Normen
AsylG 1997 §44 Abs6;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z4 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
AsylG 1997 §44 Abs6;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z4 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 29. Jänner 2004 wies die Kärntner Landesregierung den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10 Abs. 1 und 11" Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Begründend stellte die belangte Behörde zunächst fest, der Beschwerdeführer - ein seit dem Jahr 1991 als Flüchtling anerkannter albanischer Staatsangehöriger - sei seit dem 30. August 1990 ununterbrochen in Österreich wohnhaft. Er habe in dieser Zeit nie eine offizielle Erwerbstätigkeit ausgeübt, sondern beziehe seit September 1993 durchgehend Sozialhilfe (in Höhe von derzeit EUR 868,53 monatlich, darin unter anderem EUR 466,-- laufende Geldleistung). Am 28. Februar 2003 sei dem Beschwerdeführer vom Bundessozialamt auf Grund seines Antrages vom 7. Oktober 2002 bescheidmäßig die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten "zuerkannt" und der Grad seiner Behinderung, der sich im Wesentlichen auf eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung gründe, mit 50 % festgestellt worden. Ausgehend von diesem Sachverhalt und nach Anführen der Verleihungsvoraussetzungen für die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG argumentierte die belangte Behörde, bei Vorliegen dieser Verleihungserfordernisse liege es sodann in ihrem in § 11 StbG determinierten Ermessen, einem Verleihungsansuchen zu entsprechen. Bei dieser Ermessensübung habe sich die Behörde unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen. Der Antragsteller sei während seines über 13-jährigen Aufenthaltes nie einer offiziellen Tätigkeit nachgegangen. Auch wenn seine Angaben über die nicht "in den Versicherungszeiten aufscheinende" Tätigkeit in der Dauer von acht Monaten am Anfang seines Aufenthaltes in Österreich den Tatsachen entsprechen sollten, bleibe ein Zeitraum von mehr als elf Jahren, in dem der Antragsteller ausschließlich von Mitteln der öffentlichen Hand gelebt und damit bis September 2003 Kosten von insgesamt EUR 113.133,87 für die Allgemeinheit verursacht habe. Wenn - wie behauptet - die kurzfristige Tätigkeit am Beginn des Aufenthaltes in Österreich zur Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers geführt habe, könne nicht nachvollzogen werden, warum der Beschwerdeführer erst zehn Jahre später (im Oktober 2000) einen Antrag auf Zugehörigkeit zum Kreise der begünstigten Behinderten gestellt habe, wobei auch bei einer Behinderung von 50 % die Ausübung von gewissen Tätigkeiten möglich und zumutbar sei. Tatsache sei, dass der Beschwerdeführer während seines langjährigen Aufenthaltes keiner - sei es auch nur kurzfristig - offiziellen Tätigkeit nachgegangen sei. Es sei der belangten Behörde daher nicht möglich, das ihr im § 11 StbG eingeräumte freie Ermessen positiv auszuüben. Es könne nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein, einem Fremden, der seit über 13 Jahren in Österreich lebe und seinen Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeitsleitung bestritten habe, die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen. Daran könne auch die im letzten Jahr zuerkannte Zugehörigkeit "zum Kreise der begünstigt Behinderten im Ausmaß von 50 %" nichts ändern. Der Antragsteller sei zwar einerseits seit über 13 Jahren in Österreich und würde diese Aufenthaltsdauer für eine Einbürgerung sprechen. Andererseits sei jedoch die nicht vorhandene berufliche Integration des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Wohles und der öffentlichen Interessen komme die belangte Behörde zur Auffassung, dass die "mangelnde Arbeitsmoral" schwerer wiege als die Aufenthaltsdauer, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen gewesen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen:
Der für die Ermessensübung der belangten Behörde relevante § 11 StbG in der hier maßgeblichen Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, hat folgenden Wortlaut:
"§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."
Die belangte Behörde stützte ihre - für den Beschwerdeführer nachteilige - Ermessensübung primär auf die "nicht vorhandene berufliche Integration des Staatsbürgerschaftswerbers", die sie auf eine "mangelnde Arbeitsmoral" zurück führte. Daneben wurden von ihr im Anschluss an die Bemerkung, der Beschwerdeführer habe jahrelang "ausschließlich von Mitteln der öffentlichen Hand gelebt ... und damit bis September 2003 Kosten von insgesamt EUR 113.133,87 für die Allgemeinheit verursacht", auch Gesichtspunkte der öffentlichen Interessen in Erwägung gezogen, die dagegen sprächen, einem Fremden, der seit über 13 Jahren in Österreich lebe und seine Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeitsleistung bestreite, die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen. Diese zuletzt genannten Ausführungen versteht der Beschwerdeführer offenkundig dahin, dass die belangte Behörde damit bereits den Bezug von Sozialhilfe durch einen Staatsbürgerschaftswerber im Allgemeinen als "verwerflich und für die Verleihung der Staatsbürgerschaft negativ" festlege. Dem widerspricht die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift und stellt klar, dass der Bezug von Sozialhilfe für ihre abweisende Entscheidung nicht maßgebend gewesen sei. Ungeachtet dieser Klarstellung ist - dem Beschwerdeführer folgend - festzuhalten, dass eine (unverschuldete) Hilfsbedürftigkeit des Staatsbürgerschaftswerbers, die den Bezug von Sozialhilfe zur Folge hat, nach den dem Staatsbürgerschaftsgesetz erkennbar zu Grunde liegenden Wertungen nicht gegen eine Einbürgerung spricht (vgl. dazu das - zur Rechtslage vor der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 ergangene, hinsichtlich der diesbezüglichen Erwägungen aber weiterhin anwendbare - hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 97/01/1089).
In ihren Überlegungen zur beruflichen Integration (im Sinne einer Teilnahme am österreichischen Arbeitsmarkt) ist der belangten Behörde zunächst zuzugeben, dass diese bei der Ermessensübung nach § 11 StbG als ein Aspekt des zu prüfenden "Ausmaßes der Integration des Fremden" Berücksichtigung finden kann. Das setzt im Kontext des Staatsbürgerschaftsgesetzes aber voraus, dass dem betreffenden Einbürgerungswerber die Teilnahme am Arbeitsmarkt - nach seinen Lebensverhältnissen - überhaupt möglich ist. Wie schon in den hg. Erkenntnissen vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258, und vom 25. März 2003, Zl. 2001/01/0607, ausgeführt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Staatsbürgerschaftsgesetz ausschließlich am Typus des erwerbstätigen Fremden orientiert. Demgemäß kann etwa weder einem kindererziehenden Fremden noch einem Staatsbürgerschaftswerber, der aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeitsfähig ist, mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit eine relevante Integration abgesprochen werden. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme vom 4. November 2003 vorgebracht, er habe sich während seiner (unangemeldeten) beruflichen Tätigkeit in den Jahren 1991 und 1992 einen Bandscheibenvorfall zugezogen und sich von diesem nicht mehr erholt, wodurch er unverschuldet arbeitsunfähig geworden sei. Die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, könnte dem Beschwerdeführer - nach dem Gesagten - weder die unterbliebene berufliche Integration noch mangelnde Bereitschaft zur Integration am inländischen Arbeitsmarkt im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 11 StbG entgegen gehalten werden.
Der angefochtene Bescheid lässt jedoch erkennen, dass die belangte Behörde dem Vorbringen der (vollständigen) Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit absprach, indem sie es als nicht nachvollziehbar bezeichnete, warum der Beschwerdeführer erst 10 Jahre nach Eintritt der behaupteten Arbeitsunfähigkeit einen Antrag auf "Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten" gestellt hatte, und ergänzte, auch bei einer Behinderung von 50 % sei die Ausübung von "gewissen Tätigkeiten möglich und zumutbar". Um diese Einschätzung nachvollziehbar zu begründen, hätte es jedoch - ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers - einer näheren Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand und dessen Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers sowie dem Krankheitsverlauf in den vergangenen Jahren bedurft.
Der angefochtene Bescheid weist daher wesentliche Begründungsmängel auf.
Bei ihrer Ermessensübung hat die belangte Behörde aber vorallem verkannt, dass dem Beschwerdeführer nach den Feststellungen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Er gilt daher gemäß § 44 Abs. 6 AsylG 1997 (idF vor der Novelle 2003) als asylberechtigt, was gemäß § 10 Abs. 5 Z 4 StbG im Hinblick auf die besondere Integrationsgeneigtheit dieses Umstandes einen "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" darstellt, bei dessen Vorliegen die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausnahmsweise bereits nach einer Wohnsitzdauer von nur vier Jahren in Frage kommt. Ist damit die Einbürgerung von Asylberechtigten unter leichteren Bedingungen möglich, so muss die Asylberechtigung - will man den Wertungen des Gesetzgebers gerecht werden, - auch bei der Ermessensübung nach § 11 StbG Berücksichtigung finden. Dem gegenüber ist dieser Umstand offenkundig in Verkennung der Rechtslage nicht in die behördlichen Erwägungen eingeflossen, weshalb die Ermessensentscheidung der belangten Behörde insoweit auf unvollständigen Grundlagen beruht (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0121).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG inVerbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. August 2004
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)