VwGH 2001/03/0076

VwGH2001/03/00763.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des HH in U, vertreten durch Mag. Christoph Aumayr, Rechtsanwalt in 5270 Mauerkirchen, Untermarkt 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Februar 2001, Zl. VerkGe-120.024/2-2001-Aum/Re, betreffend Zurücknahme des Schülertransportausweises, zu Recht erkannt:

Normen

BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §16 Abs10;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §16 Abs10;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 22. Dezember 2000 wurde der von dieser Bezirkshauptmannschaft am 2. Mai 1995 ausgestellte Ausweis des Beschwerdeführers gemäß § 15 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) für den Schülertransport für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Rechtskraft dieses Bescheides zurückgenommen. In dieser Entscheidung wurden insbesondere drei in den letzten fünf Jahren erfolgte gerichtliche Verurteilungen wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB ins Treffen geführt (die rechtskräftigen Urteile des Bezirksgerichtes Wildshut vom 21. Februar 1996 mit einer Geldstrafe von S 7.500,--, des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 19. November 1997 mit einer Geldstrafe von S 9.600,-- und des Landesgerichtes (richtig: Bezirksgerichtes) Ried im Innkreis vom 29. Mai 2000 mit einer Geldstrafe von S 16.000,--).

Gemäß § 16 Abs. 10 BO 1994 gelte für Besitzer eines Ausweises nach § 15 Abs. 1 Z. 1 BO 1994 die Bestimmung des § 13 sinngemäß. Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. sei der Ausweis von Amts wegen für einen der Schwere des Einzelfalles angemessenen Zeitraum zurückzunehmen, wenn eine der im § 6 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben sei. Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 sei der Ausweis auszustellen, wenn der Bewerber vertrauenswürdig sei. Im vorliegenden Fall sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer mehrmals wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Betroffenen abzustellen. Entscheidend sei, ob das bisherige Verhalten auf ein Persönlichkeitsbild schließen lasse, das mit jenen Interessen im Einklang stehe, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf § 13 Gelegenheitsverkehrsgesetz 1996 obliege.

In Anbetracht der angeführten gerichtlichen Verurteilungen lasse das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers nicht auf die geforderte Vertrauenswürdigkeit und somit auf die Gewähr der sicheren Beförderung von Schülern schließen, zumal die wiederholte Begehung des Deliktes der fahrlässigen Körperverletzung auf einen erheblichen Mangel an Zuverlässigkeit, an Verantwortungsbewusstsein, an Respekt vor der Integrität der Mitmenschen und an Beachtung der besonderen Schutzwürdigkeit des Rechtsgutes der menschlichen Gesundheit hinweise. Hiebei handle es sich um Charaktereigenschaften, die gerade bei der Beförderung von Schülern von besonderer Bedeutung seien und besonders vorausgesetzt würden.

Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1999, Zl. 98/03/0109, bedeute die in § 16 Abs. 10 BO 1994 angeordnete sinngemäße Anwendung des § 13 BO 1994, dass der darin verwiesene § 6 BO 1994 sinngemäß für die Zurücknahme des Ausweises für Schülertransporte gelte. Das heiße, dass der Ausweis für Schülertransporte (auf Zeit) zurückzunehmen sei, wenn die Vertrauenswürdigkeit nach § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 nicht mehr gegeben sei.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde - wie von der erstinstanzlichen Behörde - im Wesentlichen damit begründet, dass nach § 16 Abs. 10 BO 1994 für den Besitzer eines Ausweises nach § 15 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. § 13 sinngemäß gelte.

Der Beschwerdeführer weise neben den im bekämpften Bescheid angeführten gerichtlichen Delikten auch zwei Verwaltungsübertretungen nach der StVO bzw. KDV auf. Es entspreche der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, dass für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit sowohl Verwaltungsübertretungen als auch gerichtliche Delikte herangezogen werden könnten. Aus dem Strafregisterauszug der Bundespolizeidirektion Wien gehe hervor, dass der Beschwerdeführer schon seit seinem 17. Lebensjahr mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten sei und in gewissen Abständen immer wieder wegen strafgerichtlicher Delikte rechtskräftig bestraft worden sei. Besonders gravierend erscheine jedoch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren dreimal wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei (zuletzt mit Urteil vom 29. Mai 2000). Es werde daher seitens der belangten Behörde die Zurücknahme des Schülertransportausweises für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Rechtskraft des angefochtenen Bescheides als gerechtfertigt angesehen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als eine der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Taxilenkerausweises sieht § 6 Abs. 1 Z. 3 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr - BO 1994, BGBl. Nr. 951/1993, vor, dass der Bewerber vertrauenswürdig ist; die Vertrauenswürdigkeit muss zumindest in den letzten fünf Jahren vor Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein.

Nach § 13 Abs. 1 BO 1994 ist der Ausweis von Amts wegen für einen der Schwere des Einzelfalles angemessenen, im Falle der zeitlichen Beschränkung gemäß § 10 Abs. 2 die Geltungsdauer des Ausweises jedoch nicht überschreitenden Zeitraum zurückzunehmen, wenn eine der in § 6 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist.

§ 16 Abs. 4 BO 1994 i.d.F. BGBl. Nr. 1028/1994 lautet:

"(4) Der Antragsteller gemäß Abs. 1 darf innerhalb der fünf der Antragstellung unmittelbar vorausgegangenen Jahre nicht wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften, insbesondere wegen solcher Verstöße, die objektiv geeignet sind, Leben, Gesundheit oder Vermögen dritter Personen unmittelbar zu gefährden oder die Vollziehung der kraftfahrrechtlichen oder straßenpolizeilichen Vorschriften in einer den Schutz der öffentlichen Verkehrssicherheit gefährdenden Weise zu beeinträchtigen, bestraft worden sein. Dabei sind bei Personen mit einer Lenkerberechtigung der Gruppe D Verstöße, die vor dem 1. Jänner 1994 erfolgt sind, nicht zu berücksichtigen."

Nach § 16 Abs. 10 BO 1994 in der angeführten Fassung gilt für Besitzer eines Ausweises nach § 15 Abs. 1 Z. 1 (u.a.) § 13 sinngemäß.

Sofern der Beschwerdeführer meint, strafgerichtliche Verurteilungen könnten bei der Zurücknahme eines Schülertransportausweises gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. im Hinblick auf die Regelung des § 16 Abs. 4 BO 1994 keine Rolle spielen, ist er auf das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1999, Zl. 98/03/0109, zu verweisen, in dem ausgesprochen wurde, dass gemäß der Regelung des § 16 Abs. 10 leg. cit. § 13 BO 1994 - als eine der besonderen Bestimmungen für das Taxi-Gewerbe - und damit auch der darin verwiesene § 6 BO 1994 sinngemäß für die Zurücknahme des Ausweises für Schülertransporte gilt. Danach ist der Ausweis für Schülertransporte (auf Zeit) zurückzunehmen, wenn die Vertrauenswürdigkeit nach § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 nicht mehr gegeben ist. Auch das einer strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten kann im Zusammenhang mit der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 von Bedeutung sein. Maßgeblich ist für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit, auf welche charakterlichen Eigenschaften dieses Verhalten schließen lässt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1999, Zl. 97/03/0303).

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass von der Behörde überprüft hätte werden müssen, welche Delikte er verwirklicht habe. Dies sei von der erstinstanzlichen Behörde nicht festgestellt worden. Die belangte Behörde habe sich allein auf die vorliegende Strafregisterauskunft verlassen, ohne detailliert auf die einzelnen Delikte einzugehen. Auch in der Berufung sei gerügt worden, dass in der Begründung angeführt werden müsse, welche Handlungen ganz konkret und auf welche Weise gegen das zu schützende Rechtsgut der Verkehrszuverlässigkeit verstoßen hätten. Es müssten Feststellungen dazu getroffen werden, ob die strafrechtlichen Verurteilungen dem Inhalt nach geeignet seien, auf das Nichtvorliegen der Vertrauenswürdigkeit zu schließen. Dies sei unterblieben.

Dieses Vorbringen ist zielführend. Die BO 1994 enthält keine nähere Begriffsbestimmung der Vertrauenswürdigkeit. Unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs ist davon auszugehen, dass dem Begriff der Vertrauenswürdigkeit inhaltlich die Bedeutung von "Sich verlassen können" zukommt (vgl. u.a. das bereits zitierte Erkenntnis). Durch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit soll das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit gewährleistet werden. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten - wobei das Gesamtverhalten zu würdigen ist - auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf die Bestimmungen des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes obliegt.

Entscheidend für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 im Falle der Begehung einer Straftat oder einer Verwaltungsübertretung ist das dem Urteil bzw. dem Bescheid, mit welchem über Schuld und Strafe abgesprochen wurde, zu Grunde liegende Verhalten. Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil sie das den herangezogenen strafgerichtlichen Verurteilungen bzw. verwaltungsstrafrechtlichen Bescheiden zu Grunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers nicht festgestellt und in der Folge nicht begründet hat, warum diese Verhaltensweisen auf charakterliche Eigenschaften des Beschwerdeführers schließen ließen, dass seine Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu verneinen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. September 2003

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