VwGH 2001/08/0172

VwGH2001/08/017223.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, in der Beschwerdesache des H in W, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 4, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 14. September 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-5179, und vom 14. September 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-4927, betreffend Widerruf von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 662,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, zu Zl. 2001/08/0172 angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers für die Zeit vom 10. Mai 1998 bis 21. November 1999 widerrufen.

Mit dem zu Zl. 2001/08/0173 angefochtenen Berufungsbescheid hat die belangte Behörde den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom 1. Jänner 1998 bis 9. Mai 1998 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen.

Beide Bescheide werden damit begründet, dass der Beschwerdeführer - wie sich aus den nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1998 und 1999 ergebe - selbständig erwerbstätig gewesen sei. Im Einkommensteuerbescheid vom 4. April 2000 werde das Jahreseinkommen für 1998 mit S 223.270,-- ausgewiesen, was ein monatliches Einkommen von S 18.606,-- ergebe. Dies liege eindeutig über der Geringfügigkeitsgrenze von S 3.830,--. Der Einkommensteuerbescheid vom 19. Juni 2000 für das Jahr 1999 stelle ein Einkommen aus selbständiger Arbeit von S 87.603,-- fest, was ein monatliches Einkommen von S 7.301,-- ergebe und die Geringfügigkeit von S 3.899,-- ebenfalls übersteige.

Gegen diese Bescheide richten sich die zu Zl. 2001/08/0172 bzw. 2001/08/0173 registrierten Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der jeweiligen Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen miteinander verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat darüber erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 78/1997 ist Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a., dass Arbeitslosigkeit vorliegt.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG in den hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassungen BGBl. I Nr. 6/1998 und Nr. 56/1998 gilt nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist. Als arbeitslos gilt jedoch gemäß § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit., wer selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Einkommen im Sinne des AlVG ist gemäß § 36a Abs. 2 AlVG in den hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassungen BGBl. I Nr. 6/1998 und Nr. 56/1998 das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß § 36a Abs. 3 AlVG und dem Pauschalierungsausgleich gemäß § 36a Abs. 4 AlVG. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 EStG 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, ist das Einkommen gemäß § 36a Abs. 5 Z 1 AlVG durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides nachzuweisen.

Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es gemäß § 24 Abs. 1 AlVG einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung gemäß § 24 Abs. 2 leg. cit. zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Selbständige Erwerbstätigkeit ist der Inbegriff der in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verrichteten Arbeitsleistungen, die die Schaffung von Einkünften in Geld oder sonstigen Gütern bezweckt. Hiebei ist es rechtlich belanglos, ob dieser Zweck regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht wird (vgl. die Erkenntnisse vom 4. Juli 1985, Zl. 83/08/0195, und vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0202). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für den Beginn des Zeitraumes einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zufließens von Einkünften aus einer solchen an, sondern vielmehr auf jenen Zeitpunkt, in dem eine solche Tätigkeit erstmals entfaltet worden ist, d.h. ab welchem Zeitpunkt die im Rahmen der selbständigen Erwerbstätigkeit beabsichtigten Leistungen erstmals nach außen zu Tage tretend zumindest angeboten wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0260).

Für die Qualifikation eines Zeitraumes, in welchem auf Grund einer Rahmenvereinbarung eine selbständige Erwerbstätigkeit entfaltet wird, ist es unbeachtlich, ob die damit verbundenen Arbeitstätigkeiten nur an einzelnen Tagen oder aber kontinuierlich entfaltet werden; es ist vielmehr der gesamte Zeitraum, während dessen die selbständige Erwerbstätigkeit durch das Anbieten von entgeltlichen Dienstleistungen ausgeübt wird, als Zeitraum derselben anzusehen (vgl. die Erkenntnisse vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0265, sowie vom 31. Mai 2000, Zl. 96/08/0244, vom 3. Oktober 2002, Zl. 2002/08/0026 und vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0069).

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren für den hier in Rede stehenden Zeitraum stets angegeben, als Schauspieler selbständig erwerbstätig gewesen zu sein. Es wird auch in der Beschwerde nicht behauptet, dass der Beschwerdeführer diese selbständige Erwerbstätigkeit während der vom Widerruf erfassten Zeiträume aufgegeben hätte. In der Beschwerde wird vielmehr lediglich bestritten, dass eine durchgehende Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers vorgelegen sei, und zwar mit der Begründung, er sei immer nur für einzelne Vorstellungen, sohin nur tageweise nach Bedarf beschäftigt gewesen. Die Nachfrage nach seiner schauspielerischen Tätigkeit sei de facto vom Beschwerdeführer nicht beeinflussbar und somit zeitlich unvorhersehbar. Der Beschwerdeführer erarbeite auch Konzepte, hinsichtlich derer das Einkommen ungewiss und vom Einspielergebnis abhängig sei. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei als eine Vorübergehende zu qualifizieren und er sei daher nach § 12 Abs. 3 lit. g AlVG nur dann als nach dem AlVG nicht bezugsberechtigt anzusehen, wenn er an mehr als 16 Tagen pro Monat vorübergehend erwerbstätig gewesen wäre oder sein Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten hätte.

Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:

Die in der Beschwerde hervor gehobenen Momente der Unsicherheit und der Inanspruchnahme nach Bedarf sind geradezu typisch für eine selbständige Erwerbstätigkeit, die dadurch charakterisiert ist, dass der Erwerbstätige seine Leistungen auf dem "Markt" für solche Leistungen anbietet. Der Beschwerdeführer war nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde im Jahr 1998 von Jänner bis Dezember in jedem Monat (ausgenommen im August) und im Jahr 1999 von Jänner bis Oktober in jedem Monat (ausgenommen im Oktober) beschäftigt. Der Beschwerdeführer übersieht aber in diesem Zusammenhang, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht nur insoweit und insolange ausgeübt wird, als konkrete Umsatzgeschäfte an einzelnen Tagen getätigt worden sind. Gerade das Beschwerdevorbringen zeigt, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit, wie sie beim Beschwerdeführer angenommen wurde, nicht allein danach beurteilt werden kann, an welchen Tagen der Beschwerdeführer zB als Schauspieler auf einer Bühne stand, sondern dass auch zu berücksichtigen ist, dass in den dazwischen liegenden Zeiten Proben zu absolvieren sowie konzeptive Arbeiten und sonstige Vorbereitungsarbeiten im Rahmen der vom Beschwerdeführer jeweils erarbeiteten "Projekte" zu verrichten waren (wie auch in der Beschwerde hervorgehoben wird). Deren Abgeltung erfolgt regelmäßig durch jene Honorare, die der Beschwerdeführer sodann bei Umsetzung seiner Vorarbeiten auf Grund der jeweiligen (auch tageweisen) Engagements erhalten hat. Es ist daher nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer im gesamten Widerrufszeitraum einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die schauspielerische Tätigkeit mitunter nur an wenigen Tagen innerhalb eines Monates verrichtet worden ist, weil dies einerseits für eine solche Tätigkeit nicht atypisch ist, und es andererseits bei der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht jeweils auf das einzelne Umsatzgeschäft, sondern darauf ankommt, ob diese Tätigkeit in der Absicht, sie bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen und zu einer ständigen Erwerbsquelle zu machen, nachhaltig verrichtet wird.

Soweit der Beschwerdeführer § 12 Abs. 3 lit g AlVG angewendet wissen möchte, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung - soweit sie sich auf selbständig ausgeübte Tätigkeiten bezieht - auf bloß jeweils vorübergehende (d.h. während des Leistungsbezuges begonnene und wieder beendete) selbständige Erwerbstätigkeiten abstellt; diese Bestimmung ist daher auf eine wie hier durchgehend entfaltete selbständige Erwerbstätigkeit auch dann nicht anzuwenden, wenn die einzelnen, zum letztlich maßgebenden steuerpflichtigen Einkommen beitragenden Umsatzgeschäfte auf Engagements beruhen, die für einzelne Tage oder für regelmäßig wiederkehrende Gruppen von Tagen erfolgten. Die Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet. Sie sind gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. April 2003

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