VwGH 99/02/0299

VwGH99/02/029929.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde der MA in G, vertreten durch Mag. Dr. Regina Schedlberger, Rechtsanwältin in Graz, Andritzer Reichsstraße 19, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 31. August 1999, Zl. LGS600/RALV/1218/1999-Dr.Puy/S, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §1;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde findet sich eine mit einer DVR-Nummer versehene und als "Duplikat" bezeichnete Gleichschrift des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. Juli 1999, welche die in Maschinschrift beigesetzte Fertigungsklausel "Der Leiter HP". enthält. Mit dieser Erledigung wurde vom AMS Graz festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei gemäß § 38 i.V.m.

§ 10 AlVG für den Zeitraum vom 21. Juni 1999 bis 1. August 1999 den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.

Mit Bescheid vom 31. August 1999 gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Mit hg. Verfügung vom 31. März 2003 richtete der Verwaltungsgerichtshof an die belangte Behörde eine Anfrage, in welcher er u.a. ausführte, es sei aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde erster Instanz zu ersehen, dass mit der Beschwerdeführerin am 30. Juni 1999 eine Niederschrift zur Frage des unterbliebenen Arbeitsantritts am 21. Juni 1999 aufgenommen worden sei. Im Anhang zu dieser Niederschrift finde sich ein Beiblatt mit einer Stellungnahme des "Vermittlers" sowie eine "Entscheidung des Geschäftsleiters oder dessen Beauftragten" vom 1. Juli 1999. Der nicht leserlichen Unterschrift unter dieser Entscheidung sei der Name des Entscheidungsträgers nicht beigefügt worden. Die weitere Spalte betreffend Verfügungen (insbesondere betreffend die Bescheiderlassung) sei frei geblieben.

Unter ABl. 86 dieses erstinstanzlichen Verwaltungsaktes - so die Anfrage weiter - finde sich ein EDV-Ausdruck, der weitgehend nicht verständliche Hinweise offenbar für die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides enthalte; erkennbar lasse sich dieser Unterlage jedenfalls der Zeitraum für den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe "+ 21.06.1999 - 01.08.1999 +" sowie der Satz "Sie haben eine Arbeitsaufnahme verweigert bzw. vereitelt" entnehmen. Aus dieser Unterlage sei nicht zu ersehen, wie der erstinstanzliche Bescheid lauten solle bzw. wer diesen Bescheid genehmigt habe. Dem Berufungsakt liege eine als "Duplikat" gekennzeichnete Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. Juli 1999 bei, die offenbar auf dem Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt worden sei (sie enthalte eine DVR-Nummer). Dieses Schriftstück weise als Genehmigenden "Der Leiter: HP" in Maschinschrift aus. Es sei für den Verwaltungsgerichtshof vorläufig auf Grund der dargestellten Aktenlage nicht nachvollziehbar, dass ein erstinstanzlicher Bescheid vorliege, der von "HP" am 5. Juli 1999 im Sinne des § 18 Abs. 2 AVG genehmigt worden sei und den im Duplikat ausgewiesenen Inhalt haben solle.

In der hiezu ergangenen Stellungnahme teilte die belangte Behörde mit, dass gemäß § 23 Abs. 3 AMSG ein Leiter einer regionalen Geschäftsstelle im Interesse einer raschen und zweckmäßigen Geschäftsbehandlung zustehende Befugnisse, wie die Genehmigung einer Erledigung, auf Mitarbeiter übertragen könne. HP als Geschäftstellenleiter der regionalen Geschäftsstelle Graz und als im EDV-Bescheid angeführter Genehmigender habe den Abteilungsleitern der Geschäftsstelle Graz die Befugnis zur Genehmigung einer Bescheiderstellung gemäß § 10 AlVG erteilt. Die Abteilungsleiterin, nunmehr Frau R (seinerzeitige Frau F), habe in diesem Sinne die Unterschrift unter die vom Verwaltungsgerichtshof genannte "Entscheidung" gesetzt.

Gegen diesen Bescheid vom 31. August 1999 richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach § 18 Abs. 2 AVG erfolgt die Genehmigung einer Erledigung durch die Unterschrift des Genehmigenden. Davon kann jedoch abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass derjenige, der die Genehmigung erteilt hat, auf andere Weise festgestellt werden kann.

Eine behördliche Erledigung muss, um als Bescheid qualifiziert werden zu können, jedenfalls im Sinne des § 18 Abs. 2 zweiter Satz AVG genehmigt worden sein. Wenn ein nicht zu Stande gekommener behördlicher Akt (wie etwa ein nicht genehmigter Entwurf eines Bescheides) ausgefertigt wird, liegt kein Bescheid vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2001, Zl. 2000/03/0135).

Den Verwaltungsakten war zwar aus dem Anhang zur Niederschrift vom 30. Juni 1999 - wie bereits dargestellt - eine mit 1. Juli 1999 datierte allgemeine "Entscheidung des Geschäftsstellenleiters oder dessen Beauftragen", wie der gegenständliche Fall zu beurteilen sei, zu entnehmen, jedoch findet sich in den Akten keine mit 5. Juli 1999 datierte Erledigung, die die Unterschrift des Genehmigenden enthält oder hinsichtlich derer sichergestellt ist, dass derjenige, der die Genehmigung erteilt hat, auf andere Weise festgestellt werden kann. Die Tatsache, dass am 1. Juli 1999 eine (bloß) grundsätzliche Entscheidung über den Inhalt der erstinstanzlichen Erledigung erfolgte, die noch dazu - wie aus der ergänzenden Stellungnahme der belangten Behörde zu ersehen ist - von einer anderen Person als jener, die laut Duplikat des erstinstanzlichen Bescheides letzteren am 5. Juli 1999 genehmigt haben soll, unterfertigt wurde, vermag nicht das Vorliegen einer Genehmigung der erstinstanzlichen Erledigung vom 5. Juli 1999 im Sinne des § 18 Abs. 2 AVG darzutun. Die in erster Instanz ausgefertigte Erledigung vom 5. Juli 1999 war daher im Sinne der vorzitierten hg. Judikatur kein Bescheid.

Da sich die Berufung somit gegen eine Erledigung richtete, der kein Bescheidcharakter zukommt, hätte sie die belangte Behörde nicht sachlich in Behandlung nehmen, sondern nur als unzulässig zurückweisen dürfen. Mit der vorliegenden inhaltlichen (Berufungs-)Entscheidung hat die belangte Behörde daher erstmals eine Sachentscheidung getroffen. Eine solche Entscheidung fällt aber nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde. Da die belangte Behörde somit eine ihr nicht zukommende Kompetenz in Anspruch genommen hat, ist der angefochtene Bescheid mit einer von Amts wegen wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet (vgl. das hg.

Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2001/18/0159).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42

Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die

§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren

war abzuweisen, weil der Beschwerdeführerin auf Grund ihres

bereits in der Beschwerde enthaltenen Antrages auf Gewährung von

Verfahrenshilfe in Form der Befreiung von Gebühren diese mit hg.

Beschluss vom 2. Dezember 1999 gewährt wurde.

Wien, am 29. April 2003

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