VwGH 82/11/0179

VwGH82/11/017919.10.1982

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Mag. Öhler, Dr. Kramer, Dr. Knell und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger, über die Beschwerde des Dr. GA in W, vertreten durch Dr. Robert Amhof, Rechtsanwalt in Wien VI, Linke Wienzeile 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 4. Juni 1982, Zl. 10.301/778‑1.5/81, betreffend Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach dem Waffengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1967 §28a Abs1 idF 1980/075
WaffG 1967 §28a Abs2 idF 1980/075

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1982110179.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte im Juli 1980 an die belangte Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 28 a des Waffengesetzes. Er brachte hiezu unter Hinweis auf die Waffengesetznovelle 1979, BGBl. Nr. 75/1980 sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 624/1977 vor, in seinem Besitz befänden sich Waffen, die möglicherweise (zumindest teilweise) als Kriegsmaterial im Sinne der oben genannten Gesetzesstelle angesehen werden könnten, und zwar:

1. eine Selbstladepistole M 61, Kaliber 7,65 Marke Skorpion (Halbautomat);

2. ein halbautomatisches Gewehr Marke Colt AR 15, Kaliber 223 Modell SP 1, Ser. SP 36723.

Nach dem Dafürhalten des Beschwerdeführers handle es sich bei der unter Z. 1 genannten Waffe um keinen „Karabiner oder Gewehr“, bei der unter Z. 2 genannten Waffe um ein Jagd- oder Sportgewehr (beides im Sinne des § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 624/77), doch könne letztere Subsumtion zweifelhaft sein. Die im § 28 a Abs. 2 Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit des Beschwerdeführers und die Vollendung des 21. Lebensjahres würden durch die langjährige Tätigkeit des Beschwerdeführers als öffentlicher Notar dargetan; sie könnten überdies auf Grund seiner Tätigkeit als Jagdaufseher in mehreren näher bezeichneten Revieren als bescheinigt angesehen werden.

In seiner Stellungnahme zu diesem Antrag vom 14. November 1980 gab der Bundesminister für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, bekannt, daß die Schußwaffe M 61 Skorpion Kal. 7,65 mm als Maschinenpistole anzusehen sei. Gegen die Erteilung der Ausnahmebewilligung zum Besitz und Führen dieser Maschinenpistole an den Beschwerdeführer bestünden grundsätzliche sicherheitspolizeiliche Bedenken. Auch das halbautomatische Gewehr „Colt AR 15 Sporter Rifle“ stelle keineswegs ein Jagd- oder Sportgewehr dar; vielmehr sei auch diese Schußwaffe als Kriegsmaterial anzusehen. Der vom Beschwerdeführer beantragten Erteilung der Ausnahmebewilligung zum Besitz dieser halbautomatischen Schußwaffe werde zugestimmt. Hingegen werde gegen die Erteilung der Ausnahmebewilligung zum Führen dieser Waffe aus grundsätzlichen sicherheitspolitischen Erwägungen Einwand erhoben.

In seiner hiezu erstatteten Stellungnahme vom 22. Juli 1981 brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Verwendung der in Rede stehenden Maschinenpistole MA 61 Skorpion sei in einer Ausnahmesituation, etwa zur Ausübung des Jagdschutzes oder in beruflicher Beziehung gegeben, weil der Beschwerdeführer als öffentlicher Notar immer wieder größere Bargeldbeträge zu übernehmen oder zu überbringen habe. Ansonsten sei schon durch den jahrzehntelangen, anstandslosen Besitz und die Führung der Waffe seitens des Beschwerdeführers erwiesen, daß er sie sehr wohl zu verwahren und mißbräuchlichen Gebrauch Dritter auszuschließen vermöge. Im übrigen habe der Gesetzgeber in den Bestimmungen des § 28 a des Waffengesetzes 1967 zum Ausdruck gebracht, daß der Erwerb, der Besitz und das Führen von Kriegsmaterial nicht ausnahmslos verboten seien. Einer antragsgemäßen Erledigung könnten ernstliche sicherheitspolizeiliche Bedenken nicht entgegenstehen.

Nachdem sich der Bundesminister für Inneres in seiner weiteren Stellungnahme vom 24. August 1981 abermals aus gegen den Besitz und das Führen von Kriegsmaterial durch Privatpersonen bestehenden grundsätzlichen sicherheitspolizeilichen Bedenken gegen die aufrechte Erledigung des vorliegenden Antrages im oben dargelegten Umfang ausgesprochen hatte, wies der Bundesminister für Landesverteidigung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Juni 1982 den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Besitz und Führen einer Maschinenpistole Skorpion M 61, Kal. 7,65 mm sowie zum Führen eines halbautomatischen Gewehres Colt AR 1.5 Sporter im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres gemäß § 28 a Abs. 2 und Abs. 5 des Waffengesetzes 1967 in der Fassung der Waffengesetznovelle 1979, BGBl. Nr. 75/1980, in Zusammenhalt mit der Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial vom 22. November 1977, BGBl. Nr. 624, „aus grundsätzlichen sicherheitspolizeilichen Bedenken“ ab. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, die im vorliegenden Antrag angeführten Schußwaffen fielen gemäß 1 Abschnitt 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung der Bundesregierung betreffend Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 624 (ergänze: /1977) in Zusammenhalt mit § 4 a des Waffengesetzes 1967 in der Fassung der Waffengesetznovelle 1979, BGBl. Nr. 75/1980, unter den Begriff des Kriegsmaterials. Die Vorschrift des § 28 a Abs. 1 des Waffengesetzes solle gewährleisten, daß Kriegsmaterial im Regelfall nur staatlichen Einrichtungen und nicht Privatpersonen zugänglich sein solle. Nach Hinweis auf die Vorschrift des § 28 a Abs. 2 leg. cit. führte die belangte Behörde weiter aus, gegen den Besitz und das Führen einer Maschinenpistole Skorpion M 61 und das Führen eines halbautomatischen Gewehres Colt AR 15 Sporter bestünden von der Person losgelöste grundsätzliche sicherheitspolitische Bedenken. Diese Bedenken gründeten sich auf die erhöhte Waffenwirkung vollautomatischer Waffen und das damit verbundene erhöhte Risiko wie etwa eines durch Diebstahl oder Gewalttat nicht auszuschließenden Mißbrauches durch Dritte.

Die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 7. Juli 1980 und seiner Eingabe vom 22. Juli 1981 angeführten Gründe zur Erlangung einer Ausnahmebewilligung zum Besitz und Führen des oben bezeichneten Kriegsmaterials ‑ zur Ausübung des Jagdschutzes und zur Selbstverteidigung ‑ seien nicht ausreichend, vom Grundsatz Abstand zu nehmen, Kriegsmaterial Privatpersonen nicht zugänglich zu machen bzw. führen zu lassen, da eine waffenmäßige Überlegenheit von Privatpersonen durch den Besitz und das Führen vollautomatischer Schußwaffen gegenüber stattlichen Sicherheitsorganen, die ihrerseits im Normalfall nicht mit derartigen leistungsfähigen Waffen ausgerüstet seien, gegeben und daher strikte abzulehnen sei. Ferner bilde schon das bloße Vorhanden sein dieser Waffen in privater Hand für bestimmte Personen einen Anreiz, sich solche Waffen widerrechtlich anzueignen. Die Folge einer solchen Aneignung durch Unbefugte wäre die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung dieser Waffen. Da der Beschwerdeführer weder in seinem Antrag noch in seiner Stellungnahme zum „Ergebnis der Beweisaufnahme“ Umstände vorgebracht hätte, diese Bedenken, die grundsätzlicher sicherheitspolizeilicher Natur seien, hätten zerstreuen können, sei die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Besitz und Führen einer Maschinenpistole Skorpion M 61 sowie zum Führen eines halbautomatischen Gewehres Colt AR 15 Sporter aus diesen Überlegungen zu versagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem Inhalt seines gesamten Vorbringens erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 28 a Abs. 2 des Waffengesetzes für verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 a Abs. 1 des Waffengesetzes 1967 in der Fassung der Waffengesetznovelle 1979, BGBl. Nr. 75/1980, sind der Erwerb, der Besitz und das Führen von Kriegsmaterial verboten. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle können von den Verboten des Abs. 1 auf Antrag Ausnahmebewilligungen erteilt werden. Ausnahmebewilligungen dürfen nur erteilt werden, wenn der Antragsteller verläßlich ist und das 21. Lebensjahr vollendet hat. Sie sind zu versagen, wenn gegen ihre Erteilung militärische, sicherheitspolizeiliche oder andere diesen vergleichbare gewichtige Bedenken bestehen.

Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umstände reichen zur Begründung der von ihr ausgesprochenen Versagung einer Ausnahmebewilligung nach dieser Gesetzesstelle nicht hin. Ob eine solche Ausnahmebewilligung zu erteilen ist oder nicht, kann nämlich stets nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles anhand der vom Gesetzgeber aufgestellten Kriterien entschieden werden. „Von der Person losgelöste grundsätzliche“ sicherheitspolitische Bedenken, die sich auf die erhöhte Waffenwirkung vollautomatischer Waffen und das damit verbundene erhöhte Risiko wie etwa eines durch Diebstahl oder Gewalttat nicht auszuschließenden Mißbrauches durch Dritte gründen, sind hingegen genereller, abstrakter Natur; sie schlössen damit die vom Gesetzgeber gewollte Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung von vornherein aus. Zutreffend verweist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf, daß die von der belangten Behörde in der Begründung ihres Bescheides verwendete Formulierung „grundsätzliche sicherheitspolizeiliche Bedenken“ nur im Sinne einer in allen Fällen geltenden ablehnenden Haltung gegenüber derartigen Ansuchen aufzufassen ist. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift demgegenüber auf die Ausführungen der dort namentlich genannten Abgeordneten in der 23. Sitzung des Nationalrates, XV. GP., verweist, welche zum Ausdruck gebracht hätten, Kriegsmaterial solle Privatpersonen „grundsätzlich“ nicht zugänglich sein, so übersieht sie, ‑ abgesehen von der Frage der Relevanz derartiger Aussagen für die Interpretation des Gesetzestextes ‑, daß nach dem Inhalt der stenografischen Protokolle beide Abgeordnete in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Zulässigkeit von Ausnahmen hingewiesen haben.

Ebenso versagt der (gleichfalls in der Gegenschrift enthaltene) Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1979, Zl. 136/79, das noch- zu der ‑ inhaltlich in Bezug auf die hierzu lösende Rechtsfrage im wesentlichen gleichlautenden, mit dem Wirksamwerden der Waffengesetznovelle 1979 außer Kraft getretenen ‑ Bestimmung des § 40 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 des Waffengesetzes (alte Fassung) erflossen war. Damals ging der Verwaltungsgerichtshof nämlich ausdrücklich davon aus, daß unter Bedachtnahme auf die dort näher dargestellten Umstände des Beschwerdefalles allein durch die zahlenmäßige Vergrößerung des Besitzstandes des damaligen Beschwerdeführers an Waffen eine ‑ nicht etwa bloßabstrakte - Risikovergrößerung eintrete. Solche konkreten Umstände wurden jedoch im vorliegenden Beschwerdefall weder erhoben noch zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogen. Welche Gründe der Beschwerdeführer seinerseits für die Erteilung der Ausnahmebewilligung ins Treffen führte ‑ Sicherung des Jagdschutzes, Selbstverteidigung ‑, ist in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang (ob nämlich gegen die Erteilung der Ausnahmebewilligung sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen) ohne rechtliches Gewicht.

Wenn es im angefochtenen Bescheid schließlich heißt, der Beschwerdeführer habe weder in seinem Antrag noch in seiner Stellungnahme „zum Ergebnis der Beweisaufnahme“ Umstände vorgebracht, die die Bedenken grundsätzlicher sicherheitspolizeilicher Natur hätten zerstreuen können, so ist dies in mehrfacher Hinsicht aktenwidrig. Abgesehen davon nämlich, daß eine Beweisaufnahme gar nicht stattgefunden hat, hat der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 22. Juli 1981 ausdrücklich vorgebracht, durch den jahrzehntelangen, anstandslosen Besitz und die Führung der Maschinenpistole M 61 Skorpion sei erwiesen, daß sie der Beschwerdeführer sehr wohl zu verwahren und mißbräuchlichen Gebrauch Dritter auszuschließen vermöge. Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde, von ihrer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, jedoch nicht eingegangen.

Schon diese Ausführungen zeigen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Beschwerdepunkt in seinen Rechten verletzt wurde. Gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 war daher der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Damit erübrigte sich auch eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Der Beschwerdeführer hat lediglich beantragt, ihm „die Kosten des Verfahrens zuzusprechen“; im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, Seite 553) konnte ihm daher nur der Schriftsatzaufwand zuerkannt werden.

Hinsichtlich des oben erwähnten, in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlichten Erkenntnisse vom 10. Dezember 1979, sei an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 19. Oktober 1982

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte