VwGH 99/20/0123

VwGH99/20/012324.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des am 14. Februar 1980 geborenen B in G, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radezkystraße 18, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. November 1998, Zl. 204.775/0-XII/37/98, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 25. Juli 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. Juli 1998 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 31. Juli 1998 gab er an, ihm drohe wegen seiner Weigerung, der Ogboni-Geheimgesellschaft beizutreten, in Nigeria die Verfolgung durch die Mitglieder dieser Geheimgesellschaft, die schon seinen Vater und seinen Bruder getötet hätten. Die Geheimgesellschaft gebe es im ganzen Land.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 6. August 1998 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria fest. Es ging im Wesentlichen davon aus, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig seien, hielt ihm aber (unter anderem) auch entgegen, dass er der behaupteten Gefahr durch eine Verlegung seines Wohnsitzes in Nigeria entgehen oder den Schutz der Exekutive und der Gerichte, die gegen Geheimgesellschaften "rigoros" vorgingen, in Anspruch nehmen könne.

In seiner Berufung gegen diese Entscheidung wandte sich der Beschwerdeführer im Einzelnen gegen die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes. Den Eventualausführungen im erstinstanzlichen Bescheid hielt er entgegen, der Einfluss der Geheimgesellschaft erstrecke sich über ganz Nigeria und reiche - wie in der Berufung nun erstmals vorgebracht wurde - auch "bis zur Exekutive" seines Heimatlandes. Mitglieder der Geheimgesellschaft seien "selbst in der Polizei eingesetzt", weshalb er "von dieser Seite keinen Schutz zu erwarten" habe. Darüber hinaus verwies der Beschwerdeführer zum unzureichenden Schutz durch die "Polizei", die auch seinen Vater und seinen Bruder nicht habe beschützen können, auf einen näher bezeichneten Länderbericht des U.S. Department of State.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 7 AsylG keine Folge und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung ausdrücklich die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen zugrunde und ging damit erkennbar wie die Erstbehörde davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der ihm in Nigeria (aktuell) drohenden Verfolgung nicht der Wahrheit entspreche. Die belangte Behörde hätte in dieser Hinsicht aber - angesichts der ausreichend konkreten Bestreitung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in der Berufung - nicht davon ausgehen dürfen, der Sachverhalt sei im Sinne des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG "geklärt", und sie hätte daher nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und die daran anschließende Judikatur) eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen müssen. Dies gilt aber auch hinsichtlich der von der belangten Behörde den Rechtsausführungen - die offenbar als Hilfsbegründung zu verstehen sind - in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt zugrunde gelegten Annahme staatlicher Schutzgewährung und/oder einer lokalen Begrenztheit der behaupteten Verfolgung durch die Ogboni-Geheimgesellschaft. Hiezu ist der Beschwerdeführer in der Berufung nicht nur den diesbezüglich getroffenen Feststellungen entgegen getreten, sondern er hat auch neue Behauptungen aufgestellt und sich in diesem Zusammenhang auf einen - im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigten - Länderbericht berufen, worauf gleichfalls im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung einzugehen gewesen wäre.

Wäre die belangte Behörde in der beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit den Ergebnissen einer Berufungsverhandlung zu der Auffassung gelangt, dass dem Beschwerdeführer tatsächlich die Ermordung durch Mitglieder einer Geheimgesellschaft drohe und er nicht auf die angenommenen Schutzalternativen verwiesen werden könne, so hätte dies zumindest im Rahmen einer gemäß § 8 AsylG zu treffenden Entscheidung Berücksichtigung finden müssen. Unter den im - zur Verfolgung durch Mitglieder der Ogboni-Geheimgesellschaft unter dem Gesichtspunkt einer Verfolgung aus "Gründen der Religion" Stellung nehmenden - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0557, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargestellten Voraussetzungen hätte dies aber auch für die Entscheidung über den Asylantrag von Bedeutung sein und somit insgesamt zu einem anderen Bescheid führen können (vgl. auch die Erkenntnisse vom 25. Jänner 2001, Zl. 98/20/0555 und Zl. 99/20/0133).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandsersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2001

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