VwGH 2002/12/0158

VwGH2002/12/015829.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 27. Februar 2002, Zl. 15 1311/54-II/15/02, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §14;
DVV 1981 §1;
DVV 1981 §2 Z4 lita;
PG 1965 §4 Abs1;
PG 1965 §4 Abs2;
PG 1965 §4 Abs3 idF 2001/I/086;
PG 1965 §4 Abs4 idF 2001/I/086;
PG 1965 §62j Abs1 idF 2001/I/086;
PG 1965 §62j Abs1 Z2 idF 2001/I/086;
PG 1965 §62j Abs2 idF 2001/I/086;
AVG §39 Abs2;
BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §14;
DVV 1981 §1;
DVV 1981 §2 Z4 lita;
PG 1965 §4 Abs1;
PG 1965 §4 Abs2;
PG 1965 §4 Abs3 idF 2001/I/086;
PG 1965 §4 Abs4 idF 2001/I/086;
PG 1965 §62j Abs1 idF 2001/I/086;
PG 1965 §62j Abs1 Z2 idF 2001/I/086;
PG 1965 §62j Abs2 idF 2001/I/086;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahr 1948 geborene Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Ihre letzte Dienststelle war das Finanzamt U.

Die Beschwerdeführerin befand sich seit 15. Dezember 1999 mit der Diagnose Krebs im Krankenstand.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2000 ersuchte die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich die Amtsärztin der Bundespolizeidirektion Linz (Dr. P.) um die amtsärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin sowie um die Erstellung eines medizinischen Gutachtens. In diesem Schreiben wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach den Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) habe die Dienstbehörde spätestens nach drei Monaten eine ärztliche Untersuchung zur Prüfung des Gesundheitszustandes anzuordnen, wenn ein Beamter infolge Krankheit, Unfall oder Gebrechen vom Dienst abwesend sei. Diese Untersuchung sei nun angebracht, damit sich die Dienstbehörde ein Bild über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin und einen Überblick über die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit vom Dienst verschaffen könne. Die Beschwerdeführerin werde beim Finanzamt U in der Bemessungsabteilung eingesetzt und habe bei einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden überwiegend Innendienst zu versehen (Büroarbeit, die hauptsächlich sitzend ausgeübt werde). Sie verrichte in ihrer Funktion Tätigkeiten, die dem Gehobenen Dienst (Maturaniveau) zuzuordnen seien. Im Gutachten wäre insbesondere zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

  1. "a) wie lange der derzeitige Krankenstand noch andauern wird,
  2. b) ob bzw. wann mit einer Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist,
  3. c) in welchem Ausmaß künftig mit Krankenständen zu rechnen ist,
  4. d) ob Hinweise für eine dauernde bzw. die Vermutung einer dauernden Arbeitsunfähigkeit vorliegen."

    Die Amtsärztin Dr. P gelangte in ihrem Gutachten vom 12. Juli 2000 zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin bis auf Weiteres nicht arbeitsfähig sei. Eine endgültige Prognose könne aber erst nach abgeschlossener Behandlung gestellt werden, sodass eine Nachuntersuchung nach Ablauf von sechs Monaten empfohlen werde.

    Nachdem die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich zwei weitere Gutachten der Amtsärztin Dr. P. vom 9. Jänner 2001 und vom 6. Juli 2001 eingeholt hatte, ersuchte sie mit Schreiben vom 17. Juli 2001 das Bundespensionsamt um die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, weil der begründete Verdacht der dauernden Dienstunfähigkeit bestehe.

    Der leitende Arzt des Bundespensionsamtes (Dr. Z.) gelangte in seinem Gutachten vom 28. August 2001 zu dem Ergebnis, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit am konkreten Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht auf Dauer nicht mehr zuzumuten sei.

    Mit Schreiben vom 12. September 2001 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979.

    Mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 11. Oktober 2001 wurde die Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages vom 12. September 2001 gemäß § 14 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 BDG 1979 mit Ablauf des Monates, in dem der Bescheid rechtskräftig werde, in den Ruhestand versetzt.

    Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 27. Februar 2002 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin gemäß §§ 3 bis 7, 9, 62j Abs. 1 und 62b des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) vom 1. November 2001 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 22.020,60 gebühre. Aus der Begründung dieses Bescheides ergibt sich, dass der Ruhegenuss unter Anwendung der Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 in Verbindung mit § 62j Abs. 1 Z. 2 PG 1965 ermittelt wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Kürzung nach § 4 Abs. 3 PG 1965 finde nach § 4 Abs. 4 PG 1965 nicht statt, wenn der Beamte im Dienststand verstorben sei oder wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall in Ausübung des Dienstes zurückzuführen sei. Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden sei, sei zwar gemäß § 62j Abs. 2 zweiter Satz PG 1965 die Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Nach dieser Bestimmung finde eine Kürzung nach § 4 Abs. 3 PG 1965 auch dann nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig sei. Das in Rede stehende Ruhestandsversetzungsverfahren sei jedoch erst nach dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden sei, im Falle der Beschwerdeführerin sei daher die Übergangsvorschrift des § 62j Abs. 2 zweiter Satz PG 1965 nicht anzuwenden. Die Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Wirksamkeit ihrer Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung gewesen sei, habe somit unterbleiben können.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

    Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965), lauten (auszugsweise; § 4 Abs. 1 und 2 in der Stammfassung, § 4 Abs. 3 und 4 und § 62j Abs. 1 und 2 in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2001):

"Ruhegenussermittlungsgrundlagen und Ruhegenussbemessungsgrundlage

§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.

(2) 80 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Tages liegt, zu dem der Beamte frühestens seine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung bewirken können hätte, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,25 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

...

(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt, wenn der Beamte im Dienststand verstorben ist oder wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall in Ausübung des Dienstes zurückzuführen ist.

...

Übergangsbestimmungen zur Novelle BGBl. I Nr. 86/2001

§ 62j. (1) Der Kürzungsprozentsatz beträgt abweichend von § 4 Abs. 3 in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2002 geltenden Fassung und von § 5 Abs. 2 in der ab 1. Jänner 2003 geltenden Fassung für Ruhegenüsse,

...

2. die erstmals im Jahr 2001 gebühren, 0,1834 Prozentpunkte,

...

(2) Auf Personen, die vor dem 1. Oktober 2000 Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach diesem Bundesgesetz haben, sind die §§ 4 ... in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden ist, ist § 4 Abs. 4 Z 3 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiter anzuwenden. ...

..."

1.2. Die am 30. September 2000 geltende Fassung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 war die durch das 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, bewirkte; sie lautete:

"(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt,

...

3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

..."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Im Beschwerdefall geht es ausschließlich um die Frage, ob die Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 62j Abs. 2 zweiter Satz PG 1965 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden ist. Sollte dies der Fall gewesen sein, so wäre § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung anzuwenden gewesen, wonach eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 3 PG 1965 auch dann zu unterbleiben hat, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist. Die ab 1. Oktober 2000 geltende Rechtslage hingegen sieht den Entfall der Kürzung beim Vorliegen dauernder Erwerbsunfähigkeit nicht mehr vor.

Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die Beschwerdeführerin erst mit Schreiben vom 12. September 2001 einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gestellt hat. Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Ansicht, dass das Ruhestandsversetzungsverfahren von Amts wegen vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden sei; sie erblickt die amtswegige Einleitung im Auftrag der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 5. Juli 2000 an die Amtsärztin der Bundespolizeidirektion Linz, ein ärztliches Gutachten über ihren Gesundheitszustand zu erstellen. Eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage hätte daher zu unterbleiben gehabt, weil sich aus den eingeholten Gutachten ergebe, dass sie dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung gewesen sei.

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die amtswegige Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens jedenfalls einen entsprechenden der zuständigen Dienstbehörde zuzurechnenden Willensakt voraus. Für das Vorliegen eines solchen Willensaktes ist maßgeblich, ob die zuständige Aktivdienstbehörde eine Amtshandlung gesetzt hat, die - objektiv betrachtet - darauf abzielte, den Sachverhalt der dauernden Dienstunfähigkeit des Beamten im Sinne des § 14 BDG 1979 zu klären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2004/12/0097, mwN).

Infolge Änderung der DVV 1981 durch die Verordnung BGBl. Nr. 540/1995 waren nachgeordnete Dienstbehörden ab 1. September 1995 nicht mehr für die Durchführung der Ruhestandsversetzungsverfahren zuständig. Im Beschwerdefall war daher die belangte Behörde die für die Versetzung in den Ruhestand zuständige Aktivdienstbehörde.

Zwar kann im Hinblick auf den Inhalt des Schreibens der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 5. Juli 2000 an die Amtsärztin der Bundespolizeidirektion Linz nicht ausgeschlossen werden, dass darin gezielt um die Klärung von Tatsachen aus medizinischer Sicht ersucht worden ist, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 1999, Zl. 98/12/0160) im Lichte des § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979 rechtserheblich sind. Nach der unbedenklichen Aktenlage fehlt aber jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich im Auftrag der belangten Behörde gehandelt hat. Das in Rede stehende Schreiben vom 5. Juli 2000 kann daher nicht der belangten Behörde als der für die Ruhestandsversetzung zuständigen Dienstbehörde zugerechnet werden. Es fehlt auch sonst jeder Hinweis dafür, dass die belangte Behörde vor dem 1. Oktober 2000 einen auf die Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens gerichteten Willensakt gesetzt hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. November 2004).

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass die belangte Behörde im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand verpflichtet gewesen wäre, vor dem 1. Oktober 2000 von Amts wegen die Frage der dauernden Dienstunfähigkeit zu prüfen, ist ihr entgegenzuhalten, dass es nach der Übergangsbestimmung des § 62j Abs. 2 zweiter Satz PG 1965 ausschließlich auf die Anhängigkeit eines Verfahrens - das schließlich zur Versetzung in den Ruhestand führt - am 1. Oktober 2000 ankommt (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004).

2.3. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen ist, dass das Ruhestandsversetzungsverfahren der Beschwerdeführerin nicht vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden ist. Es war daher auch nicht die Frage zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Wirksamkeit ihrer Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung war. Die Anwendung der Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 im Sinne des § 62j Abs. 1 Z. 2 PG 1965 erweist sich somit als rechtmäßig.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. November 2005

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