Spruch:
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluss vom 10. Mai 2001, 2001/15/0043, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 12. Dezember 2000, RV-038.95/1-8/95, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1992 mit der Begründung ein, die Antragstellerin habe auf Grund des ihr erteilten Mängelbehebungsauftrages nicht den von ihr geforderten angefochtenen Bescheid in einer Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie vorgelegt. Da der Mängelbehebungsauftrag somit nur teilweise erfüllt worden sei, gelte die Beschwerde gemäß § 34 Abs 2 VwGG als zurückgezogen.
Im innerhalb offener Frist gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (idF: Antrag) führt die Antragstellerin aus, die im Mängelbehebungsauftrag angeforderten Unterlagen seien von einem Mitarbeiter ihres Wirtschaftstreuhänders zusammengestellt und persönlich ihrem Wirtschaftstreuhänder übergeben worden. Ihr Wirtschaftstreuhänder habe die Vollständigkeit der Unterlagen geprüft und festgestellt, dass sich auch der angefochtene Bescheid bei den Unterlagen befände. Diese Unterlagen habe ihr Wirtschaftstreuhänder seiner Kanzleikraft ML mit dem Auftrag übergeben, diese innerhalb offener Frist an den Verwaltungsgerichtshof mit einem Begleitschreiben, in dem diese Unterlagen anzuführen seien, zu senden. ML habe das Begleitschreiben am 13. April 2001 verfasst. Dieses Begleitschreiben sei ihrem Wirtschaftstreuhänder in der Unterschriftsmappe, in der sich auch die gesamte andere an diesem Tag zu unterschreibende und abzufertigende Post befunden habe, vorgelegt und von ihm unterschrieben worden. Ihr Wirtschaftstreuhänder habe nochmals die dem Begleitschreiben angeschlossenen Unterlagen geprüft und festgestellt, dass diese vollständig seien, sohin auch der angefochtene Bescheid angeschlossen worden sei. Aus diesem Grund habe ihr Wirtschaftstreuhänder offenkundig übersehen, dass die Textierung des Begleitschreibens insofern nicht mit den angeschlossenen Unterlagen übereinstimme, als im Begleitschreiben der angefochtene Bescheid nicht angeführt sei. Dieses Versehen dürfte ihrem Wirtschaftstreuhänder unterlaufen sein, weil für ihn nicht der Inhalt des Begleitschreibens, sondern die vollständige Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages wichtig gewesen sei. Das unterschriebene Begleitschreiben samt den vorzulegenden Unterlagen sei von ihrem Wirtschaftstreuhänder ML zur Kuvertierung und Abfertigung übergeben worden. Warum dem kuvertierten Begleitschreiben der angefochtene Bescheid nicht angeschlossen worden sei, sei nicht erklärbar. ML könne dies auch heute nicht mehr nachvollziehen. Denkbar sei, dass der angefochtene Bescheid im Zug der Manipulation beim Postabfertigen herausgefallen sei. ML sei seit rund drei Jahren in der Kanzlei ihres Wirtschaftstreuhänders tätig und für die gesamte Bescheid- und Fristenverwaltung sowie die Koordination interner Abläufe zuständig. ML sei vorher im Rechnungswesen eines Klienten ihres Wirtschaftstreuhänders tätig gewesen, weswegen ihr Wirtschaftstreuhänder deren Verlässlichkeit und weit überdurchschnittliche Kompetenz kennen gelernt habe. Seit ML für ihren Wirtschaftstreuhänder tätig sei, sei ihr ein derartiges Versehen nie unterlaufen, weswegen mit der Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages hätte gerechnet werden können.
Unter Hinweis auf die Nachholung der versäumten Handlung legte die Antragstellerin den angefochtenen Bescheid vor.
Nach § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis .... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise den hg Beschluss vom 31. Oktober 2000, 2000/15/0157, mwA), gibt ein einem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Antragstellerin nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Der Vertreter muss seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sicher gestellt ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind.
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen der Antragstellerin innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Nun hat jedoch die Antragstellerin keinerlei Behauptungen darüber aufgestellt, ob und in welcher Weise ihr Wirtschaftstreuhänder seine Kanzleikräfte kontrolliert bzw in welcher Weise er den ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten nachgekommen ist. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt, durch welche Kontrollen sicher gestellt wird, dass abzufertigende Unterlagen tatsächlich in die Unterschriftsmappe gelegt werden (vgl den bereits zitierten hg Beschluss vom 31. Oktober 2000, 2000/15/0157).
Dem Wirtschaftstreuhänder der Antragstellerin fällt daher ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln zur Last, das einen minderen Grad des Versehens gemäß § 46 Abs 1 VwGG übersteigt, weswegen dem Antrag schon aus diesem Grund nicht stattzugeben war.
Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt es überdies in freier Beweiswürdigung zu entscheiden, ob ein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht worden ist. Im Begleitschreiben vom 13. April 2001 wurde Folgendes ausgeführt:
"Weiters legen wir folgende Unterlagen bei:
1 Bescheid für das Jahr 1992 Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer
vom 4.10.1994,
St. Nr. 270/6401 Finanzamt Salzburg-Land
1 Bescheid für das Jahr 1995 Vorauszahlungen Körperschaftsteuer
vom 4.10.1994,
St. Nr. 270/6401 Finanzamt Salzburg-Land
Urschrift oben angeführter Beschwerde vom 2.3.2001 in dreifacher
Ausfertigung
samt Firmenorganigramm, Berufung vom 31.10.1994, Vorlageantrag vom 7.3.1995,
Vorhalterledigung vom 18.11.2000 jeweils in dreifacher Ausfertigung."
Die so angeführten Unterlagen wurden dem Begleitschreiben angeschlossen und abgefertigt. Dass von Kanzleikräften jene Unterlagen abgefertigt werden, die in Schriftsätzen angeführt sind, entspricht der forensischen Erfahrung. Die Behauptung der Antragstellerin, ihr Wirtschaftstreuhänder habe anlässlich der Unterfertigung nochmals die dem Begleitschreiben angeschlossenen Unterlagen geprüft und festgestellt, dass diese vollständig seien, sohin auch der angefochtene Bescheid angeschlossen worden sei, ist mit den Angaben im Begleitschreiben nicht in Einklang zu bringen. Denn bei einer auch nur flüchtigen Kontrolle des Begleitschreibens hätte der Wirtschaftstreuhänder bemerken müssen, dass der angefochtene Bescheid nicht unter den Unterlagen angeführt ist. Er hätte daher das Begleitschreiben nicht unterfertigen und damit nicht genehmigen dürfen, weil er damit hätte rechnen müssen, dass nur jene Unterlagen abgefertigt werden werden, die im Begleitschreiben angeführt sind (vgl nochmals den bereits zitierten hg Beschluss vom 31. Oktober 2000, 2000/15/0157). Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass entgegen den Ausführungen im Antrag der Wirtschaftstreuhänder anlässlich der Unterfertigung des Begleitschreibens dessen Inhalt nicht geprüft hat. Der angefochtene Bescheid konnte daher von ML gar nicht kuvertiert und abgefertigt werden.
Der als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte Sachverhalt ist somit nicht bescheinigt, weswegen auch aus diesem Grund dem Antrag nicht stattzugeben war.
Wien, am 20. September 2001
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