VwGH 2001/20/0716

VwGH2001/20/071616.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des BT, geboren am 8. Oktober 1985, vertreten durch den Magistrat der Stadt Graz, dieser vertreten durch Mag. Martina Weirer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Burgring 16/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. August 2001, Zl. 223.492/0-XIV/08/01, betreffend §§ 6 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Mongolei, ersuchte am 17. Mai 2001 um Asyl. Er begründete seinen Antrag vor dem Bundesasylamt damit, dass er 1997 nach dem Unfalltod seiner Eltern in das Kinder- und Jugenderziehungsheim in Ulan Bator eingewiesen worden sei. Das Heim sei wie ein Gefängnis, es herrsche dort Militärdisziplin und die älteren Jugendlichen gäben den Ton an. Im Sommer habe er auf dem Markt gearbeitet, doch wäre ihm sein Verdienst von älteren Jugendlichen seines Heimes immer weggenommen worden. Als der Beschwerdeführer im Juni 1999 in ein Krankenhaus gekommen sei, habe man bei ihm Hepatitis festgestellt. Er sei jedoch nach 91 Tagen wieder aus dem Krankenhaus entlassen und ins Heim gebracht worden, obwohl er noch nicht gesund gewesen sei. Als Grund, weshalb er die Mongolei verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, er sei Zeuge einer Vergewaltigung eines 12-jährigen Mädchens durch ältere Jugendliche gewesen und wäre, als er dies der Heimleitung habe melden wollen, von den Jugendlichen mit einem Messer angegriffen und verletzt worden, wovon er noch Schnittwunden habe. Nachdem er die Vergewaltigung doch der Heimleitung gemeldet hätte, seien zwei der Jugendlichen in ein Jugendgefängnis gekommen, doch hätten deren Freunde, es seien etwa 20 Personen gewesen, auf dem Markt ständig nach dem Beschwerdeführer gesucht. Da die Jugendlichen gedroht hätten, ihn zu töten, sei er nicht zur Polizei gegangen. Im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat befürchte der Beschwerdeführer, von den "Straßengangs", welche die Jugendlichen aus dem Heim bildeten, umgebracht zu werden.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Volksrepublik Mongolei für zulässig. Beim Vorbringen des Beschwerdeführers handle es sich um private Schwierigkeiten zwischen ihm und anderen Heiminsassen des Kinder- und Jugenderziehungsheimes, die jedoch nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen seien. Überdies wäre es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, sich an staatliche Behörden seiner Heimat um Schutz zu wenden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen gesetzlichen Vertreter Berufung, in der er unter anderem ausführte, die staatlichen Behörden seiner Heimat könnten nicht für seine Sicherheit garantieren. Vielmehr würden sie den Beschwerdeführer wegen seiner Mittellosigkeit wieder in das staatliche Heim bringen, wo er der gleichen Willkür ausgesetzt wäre, der er entflohen sei. Die Heimleitung könne ihn nicht vor Übergriffen seitens der älteren Heimbewohner und der Jugendgangs beschützen. Darüber hinaus verwies der Beschwerdeführer in der Berufung auf die mangelnde Schulbildung der Straßenkinder in der Mongolei sowie auf deren unzureichende Ernährung und höhere Krankheitsanfälligkeit. So bestehe auch beim Beschwerdeführer der Verdacht, dass seine Hepatitis-Erkrankung, wegen der er bereits drei Monate in seiner Heimat in einem Krankenhaus gewesen sei, und wegen der er nun in Österreich in ärztlicher Behandlung stehe, noch nicht ausgeheilt sei. "Auf Grund dieser Fakten" (zu deren Beweis der Beschwerdeführer einen "Arztbrief" der Universitätskinderklinik Graz mit der Berufung vorlegte) seien unter anderem seine Überlebenschancen in seiner Heimat "wenig bis gar nicht vorhanden".

Mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 AsylG ab (Spruchpunkt I) und stellte gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 des Fremdengesetzes 1997 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt II). Dazu führte die belangte Behörde begründend aus, sie schließe sich in sachverhaltsmäßiger Hinsicht "und hinsichtlich der Beweiswürdigung" den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid "vollinhaltlich an" und erhob diese auch zum Inhalt ihres Bescheides. Das vom Beschwerdeführer dargelegte "strenge Leben im Kinder- und Jugenderziehungsheim, in welchem eine strikte Hackordnung" herrsche, sei nicht als eine unter die Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierende Verfolgung zu qualifizieren, weil die vom Beschwerdeführer geschilderte Bedrohung von Privatpersonen ausgehe und keinerlei Anhaltspunkte dafür bestünden, er könne sich nicht an den Staat um Schutz wenden. Da in der Berufung "kein neuer Sachverhalt vorgebracht" und "der Beweiswürdigung der erstinstanzlichen Behörde kein Argument entgegengesetzt" worden sei, habe die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde unterbleiben können. Zur Entscheidung nach § 8 AsylG führte die belangte Behörde aus, es fände sich im Vorbringen des Beschwerdeführers auch "keinerlei Anhaltspunkt", dass er in der Mongolei der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich primär gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könne gegen die ihm in seiner Heimat drohende Verfolgung staatlichen Schutz in Anspruch nehmen. Diese Frage kann, soweit die Entscheidung auf § 6 AsylG gestützt wurde, dahingestellt bleiben. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits mehrfach ausgesprochen, dass u.a. wegen der taxativen Aufzählung der in § 6 Z 1 bis Z 5 genannten Fälle die offensichtliche Unbegründetheit eines Asylantrages nicht mit dem Bestehen ausreichenden staatlichen Schutzes vor einer von Privatpersonen ausgehenden Verfolgungsgefahr begründet werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496 u. v.a).

Nach § 6 Z 2 AsylG, auf welche Bestimmung die belangte Behörde die Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers stützt, ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn bei Fehlen sonstiger Hinweise auf Verfolgungsgefahr die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist. Asylrelevant sind demnach nur Gründe der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung. Dass der Beschwerdeführer Verfolgung aus einem der genannten Gründe befürchte, hat er, wie dargestellt, weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde dargelegt. Da auch keine sonstigen Hinweise auf die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers in der Mongolei im Sinn des § 6 zweiter Satz AsylG ersichtlich sind, ist der belangten Behörde in der Frage der Abweisung des Asylantrages (Spruchpunkt I.) im Ergebnis nicht entgegenzutreten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 99/20/0571).

In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer erstmals vorgebracht, eine Behandlung seiner Hepatitis-Erkrankung sei, wie sein bereits dreimonatiger Krankenhausaufenthalt in der Mongolei gezeigt habe, in seiner Heimat nicht erfolgversprechend, und er habe dort keine Überlebenschancen. Bereits auf Grund dieses neuen Vorbringens, des in der Berufung zum Beweise dafür vorgelegten Arztbriefes, aber auch der weiteren, erstmaligen - in Bezug auf den Abschiebeschutz nicht unbedeutenden - Ausführungen des Beschwerdeführers darüber, dass ihm staatliche Behörden in seiner Heimat keinen Schutz gewähren, sondern ihn vielmehr im Jugendheim erneut der Willkür aussetzen würden, wäre die belangte Behörde nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet gewesen, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen, um sich mit dem neuen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander zu setzen (vgl. zur Verhandlungspflicht in Bezug auf § 8 AsylG das hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0465, und aus der daran anschließenden Judikatur etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0451 mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 16. Mai 2002

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