Normen
AVG §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §71 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §71 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.
Nach Darlegung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Gesetzeslage führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer lebe seit dem Jahr 1989 in Österreich und es seien ihm Sichtvermerke erteilt worden. Der letzte Sichtvermerk sei bis 31. Juli 1993 gültig gewesen. Seit Ablauf dieses Sichtvermerks halte er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Auf Grund des ca. dreieinhalbjährigen legalen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der damit verbundenen Integration könne davon ausgegangen werden, dass durch die Ausweisung in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Dennoch sei sie gerechtfertigt, weil sie zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, aber auch zum Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes dringend geboten sei.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - habe in seiner Berufung ausgeführt, dass die Behörde erster Instanz von einem falschen Lebensalter ausgegangen wäre. Aus dem Akt sei ersichtlich, dass sich die Ärzte über das Geburtsdatum des Beschwerdeführers nicht sicher seien. Der Beschwerdeführer sei nämlich, wie einem der Geschäftszahl nach bestimmten Akt des BG Bregenz zu entnehmen sei, zu weiteren Untersuchungen nicht erschienen. "Jedenfalls ist davon auszugehen, dass F spätestens im Jahr 1980 zur Welt gekommen ist und somit das 16. Lebensjahr vollendet hat. Dies ergibt sich aus seinen Angaben. Insoferne ist er gemäß § 71 Fremdengesetz handlungsfähig."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und der Sache nach auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 FrG sind minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, in Verfahren u.a. - wie hier - nach dem 3. Teil handlungsfähig. Gemäß § 71 Abs. 3 leg. cit. können minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und deren Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, im eigenen Namen nur Verfahrenshandlungen zu ihrem Vorteil setzen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung eines solchen Verfahrens der Jugendwohlfahrtsträger der Hauptstadt des Bundeslandes, in dem sich der Minderjährige aufhält.
Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde der erstinstanzliche Ausweisungsbescheid vom 9. November 1995 dem Beschwerdeführer am 13. November 1995 persönlich zugestellt. Im angefochtenen Bescheid begnügte sich die belangte Behörde - wie dargelegt - mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer spätestens im Jahr 1980 zur Welt gekommen sei und somit (zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides) das 16. Lebensjahr vollendet gehabt habe. Die belangte Behörde unterließ jedoch Feststellungen zur Frage des genauen Alters des Beschwerdeführers (insbesondere) zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides.
Dieser Verfahrensmangel ist relevant. War nämlich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an ihn noch nicht 16 Jahre alt, hätte die Zustellung nicht an ihn, sondern gemäß § 71 Abs. 3 FrG an den dort näher bezeichneten Jugendwohlfahrtsträger erfolgen müssen. Wegen der in unzulässiger Weise an ihn selbst erfolgten Zustellung würde der erstinstanzlichen Erledigung der Bescheidcharakter fehlen. Da die Behörde zweiter Instanz die Berufung gegen eine solche Erledigung nicht in sachliche Behandlung nehmen dürfte, sondern als unzulässig zurückzuweisen hätte, hätte sie unter der Annahme unrichtiger Vorgangsweise im Ergebnis erstmals eine Sachentscheidung getroffen. Eine solche Entscheidung fiele aber nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde. Der angefochtene Bescheid wäre somit mit einer von Amts wegen wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0788.)
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Juni 2000
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