Normen
BauO NÖ 1976 §109 Abs3;
BauO NÖ 1976 §112;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §113;
BauRallg;
BauO NÖ 1976 §109 Abs3;
BauO NÖ 1976 §112;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §113;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Zweitmitbeteiligten in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenersatzbegehren der Erstmitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Den Beschwerdeführern gehört die Liegenschaft EZ 1312, KG Mödling, die der Liegenschaft EZ 446 (Baugrundstück) unmittelbar benachbart ist. Sie beantragten mit einem undatierten, bei der Baubehörde erster Instanz am 2. November 1993 eingelangten Schreiben, der Bürgermeister möge unverzüglich den Abbruch der auf dem Baugrundstück errichteten Baulichkeiten anordnen.
Mit Bescheid vom 26. November 1993, der ausschließlich an die Zweitmitbeteiligte gerichtet war, erteilte der Bürgermeister der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde der Zweitmitbeteiligten gemäß § 109 Abs. 3 NÖ BauO 1976 den baubehördlichen Auftrag, die ungenehmigten Bauarbeiten auf dem Baugrundstück sofort einstellen zu lassen, sowie den Auftrag, die konsenslos errichteten Bauwerke auf diesem Grundstück innerhalb von zwei Monaten abzubrechen und den ursprünglichen Zustand wieder her zu stellen.
Einer dagegen erhobenen Berufung der Zweitmitbeteiligten gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 9. März 1998 (im zweiten Rechtsgang) Folge und hob den Bescheid vom 26. November 1993 auf. Die Zweitmitbeteiligte habe am 20. November 1997 neuerlich um eine baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von 4 Wohnblöcken mit insgesamt 41 Wohnungen samt ausgebautem Dachgeschoß und Tiefgarage auf der gegenständlichen Liegenschaft angesucht. Die Baubewilligung sei mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz am 13. Jänner 1998 erteilt worden; eine dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung sei zurückgewiesen worden, weil den Beschwerdeführern keine Parteistellung zugebilligt worden sei. Durch diese nunmehr vorliegende rechtskräftige Baubewilligung sei eine Änderung des Sachverhaltes eingetreten, die im Berufungsverfahren zu beachten gewesen sei.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung machten die Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit der erteilten Baubewilligung geltend; sie verwiesen auf die gegen den Zurückweisungsbescheid der Berufungsbehörde erhobene Vorstellung. Eine rechtskräftige Baubewilligung liege daher nicht vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung insoferne Folge, als bezüglich des Baueinstellungsauftrages der Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde zurückverwiesen wurde; bezüglich des Bauauftrages wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.
Hinsichtlich des Baueinstellungsauftrages begründete die belangte Behörde ihre Aufhebung damit, dass im Zeitpunkt der Erteilung dieses Auftrages (26. November 1993) tatsächlich keine rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen sei. Es komme nicht auf allfällige, nach Erlassung des erstinstanzlichen Baueinstellungsbescheides erfolgte Änderungen des Sachverhaltes an, sondern sei allein zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht die Voraussetzungen für eine Baueinstellung als gegeben angesehen habe. Die Baubehörde erster Instanz habe am 26. November 1993 zu Recht eine Baueinstellung verfügt; auf die Erlassung eines Baueinstellungsauftrages hätten die Beschwerdeführer ein Recht gehabt. Insoferne seien sie daher durch den aufhebenden Bescheid des Gemeinderates in ihren Rechten verletzt worden.
Die Vorstellungsbehörde wies in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass das Bauvorhaben längst vollendet worden sei und der Bau zwischenzeitlich bewohnt werde und dass ein Baueinstellungsbescheid durch die Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung durch Wegfall des Einstellungsgrundes gegenstandslos werde und einer Vollstreckung nicht mehr zugänglich sei, ohne dass es einer Aufhebung des Baueinstellungsbescheides bedürfe.
Bezüglich des Abbruchauftrages wurde zunächst auf diese Änderung des Sachverhaltes verwiesen; nach Vollendung des Baues hätte daher nur die Bestimmung des § 113 Abs. 2 Z. 3 NÖ BauO 1976 herangezogen werden dürfen. Der behördliche Auftrag zum Abbruch eines Bauwerkes nach dieser Bestimmung setze jedoch voraus, dass keine rechtskräftige Baubewilligung vorliege. Im Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Berufungsbescheides (Zustellung am 10. März 1998) sei jedoch eine rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen, weil mit Ergehen der letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Entscheidung trotz Erhebung einer Vorstellung formelle Rechtskraft eintrete. Die Frage der Rechtmäßigkeit der erteilten Baubewilligung sei im Abbruchverfahren nicht zu prüfen; sollte sich herausstellen, dass das Bauvorhaben keiner Bewilligung zugänglich sei, müsse die Baubehörde von Amts wegen einen Abbruchauftrag nach § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ BauO 1996 erlassen.
Die Berufungsbehörde habe aber auch deshalb den Bauauftrag (im Ergebnis) zu Recht aufgehoben, weil die Zweitmitbeteiligte (Bauwerberin) nicht Adressatin des Abbruchauftrages sein könne. Die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Bauwerkes treffe lediglich den jeweiligen Eigentümer; die Zweitmitbeteiligte sei nicht Eigentümerin der Liegenschaft und damit auch nicht Eigentümerin des Bauwerkes. Schon aus diesem Grund hätte der Gemeinderat der Berufung der Zweitmitbeteiligten Folge geben müssen.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 1. Dezember 1998, B 1793/98, die Behandlung der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Beschwerde ab; über gesonderten Antrag der Beschwerdeführer trat er sie dem Verwaltungsgerichtshof ab. In ihrer Beschwerdeergänzung beantragten sie, der Verwaltungsgerichtshof möge den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie die Mitbeteiligten, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde richtet sich gegen den angefochtenen Bescheid ohne jede Einschränkung; inhaltlich richtet sich die Beschwerde aber nur gegen die Abweisung der Vorstellung. Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit durch die aufhebende Entscheidung der Vorstellungsbehörde hinsichtlich der Baueinstellung in Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen worden sein könnte, zumal die belangten Behörde ausdrücklich ausgeführt hat, dass die Baueinstellung durch die Erstinstanz im Gesetz gedeckt war.
Gemäß § 77 Abs. 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen NÖ Bauordnung 1996 sind die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen; auf Grund der im November 1993 durch die Beschwerdeführer erfolgten Einleitung des Bauauftragsverfahrens ist die NÖ Bauordnung 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-9 (im Folgenden: BO) anzuwenden.
Ausgehend von der von den Beschwerdeführern nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellung, dass die Bauausführung bereits vollendet wurde, hat die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten, dass eine Anwendung der Bestimmung des § 109 Abs. 3 BO nicht mehr in Betracht kam. Nach dieser Bestimmung hatte die Baubehörde die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen, wenn ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedarf, ohne Baubewilligung ausgeführt wurde; konnte eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden, hatte die Baubehörde die Herstellung des ursprünglichen Zustandes zu verfügen. Diese Bestimmung war Grundlage für baupolizeiliche Aufträge während der Ausführung des bewilligungsbedürftigen Vorhabens, während die §§ 112 und 113 leg. cit. Grundlage für baupolizeiliche Aufträge zur Behebung von Gebrechen und Gesetzwidrigkeiten an bestehenden Bauwerken waren (Hauer-Zaussinger, NÖ BauO4, 391 f). Im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde kam daher hinsichtlich des Entfernungsauftrages nur mehr eine Anwendung des § 113 Abs. 2 Z. 3 BO in Betracht; diese Bestimmung lautete:
"(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn
...
3. für das Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und
a) die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist oder
b) der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat."
Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Vorstellung bezüglich der Aufhebung des Bauauftrages in erster Linie damit, dass die Zweitmitbeteiligte nicht (mehr) Adressatin eines solchen Auftrages sein könne.
Tatsächlich trifft die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues den jeweiligen Eigentümer, unabhängig davon, ob er oder ein Dritter oder sein Rechtsvorgänger den bauordnungswidrigen Zustand herbei geführt hat (siehe die Nachweise aus der hg. Judikatur bei Hauer-Zaussinger a.a.O., 416 ff). Die Zweitmitbeteiligtebe ist aber nicht Grundeigentümerin, wie die belangte Behörde unter Hinweis auf einen von ihr eingeholten Grundbuchsauszug festgestellt hat. Sie ist daher gemäß § 297 ABGB auch nicht Eigentümerin der darauf errichteten Wohngebäude. Schon deshalb musste der Gemeinderat der Berufung der Zweitmitbeteiligten Folge geben, weshalb die Abweisung der Vorstellung durch die belangte Behörde zu Recht erfolgte; die Beschwerdeführer haben sich im Übrigen mit der Passivlegitimation der Zweitmitbeteiligten nicht auseinander gesetzt.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Juni 2001, B 1807/98, den Bescheid der belangten Behörde, mit dem einer Vorstellung der Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren keine Folge gegeben worden war, aufgehoben hat, weil die Versagung der Parteistellung der Beschwerdeführer willkürlich erfolgt sei. Dies ändert aber nichts daran, dass gegen die Zweitmitbeteiligte ein Bauauftrag nicht erlassen werden durfte.
Schon deshalb erwies sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Damit erübrigt sich die von den Beschwerdeführern gewünschte Erörterung der Frage, ob hier eine formell rechtskräftige Baubewilligung vorlag. Da ein Bauauftrag nicht erteilt werden darf, wenn im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages das Vorhaben, welches im Zeitpunkt seiner Errichtung bewilligungspflichtig war, nicht mehr bewilligungspflichtig ist, so kann es keine Rolle spielen, inwiefern die NÖ BauO 1996 für den Bauwerber Erleichterungen gebracht hat. Auf die diesbezüglichen rechtspolitischen Ausführungen in der Beschwerde ist daher gleichfalls nicht einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Kostenbegehren der Erstmitbeteiligten war abzuweisen (angesprochen wird Schriftsatzaufwand und Umsatzsteuer), weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).
Wien, am 13. November 2001
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