VwGH 2003/18/0089

VwGH2003/18/008926.6.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, geboren 1965 oder 1960, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 29. Oktober 2002, Zl. III 4033-80/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §39 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 29. Oktober 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen armenischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 sowie §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil vom 31. Oktober 2001 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß § 127, § 130 erster Satz, erster Fall und § 15 StGB sowie wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 leg. cit. zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde:

"Der Beschuldigte Hrach Sogosian ist schuldig, er hat I. anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen, und zwar:

1. zwischen dem 09.11.2000 und dem 21.09.2001 in Fieberbrunn, Götzens, Volders, Hall i.T., Innsbruck und anderen Orten Unbekannten in zahlreichen Zugriffen diverse Parfüms, Körperpflegeprodukte, Geldtaschen, Schreibutensilien, Handy-Zubehör, Elektrogeräte, Feuerzeuge, Messer, Fotoapparate, Filme, Batterien, Herren-, Damen- und Kinderbekleidung, Schuhe, Sonnenbrillen, Schmuck- und Ziergegenstände in einem im Zweifel zugunsten des Beschuldigten S 25.000,-- nicht übersteigenden Gesamtwert,

2. am 21.09.2001 in Innsbruck Berechtigten der Filiale des Geschäftes 'DM' im Einkaufszentrum 'Sillpark' 6 Parfüms sowie

3. am 21.09.2001 in Innsbruck Berechtigten der Firma 'Interspar' im Einkaufszentrum 'Sillpark' zwei Stück Disc-Walkman der Marke Sony, wobei es jedoch beim Versuch geblieben ist

II. am 21.09.2001 in Innsbruck im Anschluss an die zu oben I.3. geschilderten Taten im Zuge seiner Flucht einen Disc-Walkman der Marke Sony im Wert von S 1.190,-- sohin eine fremde bewegliche Sache, absichtlich zu Boden geschleudert und dadurch beschädigt."

Die Verurteilung zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG. Das gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeige deutlich die negative Einstellung zur Rechtsordnung. Daraus entstehe der Eindruck, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Sein Aufenthalt stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zwar gegeben, mache das Aufenthaltsverbot jedoch nicht im Grund des § 37 Abs. 1 FrG unzulässig. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Schutz der Rechte anderer (auf Vermögen) habe einen großen öffentlichen Stellenwert, großes öffentliches Gewicht. Der Beschwerdeführer sei im Dezember 1999 gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem im Jahr 1996 geborenen Kind aus Deutschland in das Bundesgebiet eingereist, nachdem das Asylverfahren in Deutschland negativ beendet worden wäre. Der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen hätten in Österreich sofort Asylanträge stellt, welche am 11. April 2001 rechtskräftig abgewiesen worden seien. Dennoch hätten der Beschwerdeführer und seine Familie das Bundesgebiet nicht verlassen. Am 18. Oktober 2000 habe die Gattin des Beschwerdeführers ein weiteres Kind geboren. Eine gegen den abweisenden Asylbescheid erhobene Beschwerde sei derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Der Beschwerde der Gattin und des älteren Kindes des Beschwerdeführers sei am 30. Juli 2001 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Der Beschwerdeführer und seine Familie lebten seit fast drei Jahren in Österreich, seit einem Jahr in Innsbruck. Der Beschwerdeführer arbeite "nunmehr" als Schuster in einer Fachwerkstätte. Seine Gattin sei am Arbeitsmarkt nicht integriert. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers seien dementsprechend gering. Eine intensive Bindung bestehe zu "wohltätigen Menschen, Organisationen".

Die befristete Erlassung des Aufenthaltsverbots (für die Dauer von fünf Jahren) entspreche den für die Erlassung maßgeblichen Umständen und sei gemäß § 39 Abs. 1 FrG zulässig.

Bezüglich der Integration des Beschwerdeführers und der Ehegattin würden "die Fakten am Tisch" liegen. Etwas Neues sei in der Berufung nicht vorgebracht worden. Aus diesem Grund habe auf die beantragte (neuerliche) Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Gattin verzichtet werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

1. Auf Grund der unstrittigen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG sei erfüllt, keinen Bedenken.

2.1. Die Behörde erster Instanz hat das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen. Der diesen Bescheid bestätigende Bescheid der belangten Behörde vom 5. Februar 2002 wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0124, aufgehoben. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei Würdigung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere der gewerbsmäßigen Begehung von Straftaten über einen Zeitraum von mehreren Monaten, die Auffassung der Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt wäre, keinen Bedenken begegne. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität. Selbst wenn das Motiv für die Begehung der zahlreichen Diebstähle in der Sorge des Beschwerdeführers um den Unterhalt für sich und seine Familie hätte gelegen sein sollen, böte dies keine Gewähr, dass der Beschwerdeführer, sollte er neuerlich in finanzielle Bedrängnis geraten, nicht weitere Vermögensdelikte begehen würde. Das Aufenthaltsverbot sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet (inländischer Aufenthalt seit Dezember 1999, Haushaltsgemeinschaft mit Gattin und zwei Kindern) im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG gerechtfertigt. Wiewohl die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Straftaten des Beschwerdeführers eine erhebliche Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses darstellten, handle es sich dabei doch nicht um so schwere Delikte, die - angesichts der beachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet - die unbefristete Erlassung eines Aufenthaltsverbots rechtfertigten.

2.2.1. Zur Frage, ob die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. zulässig sei, wird in der Beschwerde Folgendes vorgebracht:

Aus der bedingten Nachsicht eines großen Teiles der Strafe ergebe sich, dass das Gericht eine positive Prognose über das künftige Verhalten des Beschwerdeführers erstellt habe. Vor dem Hintergrund, dass nunmehr bereits die Hälfte der vom Gericht festgesetzten Probezeit verstrichen sei, habe die belangte Behörde ihre Prognoseentscheidung nicht ausreichend begründet.

Da jede Sanktion auch generalpräventiv wirken solle, bestehe öffentliches Interesse daran, verurteilte und besserungsfähige Fremde - wie den Beschwerdeführer - "nicht unverzüglich außer Landes zu schaffen, da die Generalprävention nur wirken kann, wenn die Normadressaten Kenntnis von Verurteilungen erlangen können".

Die belangte Behörde habe sich nicht mit der seit der Erlassung ihres Bescheides vom 5. Februar 2002 weiter fortgeschrittenen Integration auseinandergesetzt und die dazu beantragte Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Gattin nicht durchgeführt.

2.2.2. Dieses Vorbringen ist aus folgenden Gründen nicht zielführend:

Die Fremdenpolizeibehörde hat die Frage des Gerechtfertigseins des Aufenthaltsverbots unabhängig von den die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen. Dass auch eine teilbedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann, ergibt sich im Übrigen aus § 36 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall FrG. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 2000/18/0242.)

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers besteht auch unter dem Gesichtspunkt der generalpräventiven Wirkung von Strafen kein öffentliches Interesse daran, verurteilte Fremde, die besserungsfähig sind, "nicht unverzüglich außer Landes zu schaffen". Abgesehen davon können bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG zu Gunsten des Fremden nur den privaten und familiären Bereich betreffende Umstände berücksichtigt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0451).

Der seit der Erlassung des - vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen - Bescheides der belangten Behörde vom 5. Februar 2002 verstrichene Zeitraum von nicht einmal neun Monaten bietet - auch unter Berücksichtigung des von der belangten Behörde festgestellten Umstandes, dass der Beschwerdeführer nunmehr einer Beschäftigung nachgeht - keinen Anlass, die Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots im Grund der §§ 36 Abs. 1 und 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG anders zu beurteilen, als im - über diesen Bescheid ergangenen - zitierten hg. Erkenntnis vom 17. September 2002.

Da die Beschwerde nicht vorbringt, zu welchen entscheidungswesentlichen Feststellungen die belangte Behörde bei Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Gattin gelangt wäre, tut sie die Relevanz des diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

2.3. Aus diesen Gründen bestehen keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 umschriebene Annahme gerechtfertigt sei und die Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehe.

3. Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbots für die Dauer von fünf Jahren.

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 2001, Zl. 2001/18/0231) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von fünf Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf die große Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität durch die gewerbsmäßig begangenen Diebstähle des Beschwerdeführers keinen Bedenken.

Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2003

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