Normen
52001PC0447 Mitgliedstaat Prüfung Asylantrag;
AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5;
AsylVfG-D 1992 §29;
Dubliner Übk 1997 Art5 Abs4;
52001PC0447 Mitgliedstaat Prüfung Asylantrag;
AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5;
AsylVfG-D 1992 §29;
Dubliner Übk 1997 Art5 Abs4;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20, insgesamt daher EUR 2.973,60, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der Türkei, reisten am 2. September 2001 auf dem Luftweg aus der Türkei kommend in das Bundesgebiet ein und beantragten in der Folge die Gewährung von Asyl. Mit Bescheiden vom 14. bzw. 18. März 2002 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung der Asylanträge gemäß Art. 5 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens (in der Folge: DÜ) Deutschland zuständig sei. Gleichzeitig wies es die Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Deutschland aus. Begründend stellte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen fest, die Beschwerdeführer hätten bei der Asylantragsstellung in Österreich nicht länger als sechs Monate abgelaufene deutsche Schengenvisa besessen, weshalb gemäß Art. 5 Abs. 4 DÜ Deutschland für die Prüfung der Asylanträge zuständig sei, das sich dazu auch bereit erklärt habe.
In den Berufungen gegen diese Bescheide machten die Beschwerdeführer - neben einem Verstoß gegen ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zu in Österreich lebenden Angehörigen - geltend, ihre Visa seien in gefälschten Pässen, die von Schleppern mit Fotos der Beschwerdeführer versehen worden seien, ausgestellt worden. Da die Beschwerdeführer die Visa somit "illegal" erlangt hätten, sei eine "Abtretung" der Asylanträge an Deutschland nicht zulässig.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer ab. Neben hier nicht näher darzustellenden Feststellungen über familiäre Beziehungen der Beschwerdeführer zu ihren in Österreich lebenden Angehörigen führte die belangte Behörde unter anderem aus, Schlepper hätten um einen Preis von DM 15.000,-- Reisepässe für die Beschwerdeführer ausstellen lassen, die dazu gedient hätten, Visa für Deutschland zu beantragen, die sie "in Folge für den Zeitraum vom 6. 8. bis 19. 8. 2001 von der deutschen Botschaft in Ankara" erteilt bekommen hätten. In einer ausführlichen rechtlichen Beurteilung folgerte die belangte Behörde - nach Verneinung eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zwischen den Beschwerdeführern und ihren in Österreich lebenden Angehörigen - aus diesem Sachverhalt, die Beschwerdeführer hätten bei ihrer Asylantragstellung in Österreich über rechtsgültig zustande gekommene deutsche Visa verfügt, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht länger als sechs Monate abgelaufen gewesen seien. Nur darauf stelle die Zuständigkeitsregel des Art. 5 Abs. 4 DÜ ab. Dass die Erteilung der deutschen Visa durch gefälschte Urkunden herbeigeführt worden sei, stelle "im Lichte der Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung (bzw. der korrespondierenden deutschen Vorschriften)" zwar einen Mangel dar, führe aber nicht zu deren Ungültigkeit, sondern diese hätten solange Bestand, als sie nicht wieder aufgehoben würden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Art. 5 DÜ lautet - auszugsweise - wie folgt:
"Art. 5 ...
(2) Besitzt der Asylwerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig, soweit nicht einer der nachstehenden Fälle vorliegt:
...
(4) Besitzt der Asylwerber nur eine oder mehrere seit weniger als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltsgenehmigungen oder ein oder mehrere seit weniger als sechs Monaten abgelaufene Visa, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Ausländer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Asylwerber eine oder mehrere seit mehr als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltsgenehmigungen oder ein oder mehrere seit mehr als sechs Monaten abgelaufene Visa, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen konnte, und hat der Ausländer das gemeinsame Hoheitsgebiet nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird."
Sowohl die belangte Behörde als auch die Beschwerdeführer, die sich in der Beschwerde - wie schon in der Berufung - nur mit dem gültigen Zustandekommen der strittigen Visa beschäftigen, übersehen, dass Art. 5 Abs. 4 DÜ ausdrücklich darauf abstellt, ob das seit weniger als sechs Monaten abgelaufene Visum dem Asylwerber die Möglichkeit bot, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen zu können ("aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates einreisen konnte" bzw. im gleichermaßen verbindlichen englischen Text des Abkommens besonders deutlich: "...and enabled him or her actually to enter the territory"). Mit dieser Beifügung wird zum Ausdruck gebracht, dass die Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten auf Grund dieser erteilten Genehmigung auch tatsächlich ermöglicht worden sein muss (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0221 und vom 4. Mai 2000, Zl. 2000/20/0025; ebenso im Ergebnis Schmid in Schmid/Bartels, Handbuch zum DÜ, 76, der die zitierte Beifügung dahin versteht, dass die erteilte Erlaubnis "rechtliche conditio sine quo non" für die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates war; vgl. auch Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum (dt.( AsylVfG, Ergänzungslieferung August 2003, Rz 68ff, insbesondere Rz 70 zu § 29, die eine nachgewiesene Einreise unter Verwendung des Visums zwar für nicht notwendig erachten, aber ebenfalls darauf abstellen, dass der Flüchtling aufgrund dieses Visums rechtlich die Möglichkeit hatte, in das Gebiet der Mitgliedsstaaten einzureisen, also eine durch das Visum legitimierte Einreise erfolgen konnte). Nur unter dieser Voraussetzung - deren Hinreichung ohne feststellbare Verwendung des Visums für die Einreise hier nicht geprüft werden muss - ist es gerechtfertigt, im Sinne eines dem DÜ im Allgemeinen und dem Art. 5 DÜ im Speziellen zugrundeliegenden "Verursacherprinzips" jenen Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrages für zuständig zu erachten, der durch seine positive Handlung (wie die Erteilung eines Visums) wesentlich dazu beigetragen hat, dass ein Drittstaatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnte (vgl. dazu etwa auch die Begründung des Vorschlages der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 2001 für die dem DÜ nachfolgende Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, Amtsblatt Nr. C 304 E vom 30. Oktober 2001, S. 0192 - 0201, Punkt 3.1., sowie die Erläuterungen zu Art. 9). War das von einem Mitgliedstaat ausgestellte Visum - wie im gegenständlichen Fall - im Zeitpunkt der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten jedoch bereits ungenützt abgelaufen, liegt ein Anwendungsfall des Art. 5 Abs. 4 DÜ selbst dann nicht vor, wenn seit dem Ablaufen der Gültigkeit des Visums und der Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat weniger als sechs Monate vergangen sind.
Ausgehend davon konnte die Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung der gegenständlichen Asylanträge nicht auf den Zuständigkeitstatbestand des Art. 5 Abs. 4 DÜ gestützt werden, sondern hätte die Zuständigkeitsprüfung nach den weiteren Kriterien dieses Abkommens, insbesondere des Art. 6 DÜ, stattfinden müssen.
Der angefochten Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. November 2004
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