Normen
ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §68 Abs1;
BAO §80 Abs1;
VStG §9;
VwRallg;
ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §68 Abs1;
BAO §80 Abs1;
VStG §9;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer der S. GmbH zur Zahlung von rückständigen, bei der Gesellschaft uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 5.962,66 samt Verzugszinsen.
Der Beschwerdeführer sei seit 4. November 1994 im Firmenbuch des Landesgerichtes Klagenfurt zusammen mit drei anderen Geschäftsführern als Geschäftsführer der S. GmbH eingetragen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. März 1996 sei der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der S. GmbH mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe mit Bescheid vom 29. Oktober 1997 festgestellt, dass der Beschwerdeführer für die auf dem Beitragskonto (der Gesellschaft) rückständigen Beiträge von Juni 1995 bis September 1995, Nachverrechnung Oktober 1995 bis Dezember 1995 zuzüglich Verzugszinsen, Beitragszuschlag und Nebengebühren im Betrag von insgesamt S 186.727,14 hafte. Im Einspruchsverfahren habe die Gebietskrankenkasse auf die geänderte Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht genommen und den Haftungsbetrag auf die restlichen einbehaltenen Dienstnehmerbeitragsanteile im Haftungszeitraum von Juni 1995 bis September 1995 in der Höhe von EUR 781,22 sowie auf restliche Beiträge infolge von Melde- und Auskunftspflichtverletzungen in der Höhe von EUR 3.076,29 zuzüglich Verzugszinsen in der Höhe von EUR 2.105,15 eingeschränkt. Die Einwendung des Beschwerdeführers, er sei von den anderen Geschäftsführern ohne Kenntnis des wahren Sachverhaltes überredet worden, die Geschäftsführerfunktion zu übernehmen, und er habe diese gar nicht ausgeübt, würden ins Leere gehen. Es wäre Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, sich Kenntnis über die tatsächlichen Vorgänge zu verschaffen. Auf die Frage, ob die S. GmbH im verfahrensgegenständlichen Zeitraum noch über Mittel verfügt bzw. an andere Gläubiger Zahlungen geleistet habe, müsse infolge der geänderten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr eingegangen werden. Verjährung sei nicht eingetreten. Die Gebietskrankenkasse habe den Haftungsbescheid nach der Fälligkeit der Beiträge für den Haftungszeitraum Juni 1995 bis September 1995 am 29. Oktober 1997 innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erlassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält seinen bereits im Einspruchsverfahren erhobenen Einwand aufrecht, dass mangels Bezeichnung der bescheiderlassenden Behörde die erstinstanzliche Erledigung vom 29. Oktober 1997 kein wirksamer Bescheid sei. Wie sich aber aus der im Akt erliegenden Kopie dieses Schriftstückes ergibt, enthält es im Kopf die Bezeichnung "Beitragseinbringung - Kärntner Gebietskrankenkasse", sodass ihm im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG eindeutig zu entnehmen ist, welche Behörde den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat.
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, Slg.Nr. 15528A, hat der Verwaltungsgerichtshof in Abänderung seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung nunmehr die Auffassung vertreten, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne dieser Gesetzesstelle in Ermangelung weiterer, in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierten Pflichten des Geschäftsführers im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG iVm § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Zu Recht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob und in welchem Umfang die Geschäftsführer der S. GmbH konkret aus Gesellschaftsmitteln Löhne und Gehälter ausbezahlt und damit Dienstnehmeranteile einbehalten haben bzw. ob die Uneinbringlichkeit von Beitragsschuldigkeiten auf Meldepflichtverletzungen zurückzuführen war. Die belangte Behörde hat zwar ganz allgemein darauf hingewiesen, dass es sich um eine Haftung des Beschwerdeführers wegen (vorsätzlich) einbehaltener, aber nicht abgeführter Dienstnehmeranteile bzw. wegen schuldhafter Meldepflichtverletzungen handeln würde, sie hat jedoch keine näheren Feststellungen darüber getroffen, welche Umstände der Beschwerdeführer als Vertreter des S. GmbH zu welchem Zeitpunkt im Sinne des §§ 33 ff ASVG hätte melden müssen und nicht gemeldet hat sowie welche Sozialversicherungsbeiträge der Beschwerdeführer bei der Lohn- oder Gehaltsauszahlung einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten hat bzw. um welche vom Dienstgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge die Löhne und Gehälter bei der Auszahlung von Nettolöhnen gekürzt worden sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. August 2004, Zl. 2004/08/0063, und vom 20. Oktober 2004, Zl. 2001/08/0155). Dazu kommt, dass seit dem zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000 klargestellt ist, dass eine Haftung für Beitragszuschläge und für Zinsen nicht in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. August 2004, Zl. 2002/08/0145).
Aus verfahrensökonomischen Gründen sei noch darauf hingewiesen, dass die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen wird, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Der die "rückständigen Beiträge von Juni 1995 bis September 1995, Nachverrechnung Oktober 1995 bis Dezember 1995" betreffende Haftungsbescheid der Gebietskrankenkasse vom 29. Oktober 1997 war jedenfalls eine Maßnahme, die zur Unterbrechung des Laufs der gemäß § 68 Abs. 1 ASVG drei- bzw. fünfjährigen Verjährungsfrist gegenüber dem Beschwerdeführer geführt hat. Während des gesamten, sich daran anschließenden, der Feststellung der Haftung des Beschwerdeführers dienenden Verfahrens einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, konnte die Verjährungsfrist nicht neuerlich zu laufen beginnen, weil die Unterbrechungswirkung fortdauerte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/08/0209). Verfehlt ist daher die Ansicht des Beschwerdeführers, die Haftung für Beiträge sei verjährt, weil "allein die Stellungnahme der Kärntner Gebietskrankenkasse vom 01.07.2002 annähernd fünf Jahre nach dem Einspruch des Beschwerdeführers erfolgte." Der Haftungsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 29. Oktober 1997 betraf die "rückständigen Beiträge von Juni 1995 bis September 1995, Nachverrechnung Oktober 1995 bis Dezember 1995".
Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Stempelgebührenersatz war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen. Wien, am 7. September 2005
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