Spruch:
Die Beschwerden werden für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Der 1942 geborene Beschwerdeführer steht seit 1. Mai 1999 als Oberamtsrat in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt Linz. Der erstangefochtene Bescheid betrifft einen besoldungsrechtlichen Streit aus der Zeit des Dienststandes des Beschwerdeführers (Jubiläumszuwendung aus Anlass der Vollendung der Dienstzeit von 35 Jahren); der zweitangefochtene Bescheid bezieht sich auf einen Anspruch im Zusammenhang mit der Ruhestandsversetzung (Treuebelohnung)
In beiden Fällen bestätigte die jeweilige belangte Behörde (im Fall des erstangefochtenen Bescheides der Gemeinderat, im Fall des zweitangefochtenen Bescheides das zuständige Mitglied des Stadtsenates) im Instanzenzug die Aussetzung ihres Verfahrens nach § 38 AVG bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des gegen den Beschwerdeführer mit Einleitungsbeschluss vom 10. Juni 1997 vom zuständigen Senat der Disziplinarkommission eingeleiteten und zum Zeitpunkt des (jeweils) angefochtenen Bescheides noch anhängigen Disziplinarverfahrens. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass nach den einschlägigen Rechtsvorschriften für die Gewährung einer Jubiläumszuwendung bzw einer Treuebelohnung u.a. die Leistung "treuer Dienste" Voraussetzung sei. Die (im Verdachtsbereich) vorgeworfenen Disziplinarverfehlungen beträfen ausschließlich die Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben durch den Beschwerdeführer während seiner Funktion als Leiter der Seniorenheime der Stadt. Werde er dieser Vergehen (oder auch nur einiger davon) für schuldig befunden, sei dies für die Beurteilung der für die (besoldungsrechtlichen) Ansprüche maßgebenden Voraussetzung der Leistung "treuer Dienste" relevant. Aus diesem Grund sei jeweils das Vorliegen einer Vorfragesituation im Sinn des § 38 AVG zu bejahen gewesen. Die belangte Behörde begründete auch näher, warum sie vom Ermessen für die Aussetzung Gebrauch gemacht habe. Der erstangefochtene Bescheid enthält in seinem Spruchabschnitt 2 zusätzlich die Abweisung des vom Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aussetzungsbescheid eingebrachten Devolutionsantrags (an den Gemeinderat). Begründet wurde die Abweisung des Devolutionsantrages damit, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei. Eine schuldhafte Verzögerung der Entscheidungspflicht der Behörde liege schon dann nicht vor, wenn die säumige Behörde gemäß § 38 AVG zur Aussetzung berechtigt gewesen sei. Dies gelte umso mehr, wenn bereits ein Aussetzungsbescheid erlassen worden sei.
Der Beschwerdeführer macht in seinen Beschwerden Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere des § 38 AVG, geltend. Er geht im Wesentlichen in beiden Beschwerden davon aus, dass wegen seiner Ruhestandsversetzung das während der Zeit seines (aktiven) Dienststandes eingeleitete Disziplinarverfahren nicht mehr verfolgt werden könne. Dies leitet er aus § 109 des Statutargemeinde-Beamtengesetzes (StGBG) ab, der eine disziplinäre Verfolgung des Beamten des Ruhestandes für ein während des Dienststandes begangenes Dienstvergehen nur für den Fall vorsehe, dass dieses erst nach der Ruhestandsversetzung bekannt geworden sei.
Die belangte Behörden legten die Akten des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vor und erstatteten eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der jeweiligen Beschwerde als unbegründet beantragten.
Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes wurde der Bescheid (Berufungserkenntnis) der Disziplinaroberkommission der Landeshauptstadt Linz vom 12. Oktober 2001, Zl. 001-5-9/Dok, übermittelt, mit dem das in den Aussetzungsbescheiden genannte Disziplinarverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b VwGG gebildeten Senat verbunden.
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides
- im Besonderen durch die belangte Behörde oder allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senats vom 9. April 1980, Slg. NF Nr. 10.092/A).
§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im genannten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.
In den Beschwerdefällen kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass ein Aussetzungsbescheid nur solange Rechtswirkungen entfaltet bis das Verfahren, in dem über die Vorfrage abzusprechen ist, rechtskräftig entschieden ist (vgl. dazu die unter E 131 zu § 38 AVG bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I2, angeführte Rechtsprechung).
Wegen des rechtskräftigen Abschlusses des Disziplinarverfahrens, auf das in den beiden angefochtenen Aussetzungsbescheiden Bezug genommen wird, ist die dort verfügte Aussetzung beendet worden, sodass einer Entscheidung des Gerichtshofes nur mehr theoretische Bedeutung zukäme, weshalb ein weiteres Rechtschutzinteresse des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben ist.
Dies gilt auch für den erstangefochtenen Bescheid, der einen "Doppelabspruch" (Aussetzung; Abweisung des gleichzeitig mit der Berufung eingebrachten Devolutionsantrag) enthält. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich der Beschwerdepunkt in Verbindung mit den Ausführungen in der Beschwerde gegen diesen Bescheid so zu verstehen, dass sich der Beschwerdeführer (im Ergebnis) ausschließlich durch die Bestätigung der Aussetzungsentscheidung im Spruchpunkt 1 verletzt erachtet, nicht aber in seinem Recht auf Stattgebung seines Devolutionsantrages (sodass zwischen dem ersten und dem zweiten Beschwerdefall kein Unterschied ist). Es kann daher im ersten Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob ein in der Berufung gegen einen Aussetzungsbescheid der Behörde erster Instanz gleichzeitig gestellter Devolutionsantrag zulässig ist, bejahendenfalls die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung darüber von der Entscheidung über die Aussetzung abhängt und ob dabei die Frage von Bedeutung ist, ob der Berufung (hier: in einer Angelegenheit des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses) aufschiebende Wirkung (im Sinn des DVG verstanden als Aufschub der Verbindlichkeit - vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1993, Zl. 92/12/0038, mwN zur Literatur) zukommt.
Der (mögliche nachträgliche) Wegfall des Rechtschutzinteresses wurde dem Beschwerdeführer als vorläufige Ansicht mit Berichterverfügung vom 10. Juni 2002 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 hat der Beschwerdevertreter zu beiden anhängigen Beschwerden erklärt, dass seitens seiner Mandantschaft kein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Verfahren bestehe.
Beide Beschwerdeverfahren waren daher wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen.
Da im Beschwerdefall die Entscheidung über die Kosten im Sinn des § 58 Abs. 2 VwGG einen unverhältnismäßigen Aufwand erforderte, war keiner der beiden Parteien Kostenersatz im Sinne der §§ 47 ff VwGG zuzusprechen.
Wien, am 26. Juni 2002
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