Normen
VwGG §42 Abs2 Z1;
WaffG 1996 §18 Abs2 idF 2002/I/134;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WaffG 1996 §18 Abs2 idF 2002/I/134;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. März 2003 wies der Bundesminister für Landesverteidigung den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. März 2002 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Erwerb und Besitz eines halbautomatischen Gewehres Steyr AUG, Kaliber 9 x 19 mm (im Folgenden: AUG/9 mm) gemäß § 18 Abs. 2 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) in Verbindung mit der Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 624/1977, ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Landesverteidigung nach Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens aus, beim antragsgegenständlichen Gewehr handle es sich um ein halbautomatisches Steyr AUG, Kaliber 9 x 19 mm. Gemäß § 1 Abschnitt I Z. 1 lit. a der Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial sei das in Rede stehende Gewehr als Kriegsmaterial anzusehen. Wie sich aus § 18 Abs. 2 letzter Satz WaffG ergebe, sei die Ausnahmebewilligung jedenfalls zu versagen, wenn gegen ihre Erteilung gewichtige Interessen, insbesondere militärischer oder sicherheitspolizeilicher Art sprechen. Im Einzelfall sei vor Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 2 WaffG zu prüfen, ob dem Erwerb, Besitz oder Führen des konkreten antragsgegenständlichen Kriegsmaterials durch Privatpersonen militärische Interessen entgegenstünden. Als spezifisches militärisches Interesse sei dabei die Aufrechterhaltung der militärischen Sicherheit anzusehen. Militärische Sicherheit gemäß § 1 Abs. 11 des Militärbefugnisgesetzes (MBG) sei der Schutzzustand militärischer Rechtsgüter, der der Art und Schutzwürdigkeit dieser Rechtsgüter sowie der Art und Intensität einer möglichen Gefährdung entspreche. Es sei daher zunächst zu prüfen, ob die Innehabung des antragsgegenständlichen Kriegsmaterials durch Privatpersonen eine Gefährdung der militärischen Sicherheit darstelle. Falls es sich beim antragsgegenständlichen Kriegsmaterial um eine Waffe handle, die im österreichischen Bundesheer eingeführt sei und für die Erfüllung der verfassungsgesetzlichen Aufgaben durch dieses eingesetzt werde bzw. eingesetzt werden könnte, sei eine Gefährdung der militärischen Sicherheit jedenfalls zu bejahen. Sofern sich derartige Waffen im Besitz von - wenn auch verlässlichen - Privatpersonen befänden, könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese unter Umständen gegen militärische Rechtsgüter - wie etwa Leben und Gesundheit von Personen, die mit der Vollziehung militärischer Angelegenheiten betraut sind - eingesetzt werden könnten. Auch sei im Interesse der militärischen Sicherheit jedenfalls zu unterbinden, dass Privatpersonen die Möglichkeit erhalten, sich ein Detailwissen über die technischen Besonderheiten derartiger beim Bundesheer in Verwendung stehender Waffen anzueignen und deren Verhalten (z.B. Fehleranfälligkeit) unter Extrembedingungen (Hitze, Kälte etc.) zu erforschen. Darüber hinaus bestehe auch ein massives (wehrpolitisches) Interesse darin, dem Bundesheer ein weitestgehendes "Exklusivrecht" am Besitz des bundesheertypischen Kriegsmaterials vorzubehalten, um nicht den Eindruck zu erwecken, es handle sich hiebei um eine auf dem freien Markt erhältliche Gebrauchswaffe. Die antragsgegenständliche Waffe stehe im österreichischen Bundesheer in Verwendung. Der vom Beschwerdeführer behauptete Umstand, dass eine vollautomatische Schlageinrichtung nicht ohne Genehmigung für eine vollautomatische Waffe erhältlich sei, ändere nichts daran, dass ein Umbau der antragsgegenständlichen Waffe zu einem Vollautomaten ohne großen technischen Aufwand möglich sei. Für die Entscheidungsfindung im Gegenstand sei nicht ausschlaggebend gewesen, ob eine solche Veränderung an der Waffe durch den Beschwerdeführer vorgenommen oder veranlasst werden könne, sondern die theoretische Möglichkeit des Umbaus zu einem Vollautomaten. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die antragsgegenständliche Waffe selbst dann, wenn sie nur über eine Schlageinrichtung für Einzelfeuer verfüge, in Bauart und Wirkungsweise den dem österreichischen Bundesheer zur Verfügung stehenden Waffen vergleichbar sei. Die Prüfung des Vorliegens der weiteren für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 2 WaffG normierten Voraussetzungen habe unterbleiben können, weil die Bewilligungserteilung bereits wegen der entgegenstehenden gewichtigen militärischen Interessen gesetzlich nicht zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 14. März 2003) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das WaffG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/2002 maßgeblich.
1.1. Die einschlägigen Bestimmungen des WaffG lauteten (auszugsweise):
"Kriegsmaterial
§ 5. Kriegsmaterial sind die auf Grund des § 2 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977, durch Verordnung bestimmten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände.
...
Kriegsmaterial
§ 18. (1) Der Erwerb, der Besitz und das Führen von Kriegsmaterial sind verboten.
(2) Der Bundesminister für Landesverteidigung kann verlässlichen Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und ein berechtigtes Interesse für den Erwerb, Besitz oder das Führen von Kriegsmaterial glaubhaft machen, Ausnahmen von den Verboten des Abs. 1 bewilligen. Solche Ausnahmebewilligungen bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Inneres. Sie sind zu versagen, wenn gegen ihre Erteilung gewichtige Interessen, insbesondere militärischer oder sicherheitspolizeilicher Art sprechen."
1.2. § 2 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 30a/1991, lautet:
"§ 2. Die Bundesregierung bestimmt im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates durch Verordnung, welche Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände nach dem jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung als Kriegsmaterial im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen sind."
1.3. Die Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 624/1977, lautet (auszugsweise):
"§ 1. Als Kriegsmaterial sind anzusehen:
Waffen, Munition und Geräte
1.
...
a) Halbautomatische Karabiner und Gewehre, ausgenommen Jagd- und Sportgewehre, vollautomatische Gewehre, Maschinenpistolen, Maschinenkarabiner und Maschinengewehre;
..."
2. Nicht zu beanstanden ist im Beschwerdefall zunächst die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, bei dem in Rede stehenden AUG/9 mm handle es sich nach § 1 Abschnitt I Z. 1 lit. a der Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial um Kriegsmaterial.
Die Beschwerde erweist sich jedoch aus folgenden Erwägungen als berechtigt:
Auszugehen ist zunächst davon, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine (negative) Ermessensentscheidung getroffen hat. Wie sich sowohl aus der Begründung des angefochtenen Bescheides als auch - unmissverständlich - aus der Gegenschrift ergibt, hat die belangte Behörde im Beschwerdefall das Vorliegen des Versagungsgrundes militärischer Interessen im Sinne des § 18 Abs. 2 letzter Satz WaffG angenommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich seit der Erlassung des WaffG mit Bescheiden, mit denen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für Kriegsmaterial wegen des behaupteten Vorliegens militärischer, sicherheitspolizeilicher oder gleichwertiger Interessen versagt wurde, nicht zu befassen. Auf Grund der wesentlichen Gleichartigkeit des § 18 WaffG mit der Vorgängervorschrift des § 28a des Waffengesetzes 1967 (später des Waffengesetzes 1986) ist jedoch die zu den früheren Vorschriften ergangene hg. Judikatur heranzuziehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 19. Oktober 1982, Zlen. 82/11/0179, 0180, festgehalten hat, kann die Frage, ob eine Ausnahmebewilligung zu erteilen ist oder nicht, stets nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles anhand der vom Gesetzgeber aufgestellten Kriterien entschieden werden. "Von der Person losgelöste grundsätzliche" sicherheitspolitische Bedenken, die sich auf die erhöhte Waffenwirkung vollautomatischer Waffen und das damit verbundene erhöhte Risiko wie etwa eines durch Diebstahl oder Gewalttat nicht auszuschließenden Missbrauchs durch Dritte gründen, seien hingegen genereller, abstrakter Natur. Sie schlössen damit die vom Gesetzgeber gewollte Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung von vornherein aus. Der Verwaltungsgerichtshof teilte im erwähnten Erkenntnis die Auffassung des (damaligen) Beschwerdeführers, dass die von der Behörde in der Begründung ihres Bescheides verwendete Formulierung "grundsätzliche sicherheitspolizeiliche Bedenken" nur im Sinn einer in allen Fällen geltenden ablehnenden Haltung gegenüber derartigen Ansuchen aufzufassen sei. Aus diesen Erwägungen wurde im erwähnten hg. Erkenntnis der (damals) angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben (im gleichen Sinne die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 1982, Zlen. 82/11/0183, 0189, vom 9. November 1982, Zl. 82/11/0190 und vom 12. April 1983, Zl. 82/11/0210).
Diese Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof auch in weiterer Folge aufrecht erhalten, wobei er in einer Reihe von Fällen, in denen sich der Antrag auf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für der antragsgegenständlichen Waffe grundsätzlich vergleichbare Waffen, nämlich Maschinenpistolen oder Sturmgewehre, bezogen hatte, der in all diesen Fällen von der belangten Behörde vertretenen Auffassung nicht entgegengetreten ist, dass gegen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zwar weder sicherheitspolizeiliche noch militärische noch gleichwertige Bedenken bzw. Interessen vorlägen bzw. sprächen, die Behörde aber eine (negative) Ermessensentscheidung zu Lasten des Antragstellers für geboten erachtet hatte (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1984, Zl. 83/11/0193, vom 11. November 1985, Zl. 85/12/0031, vom 16. Oktober 1985, Zl. 84/11/0173, vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0227, vom 27. März 1990, Zl. 89/11/0098, sowie vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0367).
Dem dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde liegenden Verständnis der maßgeblichen Vorschrift (nunmehr § 18 Abs. 2 WaffG) über die Zulässigkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung wird der angefochtene Bescheid jedoch nicht gerecht. Wie die oben wieder gegebene Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, hat die belangte Behörde nämlich ganz offensichtlich das Vorliegen militärischer Bedenken gegen die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung geltend gemacht, ohne die gebotene Entscheidung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles vorgenommen zu haben. Die belangte Behörde verwendet zwar, anders als im erwähnten hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1982, Zlen. 82/11/0179, 0180, nicht die Formulierung "von der Person losgelöste grundsätzliche ... Bedenken", mit ihrer abstrakten Überlegung, dass im Verfahren zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen für im österreichischen Bundesheer eingeführte Waffen eine Gefährdung der militärischen Sicherheit jedenfalls zu bejahen sei, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese Waffen gegen militärische Rechtsgüter eingesetzt werden und Privatpersonen die Möglichkeit erhalten könnten, sich ein unerwünschtes Detailwissen über die technischen Besonderheiten solcher Waffen anzueignen, bringt sie in gleicher Weise die von der Person des Antragstellers und damit dem Einzelfall losgelöste Annahme des Bestehens solcher Bedenken klar zum Ausdruck.
Der Verwaltungsgerichtshof übersieht dabei nicht, dass das militärische Interesse an der Geheimhaltung von Details über vom Bundesheer verwendetes Kriegsmaterial grundsätzlich einen Versagungsgrund im Sinn des § 18 Abs. 2 letzter Satz WaffG bilden könnte, dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass es auf die von der Behörde festzustellenden Umstände des Einzelfalles ankommt. Will die Behörde den genannten Versagungsgrund des Vorliegens militärischer Interessen gegen die Nichterteilung der Ausnahmebewilligung ins Treffen führen, so hat sie das Vorliegen solcher Interessen durch entsprechend begründete Feststellungen darzutun. Solche Feststellungen, die über den bloßen Befund, dass das AUG/9 mm dem österreichischen Bundesheer zur Verfügung steht, hinausgehen, enthält der angefochtene Bescheid jedoch nicht. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es bei einer dem Bundesheer anscheinend bereits seit vielen Jahren zur Verfügung stehenden Waffe besonderer Gründe bedürfte, um ein (weiterhin) bestehendes Geheimhaltungsinteresse plausibel zu machen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 28. Oktober 2003
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