VwGH 2000/20/0025

VwGH2000/20/00254.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des AI in B, geboren am 1. September 1968, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Heindlkai 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Oktober 1999, Zl. 213.118/0-VI/18/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 5 Abs. 1 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §5 Abs1;
Dubliner Übk 1997 Art5 Abs2;
Dubliner Übk 1997 Art5 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §5 Abs1;
Dubliner Übk 1997 Art5 Abs2;
Dubliner Übk 1997 Art5 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger armenischer Volkszugehörigkeit, reiste am 23. August 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Er wurde am 30. August 1999 vor dem Bundesasylamt einvernommen und gab zu seinem Fluchtweg an, dass seine Ausreise von seinem Bruder organisiert worden sei, der auch Kontakt zum Schlepper aufgenommen habe. Die Fahrt habe elf Tage gedauert. Der Beschwerdeführer könne weder zu den durchreisten Ländern noch zu den passierten Grenzen Angaben machen.

Das Bundesasylamt eröffnete hierauf dem Beschwerdeführer, dass es auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes zur Ansicht gelange, nach dem Dubliner Übereinkommen seien die "BRD und Frankreich" für die Prüfung seines Asylantrages zuständig. Dem Beschwerdeführer werde freigestellt, sich binnen zwei Wochen schriftlich dazu zu äußern.

Aus einem Aktenvermerk des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 31. August 1999 geht hervor, dass die Einvernahme des Beschwerdeführers "eine Einreise über Dublin-Staat Frankreich" ergeben habe.

Mit Schreiben vom 17. September 1999 teilte der Innenminister der Französischen Republik dem Bundesasylamt (Dublin-Referat) auf Grund dessen Schreibens vom 15. September 1999 Folgendes mit:

"Vous m'avez transmis un dossier concernant M. I., qui a depose une demande d'asile sur votre territoire le 23 aout 1999.

Cette personne a obtenu un visa pour les Etats parties a la Convention, qui lui a ete delivre par les autorites consulaires franCaises.

Le traitement de sa demande d'asile releve donc, conformement aux dispositions de l'article 5-4 de la Convention de Dublin du 15 juin 1990, de la responsabilite de la France."

Mit Bescheid vom 23. September 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 5 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens (im Folgenden: DÜ) Frankreich zuständig sei. Zugleich wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer (gemäß § 5 Abs. 1 letzter Satz AsylG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werde.

Das Bundesasylamt legte dieser Entscheidung die Feststellung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer mit einem französischen Visum, ausgestellt von der französischen Botschaft in Teheran über Frankreich nach Österreich gelangt sei und hier einen Asylantrag gestellt habe. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtweg seien unglaubwürdig. Die amtswegigen Erhebungen hätten ergeben, dass ca. 90 % aller iranischen Asylwerber mittels Visa der französischen Botschaft in Teheran in die Mitgliedsstaaten einreisten. Die (oben im Originalwortlaut zitierte) Zustimmung Frankreichs zur Übernahme der Behandlung seines Asylantrages bestätige, dass der Beschwerdeführer mit einem französischen Visum in die Mitgliedsstaaten eingereist sei. Daraus folge rechtlich, dass gemäß Art. 5 Abs. 2 und 4 DÜ Frankreich für die Prüfung des Asylantrages zuständig und der Asylantrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zurückzuweisen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer unter anderem Folgendes aus:

"2. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach ca. neunzig Prozent aller iranischen Asylwerber mittels Visa der französischen Botschaft in Teheran in die Mitgliedsstaaten einreisen würden, was bestätigen würde, dass auch ich mit einem französischen Visum in die Mitgliedstaaten eingereist sei, ist unzulässig. Denn bloß aus dem Umstand, dass neunzig Prozent der iranischen Asylwerber derart einreisen den Schluss zu ziehen, dass auch ich so eingereist sein muss, ist nicht logisch und zwingend nachvollziehbar. Genauso gut könnte ich zu den 10 % gehören, die eben anders einreisen.

3. Auch die Zustimmung Frankreichs zur Übernahme meines Asylantrages bestätigt entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht zwingend, dass ich mit einem französischen Visum eingereist bin.

Da diese Zustimmung Frankreichs zur Übernahme meines Asylantrages rechtswidriger Weise erfolgte und die belangte Behörde ohne weitere Erhebungen durchzuführen und Feststellungen zu treffen davon ausgeht, dass Frankreich auf Grund dessen zur Prüfung meines Asylantrages zuständig sei, ist der bekämpfte Bescheid rechtswidrig.

Denn die als einziges Argument herangezogene Zustimmung Frankreichs zur Übernahme meines Asylantrages kann ich mangels offenstehendem Rechtsweg nicht bekämpfen und bin ich daher in meinem Recht eine begründete Berufung einzubringen verletzt.

4. In Großbritannien wurde erst kürzlich festgestellt, dass es in Frankreich regelmäßig zu Verletzungen des Non-Refoulement-Prinzipes kommt. Im Falle meiner Abschiebung nach Frankreich bin ich daher iSd Art. 33 GFK, Art. 3 EMRK und § 57 FrG gefährdet.

Dennoch ist es mir im Rahmen des § 5-Verfahrens nicht möglich, eine eventuelle Gefährdung meiner Person im für die Prüfung meines Asylantrages als zuständig erklärten Staat geltend zu machen.

Ich rege daher an, die Bestimmung des § 5 AsylG auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen und insbesondere die Schutzlücken hinsichtlich Art. 33 GFK, Art. 3 EMRK sowie § 57 FrG zu berücksichtigen.

Der bekämpfte Bescheid ist somit auch auf Grund der Anwendung einer verfassungswidrigen Norm rechtswidrig."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab. Sie stellte fest, dass das französische Innenministerium mitgeteilt habe, dass dem Beschwerdeführer ein Visum von französischen Behörden erteilt worden sei. Weiters habe das französische Innenministerium sich bereit erklärt, den Berufungswerber einreisen zu lassen und den Asylantrag zu prüfen. Im Hinblick darauf seien die entgegenstehenden Angaben des Beschwerdeführer unglaubwürdig. Der § 5 AsylG biete keinen Raum, sich mit den in der Berufung vorgebrachten Argumenten auseinander zu setzen. Die gänzlich unsubstanziierte Behauptung, es komme in Frankreich zu Verletzungen des Non-Refoulement, wie dies in Großbritannien "erst kürzlich festgestellt wurde", vermöge keine verfassungsrechtliche Problematik aufzuzeigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 AsylG lautet:

"(1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.

(2) ...

(3) Eine Ausweisung gemäß Abs. 1 und 2 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."

Die Beschwerde rügt, dass das Schreiben des französischen Innenministeriums vom 17. September 1999, das der Beweiswürdigung der belangten Behörde zu Grunde gelegt wurde, nicht in die deutsche Sprache übersetzt worden sei. Wäre das Schreiben übersetzt worden, so hätte sich vermutlich herausgestellt, dass daraus nicht einmal hervorgehe, wann dem Beschwerdeführer ein Visum ausgestellt worden sei und um welche Art von Visum es sich handle. Das Schreiben sei ihm darüber hinaus nie zur Kenntnis gebracht worden, sodass er bisher dazu keine Stellungnahme habe abgeben können. Aus den Feststellungen der belangten Behörde ergebe sich nicht, wann und mit welcher Gültigkeitsdauer ein Visum für ihn ausgestellt worden sei und um welche Art eines Visums es sich dabei gehandelt habe.

Diese Einwendungen führen die Beschwerde zum Erfolg.

Die Artikel 3, 5 und 15 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages, BGBl. III Nr. 165/1997, (Dubliner Übereinkommen - DÜ) lauten (Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Artikel 3

(1) Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, jeden Asylantrag zu prüfen, den ein Ausländer an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt.

(2) Dieser Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat gemäß den in diesem Übereinkommen definierten Kriterien geprüft. Die in den Artikeln 4 bis 8 aufgeführten Kriterien werden in der Reihenfolge, in der sie aufgezählt sind, angewendet.

(3) Der Antrag wird von diesem Staat gemäß seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und seinen internationalen Verpflichtungen geprüft.

(4) Jeder Mitgliedstaat hat unter der Voraussetzung, dass der Asylbewerber diesem Vorgehen zustimmt, das Recht, einen von einem Ausländer gestellten Asylantrag auch dann zu prüfen, wenn er auf Grund der in diesem Übereinkommen definierten Kriterien nicht zuständig ist. Der nach den genannten Kriterien zuständige Mitgliedstaat ist dann von seinen Verpflichtungen entbunden, die auf den Mitgliedstaat übergehen, der den Asylantrag zu prüfen wünscht. Dieser Mitgliedstaat unterrichtet den nach den genannten Kriterien verantwortlichen Mitgliedstaat, wenn letzterer mit dem betreffenden Antrag befasst worden ist.

(5) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Asylbewerber nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften unter Wahrung der Bestimmungen des Genfer Abkommens in der Fassung des New Yorker Protokolls in einen Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

(6) Das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der auf Grund dieses Übereinkommens für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, wird eingeleitet, sobald ein Asylantrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt wird.

(7) Der Mitgliedstaat, bei dem der Asylantrag gestellt wurde, ist gehalten, einen Asylbewerber, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates befindet und dort einen Asylantrag gestellt hat, nachdem er seinen Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen des Artikels 13 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates zum Abschluss zu bringen. Diese Verpflichtung erlischt, wenn der Asylbewerber unterdessen das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten mindestens drei Monate lang verlassen oder in einem Mitgliedstaat eine Aufenthaltserlaubnis für mehr als drei Monate erhalten hat.

Artikel 5

(1) Besitzt der Asylbewerber eine gültige Aufenthaltserlaubnis, so ist der Mitgliedstaat, der die Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig.

(2) Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, soweit nicht einer der nachstehenden Fälle vorliegt:

a) Ist dieses Visum mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt worden, so ist dieser für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Konsultiert ein Mitgliedstaat insbesondere aus Sicherheitsgründen zuvor die zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaats, so stellt dessen Zustimmung keine schriftliche Zustimmung im Sinne dieser Bestimmung dar.

b) Stellt der Asylbewerber, der ein Transitvisum besitzt, seinen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er nicht visumpflichtig ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

c) Stellt der Asylbewerber, der ein Transitvisum besitzt, seinen Antrag in dem Staat, der ihm dieses Visum erteilt hat und der von den diplomatischen oder konsularischen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats eine schriftliche Bestätigung erhalten hat, derzufolge der von der Visumpflicht befreite Ausländer die Voraussetzungen für die Einreise in diesen Staat erfüllt, so ist letzterer für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

(3) Besitzt der Asylbewerber mehrere gültige Aufenthaltsgenehmigungen oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so ist für die Prüfung des Asylantrags in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Staat, der die Aufenthaltserlaubnis mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder, bei gleicher Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsgenehmigungen, der Staat, der die zuletzt ablaufende Aufenthaltserlaubnis erteilt hat;

b) der Staat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um Visa gleichen Typs handelt;

c) bei nicht gleichwertigen Visa der Staat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder, bei gleicher Gültigkeitsdauer, der Staat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat. Diese Bestimmung gilt nicht für den Fall, dass der Asylbewerber im Besitz eines oder mehrerer Transitvisa ist, die auf Vorlage eines Einreisevisums für einen anderen Mitgliedstaat erteilt worden sind. In diesem Fall ist dieser Staat zuständig.

(4) Besitzt der Asylbewerber nur eine oder mehrere seit weniger als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltsgenehmigungen oder ein oder mehrere seit weniger als sechs Monaten abgelaufene Visa, auf Grund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Ausländer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Besitzt der Asylbewerber eine oder mehrere seit mehr als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltsgenehmigungen oder ein oder mehrere seit mehr als sechs Monaten abgelaufene Visa, auf Grund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat der Ausländer das gemeinsame Hoheitsgebiet nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird.

Artikel 15

(1) Jeder Mitgliedstaat übermittelt jedem Mitgliedstaat, der dies beantragt, die personenbezogenen Informationen, die erforderlich sind, um

(2) Betreffen dürfen diese Informationen ausschließlich

(3) Außerdem kann ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, ihm die Gründe, die der Asylbewerber zur Unterstützung seines Antrags angeführt hat, und gegebenenfalls die Gründe für die bezüglich seines Antrags getroffene Entscheidung mitzuteilen. Es liegt im Ermessen des ersuchten Mitgliedstaates zu beurteilen, ob er dem Ersuchen Folge leisten kann. Auf jeden Fall ist die Erteilung dieser Auskünfte von der Zustimmung des Asylbewerbers abhängig.

(4) Dieser Informationsaustausch erfolgt auf Antrag eines Mitgliedstaates und kann nur zwischen den Behörden stattfinden, die von jedem Mitgliedstaat dem in Artikel 18 genannten Ausschuss mitgeteilt werden.

(5) Die übermittelten Informationen dürfen nur zu den in Absatz 1 vorgesehenen Zwecken verwendet werden. Diese Informationen dürfen in jedem Mitgliedstaat nur den Behörden und Gerichten übermittelt werden, die beauftragt sind,

(6) Der Mitgliedstaat, der die Daten übermittelt, sorgt für ihre Richtigkeit und ihre Aktualität. Zeigt sich, dass dieser Mitgliedstaat unrichtige Daten oder Daten übermittelt hat, die nicht hätten übermittelt werden dürfen, werden die Empfängermitgliedstaaten darüber unverzüglich informiert. Sie sind gehalten, diese Informationen zu berichtigen oder sie zu löschen.

(7) Ein Asylbewerber hat das Recht, sich die über seine Person ausgetauschten Informationen mitteilen zu lassen, solange sie verfügbar sind; er hat hierfür jeweils einen Antrag zu stellen. Stellt er fest, dass diese Informationen unrichtig sind oder nicht hätten übermittelt werden dürfen, hat er das Recht auf Berichtigung oder Löschung. Dieses Recht wird gemäß den in Absatz 6 vorgesehenen Bedingungen ausgeübt.

(8) In jedem betroffenen Mitgliedstaat werden die Weitergabe und der Erhalt der ausgetauschten Informationen vermerkt.

(9) Diese Daten werden nur so lange aufbewahrt, wie dies zu der Erreichung der mit dem Austausch der Daten verfolgten Zielsetzungen notwendig ist. Die Notwendigkeit der Aufbewahrung ist von dem betreffenden Mitgliedstaat zum geeigneten Zeitpunkt zu prüfen.

(10) Die so übermittelten Informationen genießen auf jeden Fall mindestens den Schutz, den der Empfängerstaat Informationen gleicher Art gewährt.

(11) Soweit die Daten nicht automatisiert, sondern auf sonstige Weise verarbeitet werden, hat jeder Mitgliedstaat geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung dieses Artikels durch wirksame Kontrollen zu gewährleisten. Sofern ein Mitgliedstaat über eine Stelle von der Art des in Absatz 12 genannten Gremiums verfügt, kann er ihr diese Kontrollaufgaben übertragen.

(12) Wünschen ein oder mehrere Mitgliedstaaten die in den Absätzen 2 und 3 aufgeführten Angaben ganz oder teilweise zu speichern, so ist dies nur möglich, wenn die betreffenden Länder Rechtsvorschriften für diese Datenverarbeitung erlassen haben, die die Durchführung der Grundsätze des Straßburger Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Jänner 1981 verwirklichen, und wenn sie ein geeignetes nationales Gremium mit der unabhängigen Kontrolle der Behandlung und Verwendung der gemäß diesem Übereinkommen übermittelten Angaben beauftragt haben."

Die "Allgemeinen Leitlinien für die Durchführung des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages" vom 11. und 12. Juni 1992, veröffentlicht in der vom UNHCR herausgegebenen Textsammlung zur Europäischen Asylpraxis, Stand 1998, erläutern nach dem Untertitel "Bestimmung der Fristen und tatsächliche Einreise in einen Staat im Rahmen des Artikel 5 Absatz 4 Unterabsätze 1 und 2", dass für die Berechnung der Verfallsdauer der Aufenthaltsgenehmigungen oder Visa von dem Tag auszugehen sei, an dem der Asylantrag gestellt werde (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0419). Im Übrigen sei eine Prüfung des Verfalls der Aufenthaltsgenehmigungen und Visa insofern nicht erforderlich, als die entsprechenden Angaben in den Dokumenten des Asylwerbers enthalten seien.

Unter dem Titel "Beweismittel im Rahmen des Dubliner Übereinkommens" nennen die erwähnten Materialien als Beweise für gültige Visa bzw. für seit weniger als sechs Monaten abgelaufene Visa das ausgestellte Visum selbst, den Auszug aus dem Ausländerregister bzw. den entsprechenden Registern und schließlich Berichte oder Bestätigungen durch den Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat. Als Indizien für derartige Visa werden unter anderem Berichte oder Bestätigungen durch jenen Mitgliedstaat, der das Visum nicht ausgestellt hat, angeführt.

Um die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates zur Behandlung des Asylantrages des Beschwerdeführers zu bestimmen, reicht die nicht weiter konkretisierte Feststellung, das französische Innenministerium habe mitgeteilt, dem Berufungswerber sei von französischen Behörden ein Visum erteilt worden, nicht aus. Die Beurteilung dieser asylrechtlichen Zuständigkeit eines Mitgliedstaates erfordert nach Artikel 5 Abs. 2 DÜ die Feststellung, ob von ihm ein im Zeitpunkt der Asylantragstellung (noch) gültiges Visum erteilt worden sei, und nach Art. 5 Abs. 4 DÜ (u.a.) die Feststellung, ob der Asylwerber ein seit weniger als sechs Monaten abgelaufenes Visum besitze, auf Grund dessen er in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates eingereist sei. Der Beschwerdeführer, der das Unterbleiben einer Übersetzung der Bestätigung des französischen Innenministers vom 17. September 1999 rügt, zeigt mit dem beschriebenen rechtlichen Feststellungsmangel zugleich die Relevanz dieses der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlers auf.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde eine ergänzende Bestätigung des Innenministers der Französischen Republik einzuholen und diese in die deutsche Sprache zu übersetzen haben, die insbesondere all jene Daten des erteilten Visums enthalten muss, aus denen sich die Art, die Gültigkeit bzw. der Zeitpunkt des Ablaufes des Visums ergibt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. Mai 2000

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