VwGH 99/20/0410

VwGH99/20/041021.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des AMN in Wiener Neustadt, geboren am 10. November 1965, vertreten durch Dr. Dieter Jedlicka, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. April 1999, Zl. 205.637/0- XII/36/98, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57;
EMRK Art3;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57;
EMRK Art3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch gemäß § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am 22. April 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 4. Mai 1998 Asyl. Bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt gab er an, als bekanntes Mitglied der Partei Mobutus und enger Mitarbeiter von General Baramoto, einem ranghohen Gefolgsmann Mobutus, unter den nunmehrigen politischen Verhältnissen in der Demokratischen Republik Kongo der Gefahr der Ermordung aus Gründen seiner politischen Gesinnung ausgesetzt zu sein.

Das Bundesasylamt sowie - nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - die belangte Behörde erachteten die Angaben des Beschwerdeführers über die Gründe seiner behaupteten Gefährdung als unglaubwürdig. Sie wiesen den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und stellten gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo sei zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde muss insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des Asylantrages richtet, erfolglos bleiben, weil die Würdigung des mit Widersprüchen behafteten Vorbringens des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof - auch bei Bedachtnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde - standhält. Insoweit die Beschwerde die Abweisung des Asylantrages mit Ausführungen zu einer Gefährdung des Beschwerdeführers als bekanntem "Gefolgsmann Mobutus" oder zumindest vermeintlichem Mitglied der Partei Mobutus bekämpft, geht sie nicht von den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde aus.

Die Beschwerde verweist jedoch - in Bezug auf den Ausspruch gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG mit Erfolg - darauf, dass sich aus den Berichten, die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegen, ein Zustand von "Chaos und Anarchie" im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ergebe, wovon hunderttausende Zivilisten direkt betroffen seien. Den Beilagen zum Verhandlungsprotokoll ist entnehmbar, dass das Konvolut von Unterlagen, die der belangten Behörde im März 1999 vom UNHCR übermittelt und die in der mündlichen Berufungsverhandlung erörtert wurden, ein Papier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe enthält, worin in Bezug auf den im August 1998 (neuerlich) ausgebrochenen Bürgerkrieg die Ansicht vertreten wird, eine Rückführung abgewiesener Asylwerber in das krisengeschüttelte Land sei auf Grund der konkreten Gefährdungssituation nicht zumutbar und der Vollzug von "Wegweisungen" solle unverzüglich eingestellt werden, was in den weiteren Teilen dieses Papiers näher begründet wird. Die übrigen von der belangten Behörde herangezogenen Berichte zeichnen gleichfalls das Bild eines Klimas allgemeiner Gewalt, obwohl sie zur Gänze aus der Zeit vor August 1998 zu stammen scheinen. Bei dieser Berichtslage hätte es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes einer detaillierteren, auf die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung aktuelle Lage am Zielort einer möglichen Abschiebung bezogenen Begründung dafür bedurft, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo unter dem Gesichtspunkt des § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG nicht unzulässig sei. In dieser Hinsicht ist ungeachtet der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur nicht ausreichenden Relevanz von Bürgerkriegen "an sich" (vgl. insoweit, auf die Demokratische Republik Kongo - aber nicht konkret eine der hier vorliegenden vergleichbare Berichtslage - bezogen, etwa das Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 2000/18/0065) etwa auf das Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0465, und die daran anschließende Rechtsprechung zu den Ereignissen in Freetown, Sierra Leone, im Jänner 1999 zu verweisen. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist hinzuzufügen, dass die damals gegebene "extreme Gefahrenlage" zwar unter dem Gesichtspunkt des § 57 Abs. 1 FrG von Bedeutung war, die rechtliche Prüfung aber nicht auf das Vorliegen einer mit den damaligen Verhältnissen in Freetown in jeder Hinsicht vergleichbaren Gefahrenlage im Zielstaat, sondern allgemein darauf abzustellen hat, ob die Abschiebung dorthin - abgesehen von den außerdem zu berücksichtigenden Fällen einer drohenden Todesstrafe -

mit Österreichs Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK vereinbar wäre (vgl. dazu die auf § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG bezogenen Nachweise in den Erkenntnissen vom 26. Februar 2002, Zl. 99/20/0509 und Zl. 99/20/0571; zur humanitären Lage am Zielort das Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/01/0030).

Es war daher der Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 21. März 2002

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