VwGH 2000/05/0245

VwGH2000/05/024520.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Engelbert Rothner und der Josefine Rothner in Traun, beide vertreten durch Dr. Gerhard Rothner, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. Mai 2000, Zl. BauR-012547/1-2000-Sc/Mö, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Traun, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §2 Z5;
BauTG OÖ 1994 §2 Z31 idF 1998/103;
BauTG OÖ 1994 §2 Z31;
VwRallg;
BauO OÖ 1994 §2 Z5;
BauTG OÖ 1994 §2 Z31 idF 1998/103;
BauTG OÖ 1994 §2 Z31;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer Anrainerbeschwerde wurde anlässlich einer baubehördlichen Kontrolle am 12. März 1998 festgestellt, dass auf dem Grundstück Nr. 1429/3, KG Traun, der Beschwerdeführer an der Südseite des bestehenden Wohnhauses ein Wintergarten im Ausmaß von 2 m x 4,85 m errichtet wurde, wobei die Dacheindeckung noch nicht hergestellt war. Der Abstand dieses Wintergartens zur hinteren westseitigen Bauflucht des Objektes beträgt 1,35 m. Der Wintergarten wurde auf einer bestehenden Terrasse montiert, die sich ca. 60 cm über dem Gelände befindet. Zur südlichen Grundgrenze hält der Wintergarten einen Abstand von ca. 1,85 m bis 1,90 m ein. Die anlässlich dieser Verhandlung getroffenen Feststellungen wurden in einer Fotodokumentation festgehalten.

Die Beschwerdeführer wurden mit Schreiben der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 9. März 1998 darauf hingewiesen, dass wegen der Unterschreitung des Mindestabstandes von 3 m eine Baubewilligung für den Wintergarten nicht erteilt werden könne, es wurde ihnen die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme eingeräumt. Am 24. März 1998 langte bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde ein Schreiben der Beschwerdeführer ein, in dem sie ausführten, sie seien der Meinung gewesen, dass für einen Glasanbau keine Bewilligung erforderlich sei. Sie wollten sich für die letzten Jahre ihres Daseins eine Freude machen, in Form eines Wintergartens, um gleichzeitig Energie zu sparen.

Am 31. März 1998 langte eine weitere Stellungnahme der Beschwerdeführer, nunmehr anwaltlich vertreten, beim Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde ein. In dieser Stellungnahme wurde ausgeführt, der Wintergarten sei nicht beheizt, er werde nicht zu Wohnzwecken benutzt. Es liege keine Bewilligungspflicht vor; gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 Oö. BauTG seien Garten- und Gerätehütten sowie ähnliche Nebengebäude mit einer bebauten Fläche bis zu 12 m2 von den Vorschriften betreffend die Abstände und Vorgärten ausgenommen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 17. September 1999 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 49 Abs. 1 Oö. BauO 1994 aufgetragen, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die konsenslos errichtete bauliche Anlage (Wintergarten im Ausmaß von 2 m x 4,85 m an der Südseite des bestehenden Wohnhauses) zu beseitigen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 31. März 2000 als unbegründet abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit der Feststellung keine Folge gegeben, dass die Beschwerdeführer durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt würden.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. September 2000, B 1171/00, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 49 Abs. 1 der Oö. BO 1994 (BO) i.d.F.

LGBl. Nr. 70/1998 hat die Baubehörde - unabhängig von § 41 - im Falle der Feststellung, dass eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen und gegebenenfalls den vorigen Zustand wieder herzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.

Die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 49 BO setzt demnach voraus, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist. Für die Klärung der Frage, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des Abbruchauftrages möglich ist, ist die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 97/05/0325, mwN).

Strittig ist im Beschwerdefall, ob es sich bei der gegenständlichen Anlage um einen Zubau handelt, der die Abstandsbestimmungen einhalten müsste, oder um ein Nebengebäude, das gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 Oö. BauTG diese Abstände nicht einhalten müsste.

Nach § 2 Z. 5 Oö. BauO 1994 der zum Zeitpunkt der Errichtung der baulichen Anlage (März 1998) geltenden Stammfassung war unter einem Zubau die Vergrößerung eines Gebäudes der Höhe, Länge oder Breite nach zu verstehen. Gemäß § 2 Z. 31 des Oö. Bautechnikgesetzes - Oö. BauTG, LGBl. Nr. 67/1994, war ein Nebengebäude ein Gebäude mit höchstens einem Geschoss über dem Erdboden und einer Traufenhöhe bis zu 3 m über dem Erdgeschossfußboden, das im Vergleich zur gegebenen oder voraussehbaren Hauptbebauung nur untergeordnete Bedeutung hat und nicht Wohnzwecken dient.

Ein Zubau lag nach der hg. Judikatur zur Oö. Bauordnung dann vor, wenn ein bestehendes Gebäude selbst der Höhe, Länge oder Breite nach vergrößert wird. Dazu bedurfte es jedenfalls einer Verbindung des Gebäudes mit dem Zubau, sei es durch eine Verbindungstüre, sei es in Form einer baulichen Integration, wie im Falle eines abgeschleppten Daches, das über den Zubau reicht, sodass zumindest optisch der Eindruck eines Gesamtbauwerkes entsteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0080). Aus dem hg. Erkenntnis vom 16. April 1998, Zl. 97/05/0245, geht hervor, dass dann, wenn die Verbindung eines Gebäudes durch eine Verbindungstüre (Zugang) zu einem Anbau vorlag, dieser als Zubau zu qualifizieren war. In einem derartigen Fall war die bauliche Integration, wie etwa ein gemeinsames Dach, sodass zumindest optisch der Eindruck eines Gesamtbauwerkes entsteht, nicht erforderlich.

Da bei der hier zu beurteilenden, dem Abtragungsauftrag zu Grunde liegenden baulichen Anlage eine Verbindungstüre zum Wohnhaus vorhanden ist, wurde die Anlage, bezogen auf den Errichtungszeitraum, mit Recht als Zubau qualifiziert, sodass es entgegen der Argumentation der Beschwerdeführer nicht darauf ankam, ob der Wintergarten zu Wohnzwecken oder zum Pflanzenzüchten verwendet wurde. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides war das Oö. BauTG, LGBl. Nr. 67/1994 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 103/1998 in Geltung. Dieses Gesetz definiert als Zubau die Vergrößerung eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung. § 2 Z. 31 des Oö. BauTG wurde durch die Novelle LGBl. Nr. 103/1998 um die Wortfolge ergänzt: "ob im Fall der Verbindung mit dem Hauptgebäude ein angebautes Nebengebäude vorliegt oder eine bauliche Einheit mit einem Hauptgebäude, also ein Zubau zu diesem, hängt von der baulichen Gestaltung und vom funktionalen Zusammenhang der als selbständige Gebäude oder als bloße Gebäudeteile zu qualifizierenden Baukörper ab".

Auf Grund der hier anzuwendenden Novelle LGBl. Nr. 103/1998 war daher zu beurteilen, ob, da eine Verbindung mit dem Hauptgebäude durch eine Türe vorliegt, ein angebautes Nebengebäude vorliegt oder eine bauliche Einheit mit einem Hauptgebäude. Die bauliche Gestaltung wurde im durchgeführten Ermittlungsverfahren erhoben, im Gegensatz zum Altbestand des Wohngebäudes, das gemauert ist, ist der Wintergarten eine Aluminium-Glaskonstruktion. Was den funktionalen Zusammenhang betrifft, wurden keine Ermittlungen durchgeführt; die Beschwerdeführer haben seit ihrer anwaltlichen Vertretung stets behauptet, den Wintergarten nicht zu Wohnzwecken zu verwenden. Die Baubehörde hat keine Ermittlungen darüber gepflogen, inwiefern ein funktionaler Zusammenhang zum Wohnhaus besteht, insbesondere fehlen Feststellungen dahingehend, ob der Wintergarten an den bisherigen Wohnraum des Altbestandes angebaut wurde und mit diesem einen funktionalen Zusammenhang bildet. Mangels diesbezüglicher Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der gegenständliche Wintergarten im Sinne des Oö. BauTG in der Fassung LGBl. Nr. 103/1998 als Zubau oder als Nebengebäude zu qualifizieren ist (vgl. in diesem Zusammenhang das zur Wiener Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2000, Zl. 96/05/0191). Deshalb ist auch eine abschließende Beurteilung dahingehend, ob allenfalls eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden könnte, nicht möglich.

Da die belangte Behörde die diesbezügliche Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens nicht erkannt hat, belastete sie ihrerseits den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Wien, am 20. April 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte