VwGH 2001/05/0051

VwGH2001/05/005120.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde

1. des Dipl.-Ing. Mile Janjic und 2. der Darinka Janjic, beide in Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Erich Haase, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 13, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Jänner 2001, Zl. RU1-V-00161/00, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Norbert Gratzer und 2. Hedwig Gratzer, beide in Weidling, Elisabethgasse 54, 3. Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §32;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6;
BauO NÖ 1996 §32;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Dem Erstmitbeteiligten und der Zweitmitbeteiligten (in der Folge kurz: Bauwerber) war mit Bescheid vom 29. Juni 1981 die Bewilligung zur Errichtung einer Einfriedungsstützmauer an der Grundgrenze mit der Maßgabe bewilligt worden, dass projektiert gewesene Entwässerungsdurchlässe nicht bewilligt wurden.

Die Beschwerdeführer, die Eigentümer eines angrenzenden Grundstückes sind, zeigten in Schriftsätzen vom 6. Mai und 23. Juli 1999 der Baubehörde einen "bauordnungswidrigen Zustand" hinsichtlich dieser Mauer an (im angefochtenen Bescheid ist von einer Öffnung in der Mauer die Rede, in der Beschwerde von Entwässerungsdurchlässen und einem Ableitungsrohr mit 155 mm Durchmesser), wodurch Wasser auf ihr Grundstück fließe. Sie beantragten die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes.

Mangels bescheidmäßigen Abspruches brachten die Beschwerdeführer beim Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde am 25. Februar 2000 einen Devolutionsantrag (§ 73 AVG) ein.

Hierüber entschied der Gemeinderat mit Bescheid vom 29. September 2000 wie folgt (auszugsweise Wiedergabe nach der unbestrittenen Zitierung im angefochtenen Bescheid):

"Der Antrag (...) auf Entscheidung gem. § 73 über die Anzeigen vom 6. Mai 1999 und 23. Juli 1999 (...) wird als unzulässig zurückgewiesen."

Dies wurde nach Darlegung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und nach Zitierung des § 73 AVG sowie des § 6 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (kurz: BO) insbesondere damit begründet, dass, da die Liegenschaft der Beschwerdeführer unbebaut sei, kein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 1 BO berührt oder verletzt sein könne. Die Mauer selbst, somit auch die Öffnung, erzeuge keinerlei Immissionen, weshalb auch die Z. 2 dieser Bestimmung unanwendbar sei. Hinsichtlich der Z. 3 dieser Bestimmung sei festzustellen, dass die Mauer an sich baubehördlich bewilligt sei. Daraus ergebe sich, dass keines der taxaktiv aufgezählten Anrainerrechte durch die nichtbewilligungskonforme Ausführung der Stützmauer verletzt oder berührt sein könne. Daher hätten die Beschwerdeführer in diesem baupolizeilichen Verfahren nach § 33 oder § 35 BO auch keine Parteistellung. Deshalb sei der Devolutionsantrag als unzulässig zurückzuweisen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung stattgegeben, der bekämpfte Bescheid des Gemeinderates behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges insbesondere aus, Gegenstand des aufsichtsbehördlichen Verfahrens sei die Klärung der Frage, ob der Gemeinderat über den Devolutionsantrag richtig entschieden habe. Der Gemeinderat habe diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung des Bescheides sei aber der Gemeinderat auf die Sache selbst eingegangen und habe richtigerweise dargelegt, dass durch den gegenständlichen Mauerdurchbruch subjektiv-öffentliche Anrainerrechte der Beschwerdeführer im Sinne des § 6 BO nicht verletzt würden. Der Gemeinderat habe insbesondere dargelegt, dass die Mauer selbst und auch die Öffnung keine Immissionen nach § 48 BO "darstellten". § 48 BO zähle die maßgeblichen Immissionen taxativ auf. Dies bedeute, dass sich die Baubehörde mit Immissionen anderer Art nicht auseinander setzen dürfe; diesbezüglich komme gemäß § 364 Abs. 2 ABGB der Zivilrechtsweg in Betracht. Am Schluss der Begründung seiner Entscheidung habe der Gemeinderat richtigerweise ausgeführt, dass die Baubehörde erster Instanz in weiterer Folge von Amts wegen die weitere Vorgangsweise zu klären haben werde.

Mit dieser Begründung habe der Gemeinderat zum Ausdruck gebracht, dass er die Absicht gehabt habe, den Antrag der Beschwerdeführer mangels Parteistellung zurückzuweisen. Dies habe er aber nach dem (maßgeblichen) Spruch seines Bescheides nicht getan, weil er nicht die Anzeigen vom 6. Mai und 23. Juli 1999, sondern vielmehr den Devolutionsantrag zurückgewiesen habe. Richtigerweise hätte der Gemeinderat "eine Entscheidung über den Devolutionsantrag zu treffen gehabt - nämlich diesem wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Baubehörde I. Instanz stattzugeben" - und die genannten Anzeigen mangels Parteistellung der Beschwerdeführer als unzulässig zurückzuweisen. Dies ergebe sich zu Recht aus der Begründung des Bescheides vom 29. September 2000.

Daraus ergebe sich für die belangte Behörde, dass ein Widerspruch zwischen dem Spruch und der Begründung dieses Bescheides vorliege, wodurch der Gemeinderat seinen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet habe. Da somit das Recht der Beschwerdeführer auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt worden sei, sei der Vorstellung stattzugeben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 6 BO in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. 8200-3 (siehe hiezu Art. II Abs. 2 dieser Novelle) enthielt nähere Bestimmungen über Parteien, Nachbarn und Beteiligte. Abs. 1 dieser Bestimmung regelt die Parteistellung im Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32,

§ 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 BO. Soweit vorliegendenfalls erheblich, werden aber Nachbarn nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

§ 6 Abs. 2 BO hat folgenden Wortlaut:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der Gebäude der Nachbarn dienen."

Ein Bauwerk ist im Sinne des § 4 Z. 3 BO ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist.

§ 6 Abs. 1 Z. 4 BO, auf welchen Abs. 2 Z. 1 dieses Paragraphen verweist, führt demonstrativ als Bauwerke an "Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang".

§ 48 Abs. 1 BO definiert den Immissionsschutz wie folgt:

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
  2. 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen."

    Die Beschwerdeführer bringen vor, ihnen werde mit dem angefochtenen Bescheid "zwar Recht gegeben", indem der von ihnen bekämpfte Bescheid des Gemeinderates vom 29. September 2000 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen werde. Inhaltlich komme jedoch der angefochtene Bescheid zum Ergebnis, dass ihnen "kein Recht und keine Parteistellung" zukomme. Sie seien daher verhalten, diese bindende Rechtsansicht zu bekämpfen.

    Während der Bescheid vom 29. September 2000 noch die Feststellung enthalte, dass "eine rechteckige Öffnung in der Größe etwa eines Schalbetonsteines offen gelassen wurde" (Zitat im Original), negiere der angefochtene Bescheid diese bestimmte Feststellung, erwähne nur eine "Öffnung", und führe weiter aus, dass dadurch Wasser auf ihr Grundstück fließe. Die Frage der Ableitung und Zuleitung von Wasser sei aber "in dem gegenständlichen Verfahren von uns niemals beanstandet worden". Sie hätten sich aber dagegen gewehrt, dass die Bauwerber "nach Streichung der beantragten Entwässerungsöffnungen" nicht nur diese hergestellt, sondern darüber hinaus auch eine Öffnung in der Größe etwa eines Schalbetonsteines offen gelassen hätten. Während das Rohr mit einem Durchmesser von etwa 150 mm nach den Feststellungen im Bescheid vom 29. September 2000 entfernt worden sei, bleibe es aber nach diesen Feststellungen immer noch bei dem bauordnungswidrigen Zustand jener Öffnung in der Größe eines Schalbetonsteines.

    Die Beschwerdeführer seien im Baubewilligungsverfahren gemäß dem Bescheid vom 29. Juni 1981 Partei gewesen und seien "dementsprechend auch weiterhin antragsberechtigt zur Bekanntgabe eines bauordnungswidrigen Zustandes und zur Abhilfe". Diese Antragstellung habe sich aber nicht nur auf diese Maueröffnung in der Größe eines Schalbetonsteines, sondern auch darauf bezogen, dass Entwässerungsdurchlässe nicht verschlossen, sondern an der ihrem Grundstück zugewandten Mauerseite nur verschmiert worden seien. Damit habe sich die belangte Behörde aber nicht befasst.

    Folge man der Rechtsansicht der belangten Behörde, dann habe ein Bauwerber nach Abweisung einer von ihm beantragten bauordnungswidrigen Ausführung nur abzuwarten und diesen bauordnungswidrigen Zustand gemäß dem abgewiesenen Antrag nachträglich herzustellen. Dies könne nicht hingenommen werden.

    Sie machten ihre Rechte auf Grund der rechtskräftigen Baubewilligung vom 27. Februar 1981 geltend. Ihre Anzeige befasse sich nicht mit unzulässigen Immissionen. Sie hätten das Recht zur Herstellung einer Begrenzungsmauer ohne Öffnungen, welcher Art auch immer.

    Dem ist Folgendes zu entgegnen: Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer war tragender Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides der darin aufgezeigte Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des Bescheides des Gemeinderates. Dass die belangte Behörde in der Sache derselben Auffassung war wie der Gemeinderat, ist nicht als kausal für die Aufhebung (und damit nicht als tragender Aufhebungsgrund) anzusehen. Die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung ist daher nicht gegeben.

    Aber selbst wenn man davon ausginge, dass den Ausführungen der belangten Behörde zur mangelnden Parteistellung der Beschwerdeführer Bindungswirkung zukäme, wäre für sie daraus nichts zu gewinnen:

    Die Frage, ob den Beschwerdeführern vorliegendenfalls Parteistellung zukommt, ist nach § 6 BO zu beurteilen (und nicht danach, inwieweit ihnen in jenem Verfahren, das zum Bescheid vom 29. Juni 1981 führte, Parteistellung zukam). Dies hat die belangte Behörde zutreffend erkannt, grundsätzlich auch der Gemeinderat, hat dieser doch die Frage, ob Anrainerrechte im Sinne des § 6 Abs. 2 Z. 1, 2 oder 3 BO verletzt werden, nach Prüfung verneint. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, diese Beurteilung in Frage zu stellen. Insbesondere behaupten die Beschwerdeführer gar nicht, dass sich auf ihrer Liegenschaft Bauwerke im Sinne der Z. 1 leg. cit. befänden; eine Beeinträchtigung durch unzulässige Immissionen machen sie dem Beschwerdevorbringen zufolge ausdrücklich nicht geltend, ganz abgesehen davon, dass das fallbezogen in Betracht kommende Wasser, welches durch die Entwässerungsöffnungen dringt, durch § 48 Abs. 1 BO nicht erfasst wird.

    Die von den Beschwerdeführern bekämpfte Rechtsauffassung der belangten Behörde, ihnen komme vorliegendenfalls keine Parteistellung im Sinne des § 6 Abs. 1 BO zu, ist somit zutreffend.

    Da sich dies bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren und ohne weitere Kostenbelastung für die Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 20. April 2001

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