Normen
AVG §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 26. März 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, gemäß §§ 36 Abs. 1 Z. 1, 37, 38, 39, 48 Abs. 1 erster Satz Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
1.2. Mit dem an die Bundespolizeidirektion Innsbruck (die Erstbehörde) gerichteten Schreiben vom 9. Mai 2001 ersuchte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf ein Telefonat, "mein Aufenthaltsverbot in eine Bedingte bzw. mit Auflagen verbundenes 'Aufhalten' in Österreich umzuwandeln". Er sei bestrebt, ein redliches Leben zu führen, und habe die Zusicherung, nach Haftentlassung in einer Bäckerei arbeiten zu können. Aus diesen Gründen bitte er, vom Aufenthaltsverbot "Abstand zu nehmen und mir die Chance zuzubilligen, unter Kontroller Ihrer Aufsicht (Kontrollen, Meldepflicht) eine bedingte Probezeit zu verhängen".
1.3. Daraufhin richtete die Erstbehörde ein mit 15. Mai 2001 datiertes Schreiben an den Beschwerdeführer, welches folgenden Inhalt hat:
"Unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 9.5.01 wird Ihnen mitgeteilt, dass im Hinblick auf ihre Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 3.6.97 wegen des Verbrechens der Brandstiftung, des Vergehens der Veruntreuung, des Vergehens des Diebstahles, des Vergehens der Körperverletzung, des Vergehens der Urkundenunterdrückung sowie des Vergehens des Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren, 10 Monaten und 15 Tagen eine Aufhebung des gegen Sie mit ha. Bescheid vom 20.2.98 erlassenen, auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes auf keinen Fall in Frage kommt. Diesbezüglich ist die von Ihnen ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit viel zu groß.
Nach Ihrer Entlassung aus der Gerichtshaft sind Sie daher verpflichtet, das Bundesgebiet der Republik Österreich unverzüglich zu verlassen bzw. wird die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land Ihre Abschiebung nach Deutschland veranlassen."
1.4. Der Beschwerdeführer betrachtete dieses Schreiben als Bescheid, mit dem sein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, und erhob dagegen Berufung.
Die Erstbehörde legte die Berufung der belangten Behörde vor und führte dazu aus, dass das Schreiben vom 15. Mai 2001, gegen das sich die Berufung richte, "klarerweise nicht als Bescheid, sondern lediglich als Vorabinformation für den Fremden, welcher sich zum damaligen Zeitpunkt noch in gerichtlicher Strafhaft befunden hat, zu verstehen war. Dem Fremden sollte damit vor allem klar gemacht werden, dass das Aufenthaltsverbot nach wie vor besteht und er nach seiner (unmittelbar bevorgestandenen) Entlassung aus der Gerichtshaft somit verpflichtet war, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen."
1.5. Mit Bescheid vom 22. Juni 2001 hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 44 FrG abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht weggefallen seien und der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots daher abzuweisen gewesen sei.
2. Gegen den letztgenannten Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zunächst ist zu prüfen, ob die Erledigung der Erstbehörde vom 15. Mai 2001, gegen die sich die Berufung des Beschwerdeführers richtet, als Bescheid zu qualifizieren ist:
2.1. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem Bescheid nur dann gesprochen werden, wenn in einer bestimmten Angelegenheit der hoheitlichen Verwaltung der Wille der Behörde darauf gerichtet ist, in einer förmlichen und der Rechtskraft fähigen Weise über konkrete Rechtsverhältnisse der Parteien abzusprechen, sei es, dass ein Rechtsverhältnis mit bindender Wirkung festgestellt wird, sei es dass es mit solcher Wirkung gestaltet wird (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1226, mwN). Ob die Behörde diesen Willen hat, ist primär aus dem Inhalt der Erledigung abzuleiten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0895).
An eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als "Bescheid" bezeichnet ist, ist bei der Beurteilung, ob sie nach ihrem Inhalt als Bescheid zu qualifizieren ist, ein strenger Maßstab anzulegen. Bringt der Wortlaut und die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so kann für den Bescheidcharakter der Erledigung auf deren ausdrückliche Bezeichnung als "Bescheid" nicht verzichtet werden. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 94/18/0725, mwN.)
2.2. Die in der Erledigung der Erstbehörde vom 15. Mai 2001 enthaltene Wendung, dass im Hinblick auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes auf keinen Fall in Frage komme, weil die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung für die öffentliche Sicherheit viel zu groß sei, spricht zwar für den normativen Inhalt der Erledigung. Indes darf diese Wortfolge nicht isoliert betrachtet werden; geboten ist vielmehr eine Beurteilung der von der Behörde gewählten Formulierung in ihrem Zusammenhang. Von daher gesehen kommt dem Ausdruck "wird Ihnen mitgeteilt" insofern wesentliche Bedeutung zu, als der Gebrauch dieser einleitenden Wendung iVm der Formulierung, wonach "eine Aufhebung des ... Aufenthaltsverbotes auf keinen Fall in Frage kommt", gerade nicht das Vorliegen eines die ausdrückliche Bezeichnung der Erledigung als "Bescheid" entbehrlich machenden eindeutig normativen Abspruches bewirkt. Die somit bestehenden Zweifel an der Normqualität der besagten Erledigung vom 15. Mai 2001 führen auf den Boden der dargestellten Judikatur zu dem Ergebnis, dass mangels der in einem solchen Fall für den Bescheidcharakter essentiellen Bezeichnung als "Bescheid" diese Erledigung nicht als Bescheid qualifiziert werden kann. (Vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/0725, mwN.)
Dass die Erstbehörde tatsächlich nicht den Willen hatte, einen Bescheid zu erlassen, ergibt sich im Übrigen klar aus ihrer Stellungnahme anlässlich der Vorlage der Berufung an die belangte Behörde (siehe oben I. 1.4.).
3. Da sich die Berufung somit gegen eine Erledigung richtete, der kein Bescheidcharakter zukommt, hätte sie die belangte Behörde nicht sachlich in Behandlung nehmen, sondern nur als unzulässig zurückweisen dürfen. Mit der vorliegenden inhaltlichen (Berufungs-)Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots hat die belangte Behörde daher erstmals eine Sachentscheidung getroffen. Eine solche Entscheidung fällt aber nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde. Da die belangte Behörde somit eine ihr nicht zukommende Kompetenz in Anspruch genommen hat, ist der angefochtene Bescheid mit einer von Amts wegen wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 97/21/0411, mwN.)
4. Der bekämpfte Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
5. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 des Euro-Gesetzes, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz für den Schriftsatzaufwand eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 5. April 2002
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