VwGH 99/16/0446

VwGH99/16/044619.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. Josef Deimböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 3, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 10. September 1998, Zl. MD-VfR-P 10/98, betreffend Haftung für Getränkesteuer, Dienstgeberabgabe und Kommunalsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Haftung der Beschwerdeführerin für Getränkesteuer und Dienstgeberabgabe samt Säumniszuschlägen richtet, als unbegründet abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch den für die Kommunalsteuer zuständigen Senat vorbehalten.

Begründung

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 28. März 1997, GZ 4 S 241/97n, war über das Vermögen der Primärschuldnerin R-GesmbH das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Masseverwalterin gab in einem Schreiben vom 26. August 1997, gerichtet an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6-Rechnungsamt, zu einer Anfrage bezüglich des Getränkesteuerkontos und des Kommunalsteuer/DGA-Kontos der Gemeinschuldnerin bekannt, dass mangels Masse keine Konkursquote zur Ausschüttung gelange.

Mit Schreiben vom 13. November 1997 hielt der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, der Beschwerdeführerin vor, sie sei bis 28. März 1997 im Firmenbuch als Geschäftsführerin der R-GesmbH eingetragen und damit verantwortlicher Vertreter dieser Firma gewesen. Es wurden die Steuerbeträge angeführt, die von der Gemeinschuldnerin nicht termingemäß entrichtet worden seien, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für die Haftung der Beschwerdeführerin gegeben seien. Die Aufgliederung der Rückstände betraf Getränkesteuer von August 1995 bis einschließlich Februar 1997 samt Säumniszuschlägen, Verspätungszuschlägen und einer Pfändungsgebühr, sowie Kommunalsteuer/Dienstgeberabgabe aus dem selben Zeitraum einschließlich Säumniszuschlag.

Dazu äußerte sich die Beschwerdeführerin mit einem bei der Behörde am 28. Jänner 1998 eingelangten Schreiben dahingehend, dass seit 1. Jänner 1995 (ihr früherer Ehemann) A Handlungsbevollmächtigter sowie Verantwortlicher für die korrekte Leistung der Steuern und gesetzlichen Abgaben der R-GesmbH gewesen sei. Er habe seit diesem Zeitpunkt die Geschäfte der Gesellschaft alleine geführt und den Umsatz sowie sämtliche Bareinnahmen alleine verwaltet. Die Position der Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der R-GesmbH begründe sich einzig auf ihre eheliche Verbindung sowie auf ihr damals noch vorhandenes Vertrauen zu A. Im Dezember 1996 habe sie verlangt, aus der R-GesmbH auszusteigen und habe sie mit Notariatsakt vom 23. Dezember 1996 ihre Geschäftsanteile an A. abgetreten, wobei sie als Geschäftsführer enthoben und entlastet worden sei. A sei inzwischen wegen betrügerischer Krida betreffend die R-GesmbH verurteilt worden. Geldbeträge in Höhe von über S 300.000,-- seien von ihm aus dem Betrieb entfernt und damit der Konkurs ausgelöst worden. Über den Verbleib der Wareneinnahmen sowie der einbehaltenen Getränkesteuer etc. der R-GesmbH könnten namhaft gemachte Zeugen aufschlussreiche Aussagen tätigen.

Mit ihrer Eingabe legte die Beschwerdeführerin den Beschluss der R-GesmbH, betreffend die Bestellung des A zum Handlungsbevollmächtigten, vom 1. November 1995 sowie (u.a.) das Protokoll über die Generalversammlung der R-GesmbH vom 23. Dezember 1996 vor, wonach die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin abberufen und ihr die Entlastung erteilt worden sei.

Mit Haftungsbescheid vom 18. Februar 1998 machte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4/7 die Beschwerdeführerin auf Grund der §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO als Geschäftsführerin der R-GesmbH für die in der Zeit von August 1995 bis November 1996 entstandene Getränke-, Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabeschuld im Betrag von insgesamt S 79.831,18 haftbar und zog sie zur Zahlung dieses Betrages heran. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass der Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin wegen Betriebsendes uneinbringlich sei. Bis 23. Dezember 1996 sei die Beschwerdeführerin Geschäftsführerin gewesen, sie habe es unterlassen, für die termingemäße Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Dass die Haftungspflichtige die Funktion der Geschäftsführerin nur auf dem Papier innegehabt und tatsächlich die Geschäftsführung nie ausgeübt habe, vermöge sie nicht zu entschuldigen. Es liege ein haftungsrelevantes Verschulden des Geschäftsführers vor, wenn er einer Beschränkung seiner Befugnisse zustimme, die ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen unmöglich mache. Die Übertragung der steuerlichen Agenden an einen Dritten befreie den Geschäftsführer von der Haftung keinesfalls, es träfen ihn dann Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung Haftungsfolgen nach sich ziehe. Eine derartige Überprüfung der ordnungsgemäßen Abgabengebarung sei von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet worden. Ihr Verschulden sei darin gelegen, dass sie in ihrer Funktion als Geschäftsführerin die Ausübung einer ordnungsgemäßen Geschäftsgebarung einschließlich einer regelmäßigen Gebarungskontrolle unterlassen habe und gegen die eklatante Verletzung der Abgabenvorschriften nicht unverzüglich eingeschritten sei.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung verwies die Beschwerdeführerin auf ihre Äußerung und gab an, dass A sie im Laufe des Jahres 1996 in zunehmendem Maße an der Kontrolle der Geschäftsführung gehindert bzw. dies vereitelt habe. A habe sie, was die Ablieferung der gesetzlichen Abgaben betraf, belogen, indem er entweder behauptet habe, für diese fehlten im Moment die finanziellen Mittel, obwohl er unrechtmäßig Mittel entnommen habe, oder erklärte, ein Magistratsbeamter käme regelmäßig ins Lokal, um die ausstehende Getränkesteuer zu kassieren. Sie habe festgestellt, dass ein Beamter etwa wöchentlich gekommen sei, um Getränkesteuer einzuheben. Zur Beurteilung dieser Situation könnten die in ihrer Äußerung genannten Zeugen herangezogen werden. Sie ersuchte, diese enorme Drucksituation, unter der sie gestanden sei, zu berücksichtigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Sie nahm die gesetzlichen Voraussetzungen einer Geschäftsführerhaftung (§ 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 54 Abs. 1 WAO) als gegeben an. Nach der Aktenlage stehe fest und sei nicht bestritten, dass die im Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestünden. Die Beschwerdeführerin habe bis November 1996 dem Personenkreis des § 54 Abs. 1 WAO angehört. Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei das Konkursverfahren eröffnet worden und es komme keine Masse zur Ausschüttung. Die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin ergebe sich aus der Missachtung der Vorschrift des § 5 Abs. 1 der Wiener Getränkesteuerverordnung und des § 6 Abs. 1 Dienstgeberabgabegesetz sowie aus § 11 Abs. 1 Kommunalsteuergesetz. Sie hätte Sorge tragen müssen, dass die genannten Abgaben für die Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet würden. Wenn die Beschwerdeführerin ihr Verschulden an der Pflichtverletzung damit bestreite, dass sie ihre abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person übertragen habe, sei ihr entgegen zu halten, dass der verantwortliche Vertreter dadurch von seiner Verantwortung nicht befreit werde. Es gehöre insbesondere zur Pflicht des gesetzlichen Vertreters, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolge. Es gehöre zu den dem Vertreter zumutbaren Obsorgepflichten, dass dieser dann, wenn er unternehmensintern eine Arbeitsteilung vornehme und sich anderer Personen zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten bediene, deren Aufgabenleistung überprüfe, die Abgabenerfüllung überwache, und soweit er hierzu nicht in der Lage sei, durch geeignete Kräfte überprüfen lasse. Die Beschwerdeführerin habe nicht einmal ansatzweise vorgebracht, dass derartige Kontrollmechanismen eingerichtet worden wären. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Behinderungen bei der Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten berufe, sei es an ihr gelegen gewesen, alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zu ergreifen, um die Beseitigung zu erreichen oder unverzüglich die Geschäftsführerbefugnis zurückzulegen. Sie sei von ihrer Funktion als Geschäftsführerin aber erst nach eineinhalb Jahren zurück getreten, weshalb das Verschulden als gegeben anzusehen sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen, zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 13. Oktober 1999, B 2073/98, abgelehnt. Vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde von der Beschwerdeführerin die dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Behandlung abgetretene Beschwerde ergänzt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, für die hier geforderten Abgabenschulden der R-GesmbH nicht zu haften und nicht zur Zahlung herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Heranziehung zur Haftung für Getränkesteuer und Dienstgeberabgabe richtet, erwogen:

Erstmals in der beim Verfassungsgerichtshof am 2. August 1999 eingelangten Beschwerde hat sich die Beschwerdeführerin auf den Konflikt des österreichischen Getränkesteuerrechts mit dem Gemeinschaftsrecht berufen.

Tatsächlich hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 9. März 2000, Rechtssache C- 437/97 , ausgesprochen, dass Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren der Beibehaltung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke entgegen steht. Weiters wurde ausgesprochen, dass sich niemand auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 berufen kann, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass diese Urteils entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

Im Abgabenverfahren selbst hat die Beschwerdeführerin sowohl in ihrer Äußerung gegenüber der Abgabenbehörde erster Instanz wie auch in der Berufung ausschließlich ihre Heranziehung zur Haftung bekämpft. Der Abgabenbescheid erster Instanz enthielt - unter Berücksichtigung des geltend gemachten Umstandes, dass die Beschwerdeführerin im Dezember 1996 als Geschäftsführerin ausgeschieden ist - eine detaillierte Aufstellung aller Rückstände; die Beschwerdeführerin hat die Höhe dieser Rückstände nie angezweifelt.

Gemäß § 193 Abs. 1 WAO ist, wer zur Berufung gegen den Haftungsbescheid befugt ist, berechtigt, innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenbescheid zu berufen. Der Abs. 3 dieser Bestimmung sieht vor, dass dann, wenn die Abgabe durch Selbstbemessung festgesetzt ist, auch dann, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist, dem zur Berufung gegen den Haftungsbescheid Befugten noch innerhalb der Berufungsfrist das Recht zur Berichtigung der Abgabenerklärung zusteht. Von einer solchen Berichtigungsmöglichkeit hat die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch gemacht, weshalb die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausschließlich über die Voraussetzungen der Haftung der Beschwerdeführerin für die bestehende Abgabenverbindlichkeit abzusprechen hatte.

Im vergleichbaren Fall des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 2000, Zl. 2000/16/0265, in welchem die damalige Beschwerdeführerin gleichfalls nur gegen die Heranziehung zur Haftung ein Vorbringen erstattet hatte, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, aus § 193 WAO ergebe sich ebenso wie aus dem Vorbild dieser Bestimmung, dem § 248 BAO, dass die Verfahren hinsichtlich der Haftung und hinsichtlich des Abgabenanspruches durchwegs getrennt seien und eine Verbindung der Verfahren über Berufungen gegen solche Bescheide nicht zulässig sei. Da der Abgabenanspruch nur in jenen Fällen durch das zitierte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften berührt sei, in denen gegen diesen Anspruch eine Klage erhoben oder ein Rechtsbehelf (in Fällen einer Selbstbemessungsabgabe im Wege einer Berichtigung der Abgabenerklärung) eingelegt worden sei, folge auch aus der grundsätzlichen Akzessorietät der Haftungsschuld nicht, dass sich die damalige Beschwerdeführerin als Haftungsschuldnerin im Verfahren über die Inanspruchnahme der Haftungsschuld auf das zitierte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften berufen könne.

Im Fall des Erkenntnisses vom 25. Mai 2000, Zl. 2000/16/0238, in welchem erstmals in der im August 1999 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Getränkesteuervorschreibung hingewiesen worden war, stellte der Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass in jenem Fall eine Berichtigungserklärung nach § 193 Abs. 3 WAO vorlag, weil in der Berufung ausdrücklich vorgebracht worden sei, die Steuerschätzung sei zu hoch gewesen. In jenem Fall erachtete der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des Beschwerdevorbringens in der im August 1999 eingelangten Beschwerde die Voraussetzungen einer von der Beschwerdeführerin vor dem 9. März 2000 eingelegten Klage als gegeben.

Da im vorliegenden Fall keine Berichtigung vorlag, kann der Umstand, dass die belangte Behörde die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Getränkesteuervorschreibung für alkoholische Getränke nicht erkannte, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides nicht bewirken. In diesem Sinne ist auch der Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes zu verstehen, der unter ausdrücklichem Hinweis auf § 193 WAO ausgeführt hat, dass sich die erhobenen Bedenken gegen nicht angewendete Normen richteten.

Die die Abgabenverbindlichkeit der Beschwerdeführerin begründenden Bestimmungen der WAO lauten:

"§ 7. (1) Die in den §§ 54 ff. bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten haften neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

§ 54. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die gleiche Pflicht trifft Personen, denen die Bestellung von Vertretern juristischer Personen zukommt, wenn kein Vertreter bestellt ist. Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen oder ihrer Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden."

Nach § 7 Abs. 1 WAO reicht es für die Heranziehung des Vertreters des Abgabenpflichtigen zur Haftung bereits hin, dass die Abgaben nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, wobei der Gesetzgeber beispielhaft auf den Fall der Konkurseröffnung verweist (hg. Erkenntnis vom 15. März 2001, Zl. 2000/16/0723). Im vorliegenden Fall kommt dazu, dass nach Auskunft der Masseverwalterin mangels Masse keine Konkursquote zur Ausschüttung gelangte. Die Beschwerdeführerin hat sich im Verwaltungsverfahren zur Frage der sie als Geschäftsführerin treffenden Pflichten lediglich darauf berufen, dass ihr Ehemann als Handlungsbevollmächtigter seit etwa 1. November 1995 die Geschäfte der R-GesmbH allein geführt habe.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein für die Haftung im Sinne des § 7 Abs. 1 WAO relevantes Verschulden jedenfalls dann vorliegt, wenn sich der Geschäftsführer einer Ges. m.b.H. mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht (hg. Erkenntnis vom 20. April 1999, Zl. 94/14/0147). Wird der Geschäftsführer so behindert, dass er die seinen Rechtspflichten gegenüber Dritten korrespondierenden Geschäftsführungsrechte nicht mehr wahrnehmen kann, so hat er entweder im Rechtsweg alles ihm rechtlich zu Gebote Stehende zu unternehmen, um diesen Zustand abzustellen oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen; der Geschäftsführer, der weiterhin als Geschäftsführer tätig bleibt, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, hat auch seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die GesmbH treffenden Abgaben verletzt (hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 94/16/0292, in welchem insbesondere klargelegt wurde, dass die Übernahme der Geschäftsführerfunktion als bloßer "Strohmann" ein Verschulden im hier maßgeblichen Sinn darstellt).

In der Beschwerde wird eine Pflichtverletzung nun insbesondere mit dem Hinweis auf die Äußerung der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung bestritten, wonach sie "tatsächlich feststellte, dass ein Beamter etwa wöchentlich kam, um Getränkesteuer einzuheben". Auf Grund dieser Angabe hätte die Behörde im Hinblick auf die grundsätzlichen Anordnungen der §§ 89 ff WAO alle Umstände, welche für die Bemessung der Abgaben wichtig seien, sorgfältig ermitteln und diesbezügliche Nachrichten sammeln und ergänzen müssen.

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1999, Zl. 97/17/0144 m.w.N.).

Die bloße Wahrnehmung, es sei wöchentlich Getränkesteuer bar kassiert worden, vermag die Beschwerdeführerin hinsichtlich der ihr angelasteten Pflichtverletzung nicht zu entschuldigen. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift darauf, dass Barinkassi lediglich im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens in Betracht kämen; die Beschwerdeführerin hat ja auch keinerlei Behauptungen dahingehend aufgestellt, in welcher Höhe und für welche Perioden Barzahlungen geleistet worden wären. Sie hat insbesondere keinerlei Vorbringen dazu erstattet, welche Mittel ihr zur Verfügung gestanden seien und welche Mittel sie zur Erfüllung der Abgabenverbindlichkeiten verwendet habe; dies ergibt sich zwangsläufig aus dem Umstand, dass sie die tatsächliche Geschäftsführung einem Dritten überlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sogar bei der Beauftragung eines Steuerberaters mit den Abgabenangelegenheiten ausgeführt, dass eine solche Beauftragung den Geschäftsführer nicht der Pflicht enthebt, die beauftragte Person bei ihrer Tätigkeit zu überwachen und zwar zumindest in solchen Abständen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1997, Zl. 93/17/0405). Dass die Beschwerdeführerin irgendeine Kontrolltätigkeit entfaltet hätte, wird von ihr nicht behauptet. Die Höhe der offenen Abgabenverbindlichkeiten wurde ihr vorgehalten und auf Grund ihrer Angaben, wann sie ihre Geschäftsführung tatsächlich zurück gelegt hätte, eine entsprechende Reduktion im Bescheid erster Instanz vorgenommen.

Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Haftungspflichtigen betreffend das Fehlen der erforderlichen Mittel entbindet die Behörde dann nicht von ihrer Ermittlungs- und Feststellungspflicht, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen dieser Mittel ergeben oder der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen aufstellt (hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 92/17/0083 m.w.N.). Gerade derartig konkrete, sachbezogene Behauptungen, insbesondere über das Vorhandensein und die Verteilung allfälliger Mittel, hat die Beschwerdeführerin aber unterlassen, sodass für weitere Ermittlungen durch die Verwaltungsbehörden kein Anlass bestand. Auch die Äußerung der Beschwerdeführerin, aus den Aussagen von Zeugen in einem Strafverfahren gegen A. ginge hervor, dass Geldbeträge in Höhe von über S 300.000,-- aus dem Betrieb entfernt worden seien und dass über den Verbleib der Bareinnahmen sowie die einbehaltene Getränkesteuer etc. die genannten Zeugen "aufschlussreiche Aussagen" tätigen könnten, bildete für die Behörde keine Veranlassung, weitere Ermittlungen durchzuführen. Die Behörde hatte nicht über den Verbleib der Bareinnahmen zu forschen, sondern wäre nur verpflichtet gewesen, auf Grund konkreter Behauptungen der Beschwerdeführerin Ermittlungen durchzuführen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid in dem von diesem Erkenntnis erfassten Umfang weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes anzulasten ist, noch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erkannt werden kann, war die Beschwerde insoweit als unbegründet abzuweisen.

Da die Schriftsätze der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und es sich beim geltend gemachten subjektiven Recht nicht um "civil rights" im Sinne des Artikels 6 EMRK handelt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, Zl. B267/86, VfSlg. 11500, sowie das Urteil des EGMR vom 12. Juli 2001, 44759/98 FERRAZINI/ITALIEN), konnte von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 19. Dezember 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte