VwGH 2003/05/0180

VwGH2003/05/018031.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Roman Wenzl in St. Pölten, vertreten durch Dr. Karl Trindorfer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Hauptplatz 15/II, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. September 2003, Zl. RU1-V-03019/01, betreffend Erteilung eines Bauauftrages und Parteistellung in einem Bauauftragsverfahren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Neidling, vertreten durch Krömer & Nusterer Rechtsanwälte Partnerschaft in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauRallg;
AVG §38;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Februar 2003 abgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 19. September 2000 stellten der Beschwerdeführer (sowie Frau G.W.) einen "Antrag auf Anordnung gemäß § 35 Abs 2 Z 3 NÖ BauO 1996" und einen "Antrag auf bescheidmäßige Zuerkenntnis der Parteistellung im baupolizeilichen Verfahren gemäß §§ 6, 32, 33, 34, 35 NÖ BauO 1996". Die Antragsteller seien Nachbarn einer näher bezeichneten Liegenschaft in der mitbeteiligten Gemeinde. R., dem Eigentümer dieser Liegenschaft, sei mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Februar 1995 aufgetragen worden, vorgenommene Aufschüttungen abzutragen bzw. die bereits ausgeführten Abgrabungen wieder aufzufüllen und "den ursprünglichen Geländeverhältnissen zu entsprechen". Dies sei nicht geschehen. R. habe vielmehr die durchgeführten Aufschüttungen und Abgrabungen soweit erweitert, dass nunmehr das Höhenniveau teilweise sogar bereits über 3 m über dem ursprünglichen Gelände bestehe. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juni 1993 sei R. untersagt worden, einen näher bezeichneten Hohlweg aufzufüllen. Diesem Verbot sei R. nicht nachgekommen, habe die Auffüllung betrieben und den Hohlweg rechtswidrig und gegen jede behördliche Anordnung betoniert. R. habe sich ferner dem bescheidmäßigen Verbot des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Februar 1995, weitere Bauführungen nicht genehmigter Objekte vorzunehmen, widersetzt und eine Stahlbetonmauer gebaut, welche widmungswidrig sei und sich gegen jede behördliche Anordnung weiterhin auf dem Grund befinde. Ferner sei R. mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Februar 1995 die Errichtung eines Biotops untersagt worden, da dieses der Flächenwidmung widerspreche. Es gebe keine gültige Baubewilligung für ein Biotop. Tatsächlich sei aber ein erstes Biotop errichtet worden und bestehen geblieben. R. habe weiters unter Ausnützung der oben genannten rechtswidrigen Aufschüttungen und der Stahlbetonmauer ein ca. 28 x 14 m großes "Schwimm-Biotop" errichtet, das ständig bis zum Rand mit Wasser gefüllt sei. Dieser Bau wäre jedenfalls auf Grund der 50 m3 übersteigenden Größe und der von der gewaltigen Wassermasse am Hang ausgehenden Gefahr bewilligungspflichtig, da durch die ernorme Größe (ca. 600.000 l Wasser) höchste Gefahr für die Anrainer drohe, weil das nur auf einfachem Schuttmaterial und nur durch Aufschüttung nicht besser befestigte "Schwimm-Biotop" zu Hangabrutschungen führen könne. Diese Hangabrutschungen würden im höchsten Maße die Pferdekoppeln der Antragsteller und die gesamte Liegenschaft bedrohen. Daher würden auch subjektiv öffentliche Rechte gemäß § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 hinsichtlich der Gefahrabwendung, nämlich im Zusammenhang mit der Standfestigkeit und Trockenheit der baulichen Anlage, berührt. Da das Wasserumwälzsystem nur für 80.000 l geeignet sei, werde R. nicht auf die Verwendung chemischer Hilfsmittel verzichten können. Es drohe, da das Überwasser dieses mit chemischen Hilfsstoffen angereicherten Wassers rechtswidrig auf das Grundstück der Antragsteller abgeleitet werde, das Entstehen "saurer Wiesen" auf deren Grundstück. Die enorme Wasseroberfläche stelle auch eine optimale Brutstätte für Gelsen, Bremsen und sonstiges Ungeziefer dar. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Februar 1995 sei R. auch ausdrücklich die Ableitung von Oberflächenwässern auf die Nachbargrundstücke untersagt worden. R. leite aber mittels eines Überlaufrohrs das Oberflächenwasser ab, da sein Biotop über keinerlei natürliche Abflussmöglichkeiten verfüge, und zwar auf ein Hanggrundstück, sodass keine Versickerung auf Eigengrund stattfinde, sondern auf dem Grundstück der Antragsteller. Durch die permanente "Bewässerung" mit den Abwässern drohe eine Hangabrutschung, weshalb die Liegenschaft der Antragsteller im höchsten Maße gefährdet sei.

Mit Schreiben vom 14. November 2001 stellten der Beschwerdeführer und Frau G.W. einen Devolutionsantrag an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde, da über die Anträge vom 19. September 2000 noch nicht entschieden worden sei, und mit Schreiben vom 27. Mai 2002 einen solchen an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde. Mit an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde gerichtetem Schreiben vom 15. Jänner 2003 wurde u.a. der Devolutionsantrag vom 27. Mai 2002 durch den Beschwerdeführer "dahin berichtigt", dass lediglich er als Devolutionswerber auftrete, da seine Ehefrau G.W. in diesem Bereich nicht Liegenschafts-Miteigentümerin sei.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Februar 2003 wurde der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 27. Mai 2002 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, der Beschwerdeführer habe sich "praktisch durchgehend" auf den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Februar 1995 berufen, mit dessen Punkt c) R. verschiedene baubehördliche Aufträge erteilt worden seien. Punkt c) sei in Rechtskraft erwachsen. Es sei nicht vorgesehen, bei identem Sachverhalt wiederholt Abbruchaufträge zu erteilen. Der Bescheid sei allenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung umzusetzen, was aber nicht die "(nachbarrechtliche) Rechtsposition" des Beschwerdeführers betreffe. Dasselbe gelte für die vom Beschwerdeführer reklamierte angebliche Auffüllung eines Hohlwegs. Sofern die Ausführungen des Beschwerdeführers über den entsprechenden Punkt des Bescheides vom 22. Februar 1995 hinausgingen, vermöge der Beschwerdeführer in keiner Weise dazulegen, dass er durch die Bauwerke des R. oder durch deren Benützung in den in § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt wäre. Dem Aktenbestand der mitbeteiligten Gemeinde sei zu entnehmen, dass sich auf dem Grundstück des Beschwerdeführers ausschließlich ein naturschützbehördlich zur Kenntnis genommener Unterstand für Pferde befinde. Dieses Bauwerk sei von den von den Anträgen betroffenen Grundstücksteilen etwa 70 m entfernt. Die angeführten Bauwerke lägen auch nicht unterhalb des Biotops. Einwirkungen im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 1 NÖ BauO 1996 auf die Bauwerke des Beschwerdeführers seien daher denkunmöglich und in dieser Form auch nicht behauptet worden. Ebenso wenig seien Immissionen nach § 6 Abs. 2 Z 2 NÖ BauO 1996 denkbar und auch nicht vorgebracht worden, wobei ergänzend auszuführen sei, dass es sich bei dem Gebäude des R. samt Nebenanlagen um ein solches zu Wohnzwecken handle. Im Übrigen berufe sich der Beschwerdeführer wiederholt auf solche (angeblichen) Immissionen, die nicht in die Zuständigkeit der Baubehörde fielen. Auch führe der Beschwerdeführer nicht an, dass die in seinem Antrag bezogenen Sachverhalte (auch nur theoretisch) Auswirkungen auf die zulässigen Gebäude des Nachbarn im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 3 NÖ BauO 1996 hätten. Ein Nachbar habe nach den Bestimmungen der NÖ BauO "schon theoretisch" nur dann ein Antragsrecht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, wenn er durch die Bauführung in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden sei, was schon nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht der Fall sei. Da es daher teilweise um die Umsetzung eines schon rechtskräftigen baupolizeilichen Auftrages und andererseits um Umstände gehe, die subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers in keiner Weise tangierten, sei der Devolutionsantrag zurückzuweisen gewesen. Mangels Parteistellung stehe dem Beschwerdeführer auch kein Recht zu, einen Antrag im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG zu stellen, da eine Entscheidungspflicht nur gegenüber einer Partei bestehe.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung legte der Beschwerdeführer im Wesentlichen dar, es bestehe die ständige Gefahr, dass durch sickerndes Wasser bzw. im Falle eines Dammbruches das angrenzende Grundstück in Mitleidenschaft gezogen werde, wobei die Abflussrichtung in diesen Fällen genau in Richtung seines angrenzenden Grundstückes gehe. Schon bei stärkeren Niederschlägen gehe der Schwimmteich oft über, und das abfließende Wasser rinne von dort auf das Grundstück des Beschwerdeführers. Die Unterstandshütte liege in einer Entfernung von ca. 50 bis 60 m zum Schwimmteich, zur Grundgrenze selbst allerdings nur von 4 bis 5 m. Im Hinblick darauf, dass sowohl der Pferdeunterstand als auch der davor befindliche Platz eben angelegt seien, verteile sich das Wasser von der Böschung und vom Schwimmteich auf das Grundstück des Beschwerdeführers, verbleibe dort längere Zeit bis zur natürlichen Verdunstung bzw. Versickerung in großflächigen Lacken und beeinträchtige selbstverständlich die Benützung des dem Beschwerdeführer gehörenden Grundstückes und insbesondere des Pferdeunterstandes. Die vor dem Unterstand befindliche Fläche werde ausschließlich als Dressur- und Pferdeausbildungsplatz verwendet. Deren Benützung sei bei aufgeweichtem Boden bzw. bei großen dort befindlichen Pfützen, die vom Abfließen des Schwimmteiches stammten, sehr beeinträchtigt. Abgesehen von der Entwertung des Grundstückes des Beschwerdeführers und der Fliegen- und Gelsenplage sei auch durch die ständige Ausleuchtung des Schwimmteiches eine weitere Immission für das Grundstück des Beschwerdeführers gegeben, die Lichtwirkungen würden weit auf sein Grundstück reichen. Da der Schwimmteich auf künstlich angelegtem Erdreich errichtet worden sei, wäre ferner die Standfestigkeit seiner Seitenwände massiv beeinträchtigt und bestehe die ständige Gefahr eines Dammbruches. Der Beschwerdeführer verwies ausdrücklich darauf, dass er als Nachbar einen Rechtsanspruch auf die ungestörte Standfestigkeit eines Bauwerkes habe, die aber - wie hier - durch die ständigen Aufweichungen des Bodens beeinträchtigt werde. Dasselbe gelte auch hinsichtlich des Anspruches des Beschwerdeführers auf Erhaltung der Trockenheit des Dressurplatzes und des daran anschließenden Pferdeunterstandes. Im Übrigen dürfte im Grünland ein derartiges Bauvorhaben, nämlich diese ausschließlich für Badezwecke dienende Anlage, in diesem Ausmaß überhaupt nicht bewilligt und errichtet werden. Als Nachbar habe der Beschwerdeführer das subjektivöffentliche Recht, dass Grundflächen nur widmungsgemäß verwendet werden. Der Badeteich stehe aber in keinem Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers insoweit Folge gegeben, als mit dem Bescheid des Gemeinderates vom 19. Februar 2003 der Devolutionsantrag auch hinsichtlich des Antrages auf Zuerkennung der Parteistellung zurückgewiesen worden ist. Diesbezüglich wurde der Bescheid des Gemeinderates vom 19. Februar 2003 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen. Im Übrigen wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, der Nachbar habe einen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung eines Antrages auf Erteilung eines Abtragungsauftrages nur dann, wenn durch den vorschriftswidrig errichteten Bau die vom Nachbarn in seinem Antrag geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt werden. Das Begehren des Beschwerdeführers habe sich zunächst auf die Anordnung der Entfernung diverser konsensloser bzw. konsenswidriger baulicher Maßnahmen bezogen. Damit verbunden habe er Gefährdungen auf Grund eines möglichen Wasseraustrittes gesehen sowie belästigende Auswirkungen auf seine Liegenschaft bzw. die darauf befindlichen Bauwerke. Nachbarn hätten auf Grund des § 6 Abs. 2 Z 1 NÖ BauO 1996 ein Recht auf Gewährleistung der Standsicherheit, Trockenheit und des Brandschutzes aber nur hinsichtlich ihrer bestehenden und baubehördlich bewilligten bzw. angezeigten Bauwerke, und ein Schutz gegen Immissionen gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 NÖ BauO komme ihnen nur hinsichtlich solcher zu, die in § 48 NÖ BauO explizit aufgelistet seien (Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung). Den Aktenunterlagen bzw. Informationen der Gemeinde zufolge existiere auf der Nachbarparzelle des Beschwerdeführers eine Pferdekoppel sowie eine Unterstandshütte für Pferde, die im April 1978 zwar naturschutzbehördlich angezeigt worden seien, für die - vor allem für die Hütte - eine auch damals erforderliche baubehördliche Bewilligung, also ein Baubewilligungsbescheid, allerdings nicht vorläge. Auf Grund dieser offensichtlichen Konsenslosigkeit insbesondere des Gebäudes hätte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde bezüglich des Grundstückes des Beschwerdeführers die nach § 35 Abs. 2 Z 3 NÖ BauO 1996 notwendigen baupolizeilichen Maßnahmen zu treffen. Hinsichtlich des Antrages auf Erlassung einer die Bauwerke des R. betreffenden Anordnung nach § 35 Abs. 2 Z 3 NÖ BauO liege also keine Entscheidungspflicht der Behörde vor, weshalb der Gemeinderat den Devolutionsantrag - soweit er dieses Begehren umfasst habe - zutreffend als unzulässig zurückgewiesen habe. Hinsichtlich des zweiten Antrages, nämlich jenes auf Zuerkennung der Parteistellung im baupolizeilichen Verfahren, legte die belangte Behörde dar, jede Partei eines Verwaltungsverfahrens habe Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen sei. Dieser Anspruch sei auch dann gegeben, wenn der Antrag zurückzuweisen sei. In diesem Fall habe die Partei Anspruch auf Erlassung eines zurückweisenden Bescheides. Im Streit über die Parteistellung und Antragsbefugnis bestehe ein Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, insoweit diese Angelegenheiten zur Entscheidung anstünden. Diesbezüglich komme dem Antragsteller nämlich Parteistellung zu. Die Gemeindebehörden hätten daher den Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung einer "bescheidmäßigen (materiell- oder verfahrensrechtlichen) Erledigung" zuführen müssen. Der Devolutionsantrag an den Gemeinderat sei diesbezüglich jedenfalls zulässig gewesen. Selbst wenn in der Begründung des Bescheides des Gemeinderates Passagen enthalten seien, aus denen geschlossen werden könnte, dass dem Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung abschlägig zu begegnen wäre, gehe aus der Entscheidung eindeutig die Absicht des Gemeinderates hervor, den Devolutionsantrag als unzulässig zurückzuweisen. Für eine Auslegung des Bescheides dahingehend, dass sich die Behörde lediglich "im Ausdruck vergriffen" habe, bleibt insofern kein Raum, als der Gemeinderat diese Zurückweisung des Devolutionsantrages auch entsprechend begründet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde, eine weitere Äußerung zur Gegenschrift der mitbeteiligten Gemeinde und ein ergänzendes Vorbringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit seiner Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer ausdrücklich bloß den die Vorstellung abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides. Er bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde sei unzutreffend davon ausgegangen, dass seine Pferdekoppel bzw. Pferdeunterstandshütte konsenslos seien.

Gemäß § 35 Abs. 2 Z 3 NÖ BauO 1996 (in der Folge: BO) hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerkes anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder Anzeige vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

§ 6 Abs. 1 und 2 BO haben folgenden Wortlaut:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

  1. 1. der Bauwerber und/oder der Eigentümer des Bauwerks
  2. 2. der Eigentümer des Baugrundstücks
  3. 3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn),

    und

    4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken nach Z. 2 und 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn). Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind. Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

Mit seinem Antrag vom 19. September 2000 hat der Beschwerdeführer als Nachbar die Erlassung eines Bauauftrages gemäß § 35 Abs. 2 Z 3 BO begehrt und die bescheidmäßige Zuerkennung der Parteistellung im baupolizeilichen Verfahren beantragt.

Dem Nachbarn kommt im Bauauftragsverfahren nur dann Parteistellung zu, wenn er durch das vorschriftswidrige Bauwerk in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wird. Ist dies nicht der Fall, hat er im Bauauftragsverfahren keine Parteistellung und sind seine in diesem Verfahren gestellten Anträge als unzulässig zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2004, Zl. 2004/05/0142, mwN).

Die Behörden sind gemäß § 73 Abs. 1 AVG verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag).

Festzuhalten ist zunächst, dass mit dem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Februar 2003 der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 27. Mai 2002 insgesamt als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Das Recht, einen Devolutionsantrag einzubringen, setzt auf Grund des § 73 AVG die Parteistellung in jenem Verfahren voraus, in welchem dieser Antrag gestellt wird. Im Verfahren betreffend die Erlassung eines baupolizeilichen Abtragungsauftrages gemäß § 35 Abs. 2 Z 3 BO ist daher Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages, dass der Nachbar durch das vorschriftswidrige Bauwerk in einem subjektiv-öffentlichen Recht nach der BO verletzt wird.

Wird hingegen ein Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Parteistellung in einem bestimmten Verfahren gestellt, dann ist der Antragsteller in jenem Verfahren, in dem es nur um seine Parteistellung geht, Partei und zur Erhebung eines Devolutionsantrages berechtigt (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, I, 2. Auflage, S. 240 unter E 267 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Die belangte Behörde hat daher zutreffend zwischen der Zurückweisung des Devolutionsantrages in Ansehung der Angelegenheit des Ansuchens auf Erteilung eines Bauauftrages und jener in Ansehung der Angelegenheit auf Zuerkennung der Parteistellung im Bauauftragsverfahren unterschieden. Die Frage der Parteistellung im Bauauftragsverfahren bildet nämlich, da die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages des Nachbarn im Bauauftragsverfahren von dessen Parteistellung abhängt, nur eine für die Hauptfrage der Zulässigkeit des Devolutionsantrages entscheidungswesentliche Vorfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 94/04/0031).

Entgegen der vom Beschwerdeführer geäußerten Rechtsansicht liegt daher auch keine Untrennbarkeit des Spruches des angefochtenen Bescheides vor und ist dieser daher vom Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen der ausdrücklichen Anfechtung zu überprüfen. Sollte über die Frage der Parteistellung im weiteren Verfahren eine Entscheidung getroffen werden, die im Widerspruch zur Zurückweisung des Devolutionsantrages im Bauauftragsverfahren steht, käme gemäß § 69 Abs. 1 Z 3 AVG eine Wiederaufnahme des Verfahrens über den Devolutionsantrag in Frage.

Im Übrigen ist der belangten Behörde zwar beizupflichten, dass ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht in Bezug auf Immissionen nur im Hinblick auf jene Immissionen in Frage kommt, die im § 48 BO taxativ aufgezählt sind. Das vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren geltend gemachte Eindringen von Wasser auf sein Grundstück zählt nicht dazu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. April 2001, Zl. 99/05/0047 und Zl. 2001/05/0051; vgl. dazu auch Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 6. Auflage, S. 500 FN 5). Auch hat der Nachbar keinen Rechtsanspruch auf Einhaltung der Gründlandwidmung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2002, Zl. 2000/05/0059).

Schließlich ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 BO die Gewährleistung der Standsicherheit, der Trockenheit und des Brandschutzes nur hinsichtlich ihrer bestehenden und baubehördlich bewilligten bzw. angezeigten Bauwerke zusteht. Der belangten Behörde ist insofern beizupflichten, als die genannten Rechte dem Nachbarn nur hinsichtlich rechtmäßig bestehender Bauten zukommen. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde ihre Entscheidung darauf gestützt, dass auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers eine "Pferdekoppel sowie eine Unterstandshütte für Pferde" vorhanden sind, die im April 1978 naturschutzbehördlich angezeigt wurden, für die, "- v.a. für die Hütte -", eine "auch damals schon erforderliche baubehördliche Bewilligung" aber nicht vorliegt. Die belangte Behörde hat aber weder festgestellt, wie diese Bauten - insbesondere auch die Pferdekoppel, von der die Behörde offenbar annimmt, dass sie auch ein Bauwerk darstellt - konkret beschaffen sind, noch, wann sie tatsächlich errichtet wurden. Der entscheidungswesentliche Umstand, dass die Bauten nicht rechtmäßig bestehen, ist daher nicht ausreichend nachvollziehbar begründet. Abgesehen davon hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu ihren diesbezüglichen Ermittlungsergebnissen Parteiengehör gewähren müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. März 2005

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