu entsorgen ist, einen - offensichtlich nicht kostendeckenden - niedrigen Preis angeboten. Die Zweitbeschwerdeführerin hat also damit spekuliert, dass die tatsächlich zu entsorgenden Abfallmengen nicht höher sein werden als die vom Erstbeschwerdeführer ermittelte Grundmengenstaffel. Dieses Angebot wurde vom Erstbeschwerdeführer daher zu Recht wegen spekulativer Preisgestaltung ausgeschieden. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass in einem derartigen Fall die Nicht-Ausscheidung des von der belangten Behörde als ausschreibungskonform beurteilten Hauptangebotes der Zweitbeschwerdeführerin - und damit gemäß § 69 Abs. 1 zweiter Satz BVergG auch des für die Zuschlagserteilung in Aussicht genommene Alternativangebotes B - gegen das Wettbewerbsprinzip verstoßen würde.

Zur Frage der Zulässigkeit von Alternativangeboten ergibt sich aus den insofern unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem Akteninhalt Folgendes:

In der Bekanntmachung der gegenständlichen Vergabe ist unter Punkt II.1.10 zunächst festgehalten:

"Nebenangebote/Alternativvorschläge werden berücksichtigt: Ja."

Die Unterlagen zum Teilnahmeantrag (erste Stufe des Vergabeverfahrens) und die Ausschreibungsunterlagen (zweite Stufe des Vergabeverfahrens) halten jeweils unter Punkt C.4 fest:

"Zulässigkeit von Alternativangeboten: Alternativangebote sind unter Einhaltung der Musskriterien gemäß B.5 zulässig". Der Punkt B.5 lautet jeweils:

"B.5 Musskriterien

Die 'Musskriterien' enthalten jene Leistungsfunktionen, welche in jedem Fall einzuhalten sind (auch bei etwaigen Alternativangeboten). Diese sind:

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