VwGH 2001/05/0144

VwGH2001/05/014420.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden der AGRICOLA Biologischer Landbau und Pferdezucht Gesellschaft m.b.H., nunmehr AGRICOLA CONSULTING GMBH in Wien, vertreten durch Mag. DDr. Ingeborg Guhswald, Rechtsanwalt in Wien 13, Neue Welt-Gasse 5, gegen die Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung 1. vom 1. Februar 2001, Zl. RU1-V-01021/00, betreffend einen Baueinstellungsauftrag (Beschwerde Zl. 2001/05/0144), und 2. vom 27. Dezember 2001, Zl. RU1-V- 01118/01, betreffend einen Abbruchauftrag (Beschwerde Zl. 2002/05/0100) (mitbeteiligte Partei in beiden Beschwerdeverfahren: Gemeinde Muggendorf, vertreten durch den Bürgermeister),

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1996 §14;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1;
BauO NÖ 1996 §17;
BauO NÖ 1996 §29;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
AVG §18 Abs4;
AVG §66 Abs4;
BauO NÖ 1996 §14;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1;
BauO NÖ 1996 §17;
BauO NÖ 1996 §29;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Eventualbegehren der Beschwerdeführerin, der Verwaltungsgerichtshof wolle

A) im Beschwerdeverfahren Zl. 2001/05/0144 den erstangefochtenen Bescheid dahin abändern, dass der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen die zugrundeliegende Berufungsentscheidung stattgegeben werde, hilfsweise selbst entscheiden;

B) im Beschwerdeverfahren Zl. 2002/05/0100 den zweitangefochtenen Bescheid, sowie den zugrundeliegenden Berufungsbescheid vom 2. Oktober 2001 und den zugrundeliegenden erstinstanzlichen Bescheid vom 23. Februar 2001 dahin abändern, dass der Berufung und der Vorstellung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bzw. den Berufungsbescheid stattgegeben werde, hilfsweise selbst entscheiden,

werden zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 664,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die im Zuge des Jahres 2001 ihre Firmenbezeichnung geändert hat, ist bücherliche Eigentümerin einer Liegenschaft im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde sowie (unbestritten) des auf dieser Liegenschaft errichteten Gebäudes, um welches es hier geht.

Zum Beschwerdeverfahren Zl. 2001/05/0144:

In den Gemeindeakten ist in einem "Gedächtnisprotokoll vom 19.6.00 - 16.45 Uhr" (Amtsvermerk) festgehalten, der Verfasser besichtige die Baustelle der in Bau befindlichen Gerätehütte. Er stelle fest, dass es sich hier nicht um eine teilweise Erneuerung handle, sondern um einen kompletten Neubau. Die Fundamentierungsarbeiten mit sämtlichen Außen- und Zwischenwänden seien völlig neu und mit anderem Material wie der Altbestand neu errichtet worden. Nur der alte Dachstuhl sei immer wieder mit neuen Mauern abgestützt worden. Weiters seien an diesem Tage vier Fotos angefertigt worden.

In den Akten befinden sich 7 Fotos, die auf der Rückseite jeweils die handschriftliche Datierung "10.7.2000" aufweisen, weiters 4 (etwas größere) Fotos, (offensichtlich) mit dem Entwicklungsdatum 19. Juli 2000, bei einer mit der Uhrzeit 16.46, bei den drei weiteren mit der Uhrzeit 16.47 (Anm.: angesichts dessen und des Verfahrensablaufes liegt die Vermutung nahe, dass die Datierung "19.6.00" auf einem Schreibfehler beruht und der 19. Juli (nicht: Juni) gemeint war, zumal auch in der beiden Beschwerden von einer Besichtigung am 19. Juli gesprochen wird).

Hierauf erging die erstinstanzliche Erledigung vom 20. Juli 2000 (deren Bescheidqualität in Frage steht). Es handelt sich dabei (den vorgelegten Akten zufolge) um ein handschriftlich ausgefülltes bzw. adaptiertes, mit Bescheid überschriebenes und bescheidmäßig gegliedertes Formular, das im Kopf links oben die Bezeichnung der Gemeinde aufweist; am Schluss befindet sich eine (unleserliche) Unterschrift, darunter der Vordruck "Bürgermeister", darunter eine Namensstampiglie, links daneben das Rundsiegel der mitbeteiligten Gemeinde. Dem Spruch zufolge untersagt der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz gemäß § 29 Z 1 NÖ BauO 1996 die Fortsetzung der Ausführung des nicht bewilligten Bauvorhabens auf dem näher bezeichneten Grundstück mit dem Beifügen, sollte nicht bis spätestens Ende August 2000 um die nachträgliche Baubewilligung angesucht werden, habe die Baubehörde die Wiederherstellung des früheren Zustandes zu verfügen. Wegen Gefahr in Verzug werde einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründet wird dies (lediglich) damit, im Zuge der baubehördlichen Überprüfung sei am 19. Juli 2000 festgestellt worden, dass auf dem Grundstück folgendes Vorhaben ohne entsprechende Baubewilligung gemäß § 14 Z 1 NÖ BO 1996 ausgeführt werde: "Abbruch der bestehenden Hütte (Holzlager) u. Neubau eines Gebäudes". Hinsichtlich der Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung heißt es (im formularmäßigen Vordruck), durch Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung sei der baupolizeiliche Auftrag mit sofortiger Vollstreckbarkeit auszustatten, weil der bestehende Zustand eine ehestens zu beseitigende Gefahr für die Sicherheit von Personen darstelle.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb von zwei Wochen, vom Tag der Zustellung an gerechnet, eine Berufung an den Gemeindevorstand erhoben werden könne. Die Berufung sei schriftlich, fernschriftlich oder telegraphisch beim Gemeindeamt einzubringen. Sie müsse den angefochtenen Bescheid genau bezeichnen sowie einen mit einer eingehenden Begründung versehenen Berufungsantrag enthalten und sei mit S 180,-- zu vergebühren.

Gemäß dem angeschlossenen Rückschein wurde diese Erledigung am 21. Juli 2000 von einem Arbeitnehmer des Vertreters der Beschwerdeführerin (es ist dies ein Zivilingenieur für Hochbau) übernommen.

Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2000 erhob die Beschwerdeführerin (durch ihren Vertreter, den genannten Ziviltechniker) Berufung. Darin wird unter anderem geltend gemacht,

"die Rechtskraftswirkung des Bescheides ist infolge Formmangels - unleserliche und nicht nachvollziehbare Unterschrift des bescheiderlassenden Organes - nicht gegeben. Infolge der Nichtzuordenbarkeit des ausstellenden Organes ist der gegenständliche Bescheid als nichtig anzusehen und nicht rechtswirksam. Vorliegendes Schriftstück weist diesbezüglich nicht den Charakter eines Bescheides auf. Ich verweise hierbei insbesondere auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes GZ 99/12/0108".

Weiters wurde unter anderem geltend gemacht, insbesondere seien durch die bescheidmäßig ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Bescheidempfänger "hohe Kosten betreffend erforderlichen Abbruches der erforderlichen Instandsetzungsarbeiten am gegenständlichen Gebäude gegeben sowie eine Gefährdung der Substanz gegeben, dies insbesonders unter dem Aspekt des in rechtlicher Hinsicht inhaltlich unrichtigen Bescheides".

In einem weiteren Schriftsatz vom 5. August 2000 heißt es unter anderem, die Datierung des Berufungsschriftsatzes werde vom 20. Juli 2000 auf Samstag, den 22. Juli 2000 berichtigt und es heißt in diesem Zusammenhang "Rückkehr des Empfängers infolge Abwesenheit an die Abgabestelle per Samstag, den 22.07.2000".

Mit weiterem Schriftsatz vom 5. August 2000 erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung gegen die erstinstanzliche Erledigung, mit Schriftsatz vom 6. August 2000 wurde ein weiteres Vorbringen erstattet.

Es kam sodann zu einem Schriftverkehr, im Zuge dessen der Bürgermeister mit Erledigung vom 22. August 2000 unter anderem darauf verwies, dass das ordentliche Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Erledigung die Berufung sei.

Am 6. Oktober 2000 erfolgte eine Verhandlung an Ort und Stelle, an welcher unter anderem der Bürgermeister, Sachverständige des Gebietsbauamtes, ein "Rechtsberater der Gemeinde" (Beamter der Bezirkshauptmannschaft), und ein Vertreter der Beschwerdeführerin teilnahmen.

In der Niederschrift heißt es (ua.), laut Katasterplan bestehe auf den Grundstücken 902/4 und 957, die im Eigentum der Beschwerdeführerin stünden, ein Nebengebäude zum Anwesen. Über Genehmigung, Bauart und Nutzung dieses Gebäudes seien keine Aktenunterlagen vorhanden, es sei jedoch von einem genehmigten Altbestand auszugehen. Im August 1999 habe eine Besprechung zwischen dem Vertreter der Beschwerdeführerin und dem Bürgermeister stattgefunden, unter welchen Voraussetzungen eine bewilligungs- und anzeigenfreie Instandsetzung dieses Gebäudes durchgeführt werden könne. Auf Grund "örtlicher Feststellungen" des Bürgermeisters am 19. Juli und am 10. Juli 2000, bei welchen sich ergeben habe, dass Bauarbeiten an diesem Gebäude bereits in Angriff genommen worden seien, habe der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz mit Bescheid vom 20. Juli 2000, zugestellt am 21. Juli 2000, die Einstellung des als bewilligungspflichtig angesehenen Vorhabens gemäß § 29 Z 1 NÖ BO 1996 verfügt und für das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung eine Frist bis Ende August 2000 eingeräumt (...). In der Berufung sei unter anderem geltend gemacht worden, dass es sich dabei nach Ansicht der Beschwerdeführerin um eine bewilligungs- und anzeigefreie Instandsetzung des Gebäudes im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 4 NÖ BO 1996 und nicht um eine bewilligungspflichtige Abänderung handle, weil weder die Konstruktionsart, das Material noch das äußere Erscheinungsbild verändert worden seien. Weiters habe die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. September 2000 bekannt gegeben, dass bei diesem Gebäude der Dachstuhl und die Dacheindeckung saniert bzw. erneuert werde.

Der bautechnische Amtssachverständige führte unter anderem aus, ihm sei dieses Nebengebäude vor Durchführung der Umbaumaßnahmen anlässlich der Erstellung eines Gutachtens für das Hauptgebäude bekannt, wobei ihm die ursprüngliche Bauweise nur im groben Umfang in Erinnerung sei. Das ursprüngliche Gebäude habe aus diversen tragenden Teilen aus Bruchsteinmauerwerk bestanden, wobei im Wesentlichen Sockelmauerwerke bzw. Teile von Außenmauerwerken in Bruchsteinbauweise festgestellt worden seien. Der übrige Teil dieser Außenwände sei seiner Erinnerung nach aus tragenden Holzsäulen mit einfacher Holzverkleidung (Holzverbretterung an der Außenseite) ausgeführt worden. Insbesondere diese Holzteile (Holzverbretterungen) hätten zum damaligen Zeitpunkt augenscheinliche grobe Schäden aufgewiesen. Wie aus den im Bauakt aufliegenden Lichtbildern und aufgrund des an Ort und Stelle durchgeführten Augenscheines festzustellen sei, seien die alten Umfassungswände des Gebäudes (Holzteile und Natursteinmauerwerk) entfernt und neue Fundamente und Umfassungswände aus 25 cm starken Schalsteinmauerwerk hergestellt worden. Soweit aus den Fotos ersichtlich, sei die Dachkonstruktion bei diesen Tätigkeiten abschnittsweise mit geringfügigen Hilfsbauteilen (beispielsweise Holzkeilen) unterstützt und diese Dachkonstruktion somit auf alte und neue Mauerwerksteile den statischen Erfordernissen entsprechend aufgelegt worden. Es seien auf diese Weise nach Angaben des Vertreters der Beschwerdeführerin die Umfassungswände des Nebengebäudes abschnittsweise ausgewechselt worden. Da "nach Angaben" der Fußboden des Gebäudes in der ursprünglichen Form zur rückwärtigen Außenwand angestiegen sei, sei in diesen Bereichen der Boden ebenfalls "gestaltet" worden. Der Dachstuhl des Gebäudes inklusive der Bundträme sei, soweit festgestellt werden könne, bis auf geringfügige Ausbesserungsarbeiten im ursprünglichen Zustand vorhanden. Nach "Angaben" sei unterhalb der Bundträme eine Deckenuntersicht bestehend aus Putzträger und Verputz vorhanden gewesen, die aber entfernt worden sei. Soweit auch festzustellen sei, seien auch aus statischen Gründen die Tor- und Türüberlagen erneuert worden. Als Fußboden sei auf einem Unterbeton ein verfugter Natursteinplattenboden verlegt worden. Das Gebäude sei in zwei Räumlichkeiten unterteilt worden (nach Angaben des Vertreters der Beschwerdeführerin sei auch im alten Gebäude eine Raumteilung vorhanden gewesen) und in dieser neu hergestellten Trennwand sei eine eiserne Verbindungstüre (Brandschutztüre) eingebaut worden. Diese Türe sei nach Angaben des Vertreters der Beschwerdeführerin schon im ursprünglichen Bestand vorhanden gewesen. Zum Zeitpunkt des Augenscheines seien auch das alte doppelflügelige Zugangstor und die alte Zugangstüre vorhanden gewesen. Weiters sei festgestellt worden, dass die alte Holzschindeleindeckung (wie auf den Fotografien ersichtlich) gegen eine neue Eternitrhombuseindeckung ausgetauscht worden sei.

Der "Rechtsberater" führte unter anderem aus, die Frage, ob eine Instandsetzung gemäß § 17 Abs. 1 Z 4 bzw. Z 5 BO 1996 vorliege, könne mit Sicherheit nur dann geklärt werden, wenn die tragenden Bauteile bzw. die Konstruktionsart des bisherigen Gebäudes feststünden. Im Übrigen sei die Baueinstellung schon deshalb aufzuheben, weil die Instandsetzung oder die Abänderung baulich mittlerweile fertiggestellt worden sei und daher eine Einstellung der Baumaßnahmen rein logisch nicht mehr in Betracht komme. "Da jedoch unbestrittenermaßen wesentliche tragende Teile des Gebäudes in seiner jetzt bestehenden Form neu hergestellt wurden, erscheint es sinnvoll und rechtlich notwendig, die durchgeführten Maßnahmen unter Anschluss eines Bestandsplanes und einer Ausführungsbestätigung eines Befugten der Baubehörde anzuzeigen".

Abschließend heißt es: "Der Vertreter des Liegenschaftseigentümers unterwirft sich der rechtlichen Einschätzung der Behörde, dass auf Grund der auf Seiten der Behörde liegenden nicht klaren Nachvollziehbarkeit des Bestandes vor Instandsetzung eine Klarstellung des derzeit vorhandenen Bestandes erforderlich ist und wird demgemäß eine Ausführungserklärung über die ordnungsgemäße Instandsetzung sowie einen Bestandsplan des ggst. Objektes vorlegen. Dies im Zuge der Vorlage des Bestandplanes das Hauptobjekt K ...".

Mit Erledigung vom 18. Dezember 2000 (auch deren Qualifikation als Bescheid ist strittig) wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und die bekämpfte erstinstanzliche Erledigung bestätigt. Begründend heißt es unter anderem, der erstinstanzliche Bescheid sei nachweislich am 21. Juli 2000 zugestellt worden und enthalte eine Rechtsmittelbelehrung, in welcher die gesetzliche Berufungsfrist angeführt werde. Dagegen habe die Beschwerdeführerin (durch ihren Vertreter) berufen. Die Baueinstellung sei "unumstritten ein Bescheid". Zum "Zeitpunkt der Ausstellung des Bescheides der Baueinstellung" sei das Bauvorhaben noch nicht abgeschlossen gewesen. "Sämtliche Bescheidelemente sind vorhanden, Bezeichnung, Spruch, Begründung, Rechtsmittelbelehrung auch die Kriterien des § 48 Abs. 4 AVG sind gegeben sowie eine leserliche Beifügung des Namens". Nach § 29 Z 1 NÖ BO 1996 habe die Baubehörde die Baueinstellung zu verfügen, wenn die hiefür notwendige Baubewilligung oder Anzeige nicht vorliege. Wenn es auch zutreffe, dass kein Abbruch bzw. kein Neubau der Hütte vorliege, so sei doch davon auszugehen, dass es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben nach § 14 Z 4 NÖ BauO 1996 handle. Eine diesbezügliche Baubewilligung sei bislang nicht erwirkt worden. Von einem anzeige- bzw. bewilligungsfreien Vorhaben im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 4 bzw. Z. 5 NÖ BO 1996 könne hier nicht gesprochen werden. Es sei nämlich beim Vorhaben das Dach abgestützt und das vorhandene Mauerwerk bzw. die Holzkonstruktion zur Gänze durch ein neues Mauerwerk ersetzt worden. Die Baueinstellung sei daher zu Recht verfügt worden.

Die Fertigungsklausel lautet: "Der Gemeindevorstand", darunter "Vizebürgermeister", darunter folgt eine unleserliche Unterschrift, darunter folgt maschinschriftlich der Name (Vor- und Zuname).

Mit Erledigung (ebenfalls) vom 18. Dezember 2000 wurde die Beschwerdeführerin vom Bürgermeister aufgefordert, den für die fehlende Baubewilligung erforderlichen Antrag innerhalb von sechs Wochen einzubringen, widrigenfalls die Baubehörde den Abbruch des Bauwerkes anzuordnen habe.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Berufungsbescheid Vorstellung.

Darin wird unter anderem geltend gemacht, der Berufungsbescheid weise Formmängel auf,

"insbesonders eine unleserliche und nicht nachvollziehbare Unterschrift des bescheiderlassenden Organes. Zumindest infolge der Nichtzuordenbarkeit des ausstellenden Organes ist der Bescheid als nichtig anzusehen und nicht rechtswirksam und weist diesbezüglich nicht den Charakter eines Bescheides auf. Verwiesen wird hierzu insbesonders auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes GZ 99/12/0108".

Auch wird geltend gemacht, dass die baulichen Maßnahmen "zum Zeitpunkt der bescheidmäßigen Baueinstellung bereits beendet" gewesen seien, weshalb "auch keine rechtsgültige und rechtskonforme Bescheiderstellung zur Einstellung mehr erfolgen haben" könne.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid (vom 1. Februar 2001) hat die belange Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

Begründend heißt es insbesondere, in dem von der Gemeinde vorgelegten Verwaltungsakt lägen 4 Fotos ein, die am 19. Juli 2000 entwickelt worden seien (wie sich aus einem Aufdruck auf der Rückseite ergebe), auf den 7 übrigen Fotos sei auf der Rückseite das Datum 10. Juli 2000 handschriftlich festgehalten. Diesen Bildern sei jedenfalls zu entnehmen - und dies sei auch im Zuge des Ortsaugenscheines festgestellt worden - dass die alten Umfassungswände des Gebäudes (Holzteile und Natursteinmauerwerk) entfernt und neue Fundamente und Umfassungswände aus Schalsteinmauerwerk hergestellt worden seien. Dabei sei die Dachkonstruktion abschnittsweise mit geringfügigen "Hilfsmauerteilen" (etwa Holzkeilen) unterstützt und die Dachkonstruktion auf die neuen Mauerwerksteile aufgelegt worden. Nach den Angaben des Vertreters der Beschwerdeführerin seien die Umfassungswände dieses Gebäudes abschnittsweise ausgewechselt worden.

Unstrittig sei davon auszugehen, dass es sich hier um ein Gebäude (im Sinne des § 4 Z 6 NÖ BO 1996) handle. Wenn nun, so wie hier, wesentliche Teile des Gebäudes entfernt worden seien, so sei eine allenfalls bis dahin bestehende Baubewilligung jedenfalls untergegangen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Dachkonstruktion noch vorhanden sei. Es liege somit keine Instandsetzung vor, sodass es auf die weiteren Voraussetzungen des § 17 Z 4 leg. cit. nicht mehr ankomme. Es sei daher ein neues Gebäude errichtet worden, welches der Bewilligungspflicht nach § 14 Z 1 leg. cit. unterliege. Folgerichtig habe daher die Baubehörde die Fortsetzung der Ausführung des Bauvorhabens untersagt, weil die hiefür notwendige Baubewilligung nicht vorliege. Auch lasse der Hinweis der Beschwerdeführerin in der Vorstellung, wonach die Berufungsbehörde im Berufungsbescheid im Unterschied zum erstinstanzlichen Bescheid von einer Bewilligungspflicht nach § 14 Z 4 NÖ BO 1996 ausgehe, für ihren Standpunkt nichts gewinnen, sei doch die Baueinstellung jedenfalls gerechtfertigt, wenn bewilligungspflichtige Bauvorhaben ohne die erforderliche Bewilligung vorgenommen würden.

Soweit in der Vorstellung die Befangenheit von beteiligten Organwaltern geltend gemacht werde, sei dem entgegenzuhalten, dass nur wesentliche Verfahrensfehler zu einer Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin führen könnten. Da vom ursprünglichen Gebäude keine wesentlichen Teile mehr vorhanden gewesen seien und bei der Wiederherstellung des Gebäudes keine raumbildenden Teile des ursprünglichen Gebäudes verwendet worden seien, könne, wie gesagt, von einer bewilligungs- und anzeigefreien Instandsetzung im Sinne des § 17 Z 4 NÖ BO 1996 nicht gesprochen werden. Somit sei die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt worden.

Dagegen richtet sich die zur Zl. 2001/05/0144 protokollierte Beschwerde (der Sache nach wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die mitbeteiligte Gemeinde hat eine Gegenschrift eingebracht.

Die Beschwerdeführerin hat eine Replik erstattet. Zum Beschwerdeverfahren Zl. 2002/05/0100:

Mit Eingabe vom 27. Jänner 2001 (Eingangsvermerk vom 1. Februar 2001) übermittelte die Beschwerdeführerin (durch den sie vertretenden Zivilingenieur) der Baubehörde einen Bestandplan sowie eine Ausführungsbestätigung, jeweils vom 20. November 2000 (im Betreff heißt es "entsprechend Vorschreibung Feststellungsverhandlung vom 06.10.2000 unter Beilage der festgelegten Unterlagen").

Mit Erledigung vom 2. Februar 2001 gab der Bürgermeister der Beschwerdeführerin bekannt, sie sei mit dem Bescheid vom 20. Juli 2000 aufgefordert worden, um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen. Diese Aufforderung sei neuerlich mit Schreiben vom 18. Dezember 2000 erfolgt (Anm.: siehe in der Sachverhaltsdarstellung zum erstangefochtenen Bescheid). Bezugnehmend auf die Eingabe vom 27. Jänner 2001 müsse mitgeteilt werden, dass es sich hier nicht um ein anzeigepflichtiges Vorhaben sondern um ein bewilligungspflichtiges Vorhaben handle. Die Beschwerdeführerin werde daher neuerlich aufgefordert, den entsprechenden Antrag und die in der NÖ BO 1996 vorgeschriebenen Einreichunterlagen innerhalb von zwei Wochen der Baubehörde vorzulegen, ansonsten der Auftrag für den Abbruch erlassen werde.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich mit Schreiben vom 12. Februar 2001 ablehnend: Mit der Eingabe vom 27. Jänner 2001 samt Beilagen sei das anlässlich der Feststellungsverhandlung festgestellte Formal- und Inhaltserfordernis zur Gänze erfüllt worden. Zusammengefasst wird in dieser Eingabe zum Ausdruck gebracht, das bestehende Gebäude sei konsentiert, der Konsens sei nicht untergegangen, und die durchgeführten baulichen Maßnahmen seien weder bewilligungs- noch anzeigepflichtig.

Hierauf erging die erstinstanzliche Erledigung vom 23. Februar 2001 (deren Qualifikation als Bescheid ebenfalls strittig ist). Es handelt sich dabei um ein mit Bescheid überschriebenes, bescheidmäßig gegliedertes Formblatt, welches maschinschriftlich (im geringen Umfang auch handschriftlich) ergänzt bzw. angepasst wurde.

Diese Erledigung ist an die Beschwerdeführerin gerichtet; im Spruch heißt es, der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz erteilte ihr als Eigentümerin des "Bauwerkes, Vorhaben Sanierung eines Gebäudes - Nebengebäude" (es folgt die Anschrift, die Bezeichnung der Grundstücke, der Einlagezahl und der Katastralgemeinde) gemäß § 35 Abs. 2 Z 3 NÖ BO 1996 den baupolizeilichen Auftrag zum Abbruch des angefügten Bauwerks bis längstens Ende Juni 2001. Begründet wird dies damit, dass die Beschwerdeführerin als Eigentümerin den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde eingeräumten Frist von zwei Wochen ab der am 8. Februar 2001 zugestellten Aufforderung eingebracht habe. Es sei daher der Abbruch des Bauwerkes anzuordnen gewesen, wobei die gewährte Frist dem Umfang der erforderlichen Maßnahmen und der Dringlichkeit der Behebung des Missstandes angemessen erscheine. Die Fertigung entspricht jener der erstinstanzlichen Erledigung vom 20. Juli 2000.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Darin wurde (ebenfalls) vorgebracht, die

"Rechtskraftwirkung des Bescheides ist infolge Formmangels - unleserliche und nicht nachvollziehbare Unterschrift des bescheiderlassenden Organes - nicht gegeben. Infolge der nicht Zuordenbarkeit des ausstellenden Organes ist der gegenständliche Bescheid als nichtig anzusehen und nicht rechtswirksam. Vorliegendes Schriftstück weist diesbezüglich nicht den Charakter eines Bescheides auf. Ich verweise hierbei insbesonders auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes GZ 99/12/0108".

Mit Berufungsbescheid vom 20. Juni 2001 wurde der Berufung (unter Verlängerung der Frist zum Abbruch bis zum 30. September 2001) nicht Folge gegeben.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.

Dieser wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. August 2001 Folge gegeben, der Berufungsbescheid vom 20. Juni 2001 behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen, weil es an den erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen mangle.

Mit Berufungsbescheid vom 2. Oktober 2001 wurde der Berufung (abermals) keine Folge gegeben, der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid bestätigt, (aber) die Frist zum Abbruch des Nebengebäudes bis spätestens 31. Dezember 2001 verlängert. Dies wurde näher begründet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem zweitangefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend heißt es insbesondere, den vorgelegten Aktenunterlagen sei zu entnehmen, dass anlässlich einer baubehördlichen Überprüfung der konsenslose Abbruch einer bestehenden Hütte und der Neubau eines Gebäudes festgestellt worden sei. Bei dem Bauvorhaben sei das Dach abgestützt und das vorhandene Mauerwerk bzw. die Holzkonstruktion zur Gänze durch eine neues Mauerwerk ersetzt worden. Die alten Umfassungswände (Holzteile und Steinmauerreste) seien entfernt und neue Fundamente und Umfassungswände aus Schalsteinmauerwerk hergestellt worden.

Unstrittig sei davon auszugehen, dass das Objekt als Gebäude zu qualifizieren sei, was auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten werde. Wenn nun wie hier wesentliche Teile des Gebäudes entfernt würden, so sei eine allenfalls bis dahin bestehende Baubewilligung jedenfalls untergegangen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Dachkonstruktion noch vorhanden sei. Es liege somit keine Instandsetzung vor. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf zu verweisen, dass auch die Holzkonstruktion durch ein Schalsteinmauerwerk ersetzt worden sei und somit auch nicht von einer Beibehaltung der Materialart ausgegangen werden könne. Es könne daher den Gemeindebehörden nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einem bewilligungspflichtigen Neubau im Sinne des § 14 Z 1 NÖ BO 1996 ausgegangen seien. Da die Bauwerberin dem Auftrag, ein Baubewilligungsgesuch einzubringen, nicht nachgekommen sei, sei der Demolierungsauftrag zu Recht erteilt worden.

Dagegen richtet sich die zur Zl. 2002/05/0100 protokollierte Beschwerde (der Sache nach ebenfalls wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Gemeinde hat eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die niederösterreichische Bauordnung 1996, LGBl. 8200, anzuwenden.

Deren § 17 trifft nähere Bestimmungen zu den bewilligungs- und anzeigefreien Vorhaben.

Nach Abs. 1 Z 4 dieser Bestimmung (in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-3) ist bewilligungs- und anzeigefrei die Instandsetzung von Bauwerken, wenn

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